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Glaubwürdigkeitsgutachten - Lexikon der Psychologie

Ein Glaubwürdigkeitsgutachten ist ein Gutachten über die Glaubwürdigkeit eines Zeugen oder Angeklagten. Es wird von einem vertrauenswürdigen, öffentlich bestellten Sachverständigen erstellt und umfasst eine verbindliche Beurteilung der Glaubwürdigkeit in Hinblick auf die vorgegebene Fragestellung. Es sollte verständlich und nachvollziehbar formuliert sein und auf Grund von überprüfbaren Belegen zu verbindlichen Schlussfolgerungen gelangen.
Insbesondere bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch von Kindern oder auf Vergewaltigung wird im Rahmen des Ermittlungsverfahrens häufig ein Glaubwürdigkeitsgutachten erstellt. Ein Glaubwürdigkeitsgutachten ist vor allem dann notwendig, wenn es neben der Aussage des Opfers keine weiteren Beweise gibt. Da die Beweislast beim Ankläger liegt, der Ankläger also beweisen muss, dass der sexuelle Missbrauch stattgefunden hat, ist es auch im Interesse des Opfers, dass ein Glaubwürdigkeitsgutachten erstellt wird. Für Angeklagte (Täter) werden in der Regel keine Glaubwürdigkeitsgutachten erstellt, weil sie nicht dazu verpflichtet sind, bei etwas mitzuarbeiten, was sie selbst belasten könnte.

Prinzipiell gibt es zwei Herangehensweisen an die Begutachtung der Glaubwürdigkeit. Einige Gutachter konzentrieren sich eher auf die prinzipielle Glaubwürdigkeit der Person und untersuchen z.B. ob die Person aufgrund von psychischen Störungen (Wahn), Psychopathie, krankhaftem Lügen oder aufgrund ihrer sonstigen Persönlichkeit nicht glaubwürdig ist. Andere Gutachter konzentrieren sich hingegen vor allem auf die Aussage (Glaubhaftigkeit / Aussagenanalyse) und untersuchen, ob es in der Aussage selbst Anzeichen dafür gibt, dass die Aussage wahr oder unwahr ist.

Fragen zur prinzipiellen Glaubwürdigkeit der Person

  • Gibt es Hinweise in der Persönlichkeit auf eine verminderte Glaubwürdigkeit, z.B. geringe Gewissenhaftigkeit im Big-Five-Persönlichkeitstest?
  • Ist die Person überhaupt so intelligent, dass sie sich komplette Lügengeschichten ausdenken kann?
  • Lässt sich die Person leicht von außen beeinflussen (hohe Neurotizismus-Werte)?
  • Steht die Person unter Einfluss einer Sekte oder einer anderen Person (emotionale Abhängigkeit)?

Fragen zur Glaubhaftigkeit der konkreten Aussage

  • Gibt es Hinweise in der Aussage, die für ihren Wahrheitsgehalt sprechen (Realkennzeichen)?
  • Entspricht die Aussage in Bezug auf Struktur, Detailreichtum und anderen Merkmalen anderen wahren Aussagen?
  • Wird die Aussage konsistent (aber nicht auswendig gelernt) wiederholt?
  • Kann es überhaupt (logisch betrachtet) so gewesen sein?
  • Gibt es eine besondere Motivationslage für die Verfälschung der Aussage?
  • Wurde die Aussage von außen beeinflusst, z.B. durch vorangehende suggestive Befragungen?
Für die Richter können die Unterschiede in Hinblick auf Glaubwürdigkeit der Person und Glaubhaftigkeit der Aussage entscheidend sein. Nimmt ein Gutachter z.B. nur zur Glaubwürdigkeit der Person Stellung (weil ein Glaubwürdigkeitsgutachten beauftragt wurde), heißt das, dass die Richter die Glaubhaftigkeit der Aussage selbst beurteilen müssen. Es könnte z.B. sein, dass ein Gutachter zu der Auffassung kommt, dass eine Person eher unglaubwürdig ist. Trotzdem könnte jedoch die konkrete Aussage der Person glaubhaft sein - was dann von den Richtern zu entscheiden wäre. Für Richter sind daher Gutachten von besonderem Wert, die sowohl Glaubwürdigkeit der Person als auch Glaubhaftigkeit der konkreten Aussage untersuchen.
Für Gutachter gibt es keine vorgeschriebene Qualifikation oder Ausbildung. Daher sollte im Vorfeld genau auf die wissenschaftliche Reputation geschaut werden (einschlägiges Studium, Weiterbildung bei anerkannten Gutachtern, einschlägige Publikationen, Wissenschaftlichkeit der verwendeten Methode, Aktualität der eingesetzten Persönlichkeitstests, z.B. Big-Five-Test (NEOFFI). Zudem sollte der Auftrag klar formuliert werden: Glaubwürdigkeit der Person vs. Glaubhaftigkeit der Aussage oder beides.
Zur Erstellung des Gutachtens wird der Gutachter mehrere Gespräche mit der zu begutachtenden Person führen. Außerdem wird er, je nachdem, wie er den Gutachterauftrag versteht, Persönlichkeitstests und Intelligenztests durchführen sowie die Aussage untersuchen. Zusätzlich kann der Gutachter mit Ärzten, Eltern und Lehrern sprechen, um sich ein Bild von der Persönlichkeit des Opfers zu machen. Der Gutachter muss alle Gespräche umfassend dokumentieren und darf keine suggestiven Fragen stellen, weil ihm sonst vorgeworfen werden könnte, das Ergebnis verfälscht zu haben. Auch anatomische Puppen, von denen bekannt ist, dass sie die Phantasie von Kindern besonders anregen, sollten eher nicht eingesetzt werden.

Weiterführende Quellen und Links





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