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Wie gehe ich mit einer akuten Belastungsreaktion um?

Jette (w, 22) aus Frankfurt: Hallo liebes Team,

wo soll ich anfangen? Also heute morgen bin ich, wie immer, zum Bahnhof gegangen, um meinen Zug zur Arbeit zu nehmen. Leider hat, kurz bevor ich dort ankam, jemand beschlossen, Suizid zu begehen und hat sich vor einen Zug geworfen. Als ich ankam, waren schon die Feuerwehr und der Krankenwagen vor Ort und es wurden gerade die Absperrungen errichtet. Ich bin nicht einer dieser Unfallgaffer, und dennoch habe ich noch gesehen, wie der Sichtschutz vor dem Zug aufstellt wurde. Ich war bei der Tat als solchen nicht mit dabei und habe auch nichts richtig gesehen, da ich ein Glück bei Unfällen etc eben nie so hinstarre. Und dennoch nimmt mich das mega mit. Die anfängliche innere Unruhe habe ich quasi 'genutzt' um meine Bahn über Umwege zu erreichen, da sie dann umgeleitet wurde, der ganze Bahnhof war geperrt. Und als ich dann in der Bahn saß, fing es an. Ich denke, dass ich sowas wie einen Schock/ eine akute Belastungsstörung davon getragen habe. Ich zittere, mein Herz schlägt wie wild, ich habe auf einmal Kopfschmerzen, die sich schon fast wie Migräne anfühlen, mir ist schlecht und ich hatte Mühe, den Weinkrampf zu unterdrücken, bis ich im Büro war. Der Zustand hält noch immer an, aber irgendwie will ich auch nicht nach Hause gehen und ich frage mich, warum mich das so mitnimmt, da ich nichts direkt gesehen habe, wie muss es da erst denen gehen, die das richtig gesehen haben? Warum kann mich das so mitnehmen? Was kann ich tun?

Hoffnungsvolle Grüße

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Jette,

Sie haben erlebt wie jemand Suizid beging - nicht direkt - sondern Sie kamen auf den Bahnhof als dieser gerade begonnen wurde abzusperren. Und Sie entwickelten eine akute Belastungsreaktion darauf - Sie zitterten, Ihr Herz schlug schneller, Sie hatten Kopfschmerzen, Übelkeit und mussten einen Weinkrampf unterdrücken.

Nun fragen Sie warum Sie das so mitnimmt und was Sie tun können.

Als erstes ist es gut, dass Sie hier schreiben. Das kann schon sehr helfen. Zum anderen merke ich, dass Sie die Situation sogar gut benennen können - denn wer kann das was Sie da erleben schon als akute Belastungsreaktion erkennen? Als nächstes ist es wichtig, dass Sie Ihrem Nervensystem das Gefühl von Sicherheit vermitteln. Das kann sein, dass Ihnen Gespräche mit anderen Menschen helfen. Es kann sein, dass Ihnen Umarmungen gut tun. Seien Sie auf keinen Fall zu stark und gehen zur Arbeit wenn Sie sich nicht danach fühlen. Falls es Sie ablenkt, können Sie es ruhig machen. Aber wenn Sie merken, dass Sie sich nicht konzentrieren können, dann lassen Sie sich krank schreiben. Schildern Sie dem Arzt was Sie erlebt haben.

Geben Sie Ihrem Nervensystem die Gelegenheit, sich wieder zu beruhigen. Und tun Sie alles was dies braucht, um das tun zu können. Womöglich hilft es Ihnen, wenn Sie einen Termin vereinbaren bei jemandem, der in EMDR ausgebildet ist. Sie können auch selber Tapping-Techniken anwenden. Zum Beispiel die Cortex-Technik aus dem BodyTalkSystem. Suchen Sie danach bei YouTube. Tippen Sie diese Übung mindestens 3 x täglich, wenn Sie mögen auch öfters.

Die Situation hat Sie so stark mitgenommen, weil Sie diese zum einen nicht erwartet hatten. Mit dem Tod eines anderen Menschen konfrontiert zu werden kann eine akute Belastungsreaktion auslösen. Da kann unser bewusster Verstand gar nichts dagegen machen - das macht unser vegetatives Nervensystem ganz automatisch.

Atmen Sie tief. Achten Sie bewusst darauf, dass Sie tief atmen. Gehen Sie da hin wo Sie sich sicher fühlen. Wenn es Ihnen innerhalb von drei Tagen nicht besser geht, vereinbaren Sie einen Termin bei einem Traumatherapeuten. Reden Sie dort erstmal über die Situation. Dort werden Sie unterstützt, wieder ruhiger zu werden.

Ich wünsche Ihnen viel Kraft dazu.

Herzlicher Gruß
Shivani Vogt



Bewertung durch den Fragensteller:
Ganz lieben Dank für Ihre tolle Unterstützung, die Zeit und den Rat in einer für mich schwierigen Phase, das hat mir sehr geholfen.





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