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Wie glaubwürdig ist Kachelmann?

Mit Hilfe von Gutachten, Realkennzeichen und Aussagenanalysen wird die Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Opfers im Kachelmann-Prozess untersucht. Psychomeda erklärt, was dahinter steckt und warum sich der mutmaßliche Täter dieser Prozedur nicht unterziehen muss. - von Psychomeda-Redaktion, Dec 2010

Kachelmann-Prozess

Warum kein Lügendetektortest für den Täter

Wenn es um sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung geht, wird in der Regel das mutmaßliche Opfer einer Glaubwürdigkeitsbegutachtung unterzogen. Warum nicht auch der mutmaßliche Täter? Weil in einem Rechtsstaat niemand seine Unschuld nachzuweisen braucht.

Nach dem deutschen Strafrecht muss der Beschuldigte sich daher nicht zur Sache äußern. Er darf zum Selbstschutz sogar vor Gericht lügen. Er kann daher auch nicht gezwungen werden, sich einer Glaubwürdigkeitsbegutachtung zu unterziehen oder an einem Lügendetektortest teilzunehmen, was durchaus möglich wäre.

Da dem mutmaßlichen Täter die Tat aber nachgewiesen werden muss, ist es im Interesse des Opfers, Zweifel an der eigenen Zeugenaussage zu beseitigen, z.B. durch ein Glaubwürdigkeitsgutachten.

Glaubwürdigkeitsgutachten: So funktioniert es

Bei der Begutachtung der Glaubwürdigkeit geht es sowohl um die prinzipielle Glaubwürdigkeit der Person als auch um die Glaubhaftigkeit der konkreten Aussage (Aussagenanalyse). Für beides gibt Kriterien mit deren Hilfe sich Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit beurteilen lassen.

Wichtige Kriterien für die Glaubwürdigkeit einer Person sind:
- keine psychischen Störungen, wie z.B. Wahn, Halluzinationen, dissoziative Persönlichkeitsstörung
- Big-Five-Persönlichkeitsprofil mit hohen Werten für Gewissenhaftigkeit und niedrigen Werten für Neurotizismus
- Keine früheren bekannten Falschaussagen
- Die Person ist weder psychisch noch physisch übermäßig abhängig von anderen Menschen
- Keine Motivation für Falschaussage
- Zeuge verfügt gar nicht über die Intelligenz, sich eine komplexe Aussage auszudenken

Auch wenn eine Person prinzipiell als glaubwürdig eingeschätzt wird, kann doch die konkrete Zeugenaussage falsch oder unwahr sein (und andersherum). Daher wird mit Hilfe von sogenannten Realkennzeichen auch die Zeugenaussage genau analysiert.

Wichtige Realkennzeichen für Zeugenaussagen sind:
- Zeugenaussage ist detailreich mit Schilderung eigener Emotionen und ungewöhnlicher Begebenheiten
- Zeugenaussage ist unstrukturiert, einiges wird vergessen oder durcheinander gebracht (auswendig gelernte Aussagen werden meist chronologisch erzählt)
- Zeugenaussage kann auch später konsistent wiederholt werden, wirkt dabei jedoch nicht auswendig gelernt
- Es kann logisch und handlungstechnisch tatsächlich so geschehen sein, wie vom Zeugen berichtet
- Es hat keine suggestive Befragung stattgefunden

Glaubwürdigkeit von Kachelmann

Laut Staatsanwaltschaft soll Kachelmann am 9. Februar2010 um 0.30 Uhr in der Küche der Wohnung des mutmaßlichen Opfers in Schwetzingen ein Messer genommen und es der Frau an den Hals gedrückt haben. Daraufhin habe er sie ins Schlafzimmer gezerrt, wo er den Geschlechtsverkehr erzwungen habe. Er soll vor der Tat „Halt die Klappe oder Du bist tot“ gerufen und sie nach der Vergewaltigung erneut mit dem Tode bedroht haben.

In dem Prozess hat Kachelmann sich bisher kaum geäußert. Seine Aussage lässt sich daher auch nur oberflächlich analysieren. Die Glaubwürdigkeit der Person erscheint jedoch deutlich eingeschränkt. Offenbar hat Kachelmann über mehrere Jahre hinweg mehr als 10 Frauen systematisch belogen bzw. im Unklaren gelassen.

Zudem ist es schon dem Haftrichtern wenig plausibel erschienen, dass Kachelmann erst einvernehmlichen Sex gehabt haben will, bevor er dann von dem mutmaßlichen Opfer auf seine anderen Affären angesprochen wird und es zur Trennung kommt – es denn, das mutmaßliche Opfer hat die Vergewaltigung aus Rache nur vorgetäuscht und dies bereits zu diesem Zeitpunkt geplant. Dann hätte das Opfer ein Interesse daran gehabt, dass es zum Geschlechtsverkehr vor der eigentlichen Aussprache kommt.

Bei genauer Betrachtung erweist sich die wenig plausible Schilderung des Tathergangs als ein typisches Realkennzeichen. Durch die Schilderung belastet er sich nicht nur selbst, sondern sie ist auch noch ungewöhnlich – mit ungewöhnlichen Details (das mutmaßliche Opfer erwartet ihn mit Handschellen).

Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Opfers

Das mutmaßliche Opfer muss die Schuld bzw. der Vergewaltigung beweisen. Aber sowohl an der prinzipiellen Glaubwürdigkeit der Person als auch an der konkreten Aussage sind Zweifel erlaubt. So sprechen einige Anzeichen dafür, dass das mutmaßliche Opfer Symptome einer Borderline-Persönlichkeitsstörung aufweist. Es läge durchaus im Bereich des Möglichen, dass sich die Frau einen komplexen Racheakt ausdenkt und das Vortäuschen einer Vergewaltigung von langer Hand geplant hat.

Dazu passt, dass sie ihre Aussage offenbar nicht konsistent wiederholen kann und dass es der Aussage auch an Detailreichtum fehlt – wie von der Gutachterin Luise Greuel in ihrem Gutachten festgehalten. Es gibt Erinnerungslücken, die über das übliche Maß hinausgehen. Zudem scheinen auch die Verletzungen laut des Sachverständigen wenig plausibel.

Fazit

Es erscheint zweifelhaft, dass Kachelmann eine Vergewaltigung bewiesen werden kann, zumal sich in seiner Aussage einige gewichtige Realkennzeichen finden. Zudem fehlt Kachelmann ein plausibles Motiv für eine Vergewaltigung. Wahrscheinlicher ist, dass das mutmaßliche Opfer die Vergewaltigung vorgetäuscht und dieses von langer Hand als Racheakt geplant hat. Das mutmaßliche Opfer hatte nicht nur ein Motiv dafür, auch die Aussagen der Sachverständigen und Gutachter weisen in diese Richtung.
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