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Folge 2: Grundannahmen und Schlüsselbegriffe der Objektiv Hermeneutischen Psychoanalyse

Grundannahmen und Schlüsselbegriffe der Objektiv Hermeneutischen Psychoanalyse, wie sie von dem Offenbacher Heilpraktiker für Psychotherapie, Dr. phil. Joachim Bullinger, verwendet wird. Folge 2 von 3. - von Dr. phil. Joachim Bullinger, Mar 2011

Erzeugungs- und Auswahlparameter

Jeder Handlung liegen grundsätzlich zwei Determinanten zugrunde: Unter der Bedingung von Kultur wird durch die bedeutungsgenerierenden Regeln von Sprache ein sinnlogisch konstituierter Möglichkeitsraum von Handlung erzeugt. Dieser erste Parameter ist der Erzeugungsparameter. Aus dem damit erzeugten Katalog von alternanten Möglichkeiten wird nun in der konkreten Lebenspraxis eine bestimmte ausgewählt (Parameter zwei oder Auswahlparameter). Dieser Auswahlparameter umfaßt und beinhaltet alle Komponenten der Disponiertheit, also alles das, was in der herkömmlichen Psychoanalyse unter Subjektivität verstanden wird.
Die Handlungswirklichkeit ist dabei durch die im Hier und Jetzt gegebenen, realen Bedingungen determiniert. Die Handlungsmöglichkeiten können davon aber abweichen. Im Rahmen einer Objektiv Hermeneutischen Psychoanalyse sind stets beide Parameter zu explizieren.
An dieser Stelle zeigt sich sehr klar die überlegene Erschließungskraft der objektiv hermeneutischen Sequenzanalyse: Dadurch, daß an jeder Sequenzstelle einer zu analysierenden Sequenz der konkret eröffnete Katalog von Handlungsmöglichkeiten expliziert wird, ergibt sich eine Art „kontrastive Folie“, vor deren Hintergrund die durch den Auswahlparameter determinierte tatsächliche Handlung in ihrer Bedeutung sichtbar wird. Die Handlung hebt sich gleichsam als klar erkennbare Figur vor diesem Hintergrund ab. Damit erreicht die Objektiv Hermeneutische Psychoanalyse eine analytische Präzision, die mit subsumtionslogisch -klassifikatorischen Methoden (die innere Bewegungsgesetzlichkeiten von Außen an die Sache herantragen) oder subjektiv nachvollziehender Psychoanalyse kaum erreicht werden kann.

Fallstrukturgesetzlichkeit und Strukturen

Dadurch, daß die Objektiv Hermeneutische Psychoanalyse an jeder Sequenzstelle des psychischen Prozesses alle möglichen Handlungsalternanten aufzeigt, simuliert sie gleichsam die (latente) Krise und kann so die konkret getroffene Auswahl als Fallstrukturgesetzlichkeit explizieren.
Im Falle der Routine handelt es sich dabei um eine unbewußte Reproduktion, denn die Krise ist dort stets nur latent und wird vom handelnden Subjekt daher nicht als solche wahrgenommen. Im Falle der manifesten, bewußt als Krise erkannten Krise hingegen ist es eine Transformation der (so nicht mehr reproduzierten weil versagenden) alten Fallstrukturgesetzlichkeit. Beides sind Prozesse. Es geht also immer um Dynamik und niemals um Statik. Dies erfordert einen adäquaten Strukturbegriff: Strukturen sind in der objektiven Hermeneutik keine statischen Relationen von Elementen, sondern es sind genau diejenigen Gesetzlichkeiten, die typische Ausdrucksgestalten von je konkreten Lebenspraxen erzeugen.
Insgesamt geht es also darum, die lebenspraktische Synthesis methodisch gesichert wieder abzuschichten, um die zugrundeliegenden Fallstrukturgesetzlichkeiten aufzeigen zu können. Zu beachten ist, daß hierbei Struktur und Prozeß in eins fallen.
Im Gegensatz zu allen (!) deskriptiven Ansätzen, die Merkmale als Individualisiertheit nur beschreiben können, rekonstruiert die Objektiv Hermeneutische Psychoanalyse den Bildungsprozeß solcher Merkmale als Individuierung. So wird es möglich die prozeßhafte Transformation als solche aufzuschließen und Lebenspraxen in ihrer Autonomie zu erfassen.

Falsifikation

Hervorzuheben ist hier die der Sequenzanalyse immanente, automatisierte Falsifikation: Die Analyse jeder Sequenzstelle des protokollierten Prozesses ist der Möglichkeit nach geeignet, die bis dahin gültigen Fallstrukturhypothesen zu Fall zu bringen. Dabei sind die Falsifikationsmöglichkeiten denen der Lebenspraxis strukturhomolog nachgebildet.

Fortsetzung folgt.

Folge 1: Grundannahmen und Schlüsselbegriffe der Objektiv Hermeneutischen Psychoanalyse

Anmerkung
Ich habe bei der Herstellung dieses Textes auf verschiedene meiner eigenen Arbeiten zugegriffen, ohne mich selbst zu zitieren. Insbesondere auf :„Anonyme Alkoholiker – Wesen und Wirksamkeit
Eine strukturalsoziologische Analyse sowie die materiale Entwicklung einer Theorie der Genese und Heilung des symbiotischen Alkoholismus und deren empirische Überprüfung “
Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität zu Frankfurt am Main , 2003, S. 5-9.
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