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Soll ich mit meiner Therapeutin über meine Gefühle zu ihr sprechen?

Maria (w, 54) aus Rückersdorf:

Hallo,

ich versuche mich kurz zu fassen.
Seit zwei Jahren gehe ich nach einem schweren Schicksalsschlag zu ein und derselben Therapeutin. Ich habe meine grosse Liebe verloren.

Nun habe ich seit längerer Zeit Gefühle für sie entwickelt, die ich nicht deuten kann. Soll ich mit ihr darüber reden oder es weiter versuchen zu verbergen.

Es würde mir schwer fallen, weil ich ja die Antwort eigentlich schon kenne und ich auf Erwiderung hoffe.

Mfg Maria

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Maria,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage. Sie haben Ihre große Liebe verloren und verarbeiten diesen schweren Schicksalsschlag mit therapeutischer Begleitung. Seit 2 Jahren sind Sie nun schon in Behandlung und merken, dass Sie Gefühle für Ihre Therapeutin entwickeln, die Sie nicht deuten können.

Ich kann verstehen, dass Sie das verwirrt und vielleicht auch gleichzeitig innerlich beglückt. Nach dem, was Sie erlebt haben, kann es ein gutes Zeichen sein, dass Sie wieder Gefühle für jemanden empfinden können.

Es kommt in der Tat sehr häufig vor, dass sich Klienten in ihre Therapeuten verlieben. Man nennt dies Übertragungsliebe. Damit ist eine Liebe gemeint, die im geschützten therapeutischen Setting entstehen darf, weil die Hierarchie und die Rollen sehr klar definiert sind. Dies ermöglicht überhaupt erst das Übertragungsgeschehen.

Die Therapeutin hält sich als Person weitest gehend zurück, so dass Sie mit Ihrem Erleben ganz im Mittelpunkt stehen können. Dieses Setting ist vergleichbar mit einer sehr frühen Bindungssituation, in der das kleine Kind zunächst sehr viel Zuwendung von seiner Bezugsperson bekommt, um gestärkt und gefördert zu einer eigenständigen Person heranzureifen.

Auch wenn Ihnen Ihre Gefühle durchaus 'erwachsen' erscheinen mögen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich auch um Übertragungsgefühle handelt. Manchmal ist das schwer voneinander zu trennen.

Sie fragen nun, ob Sie diese Gefühle mit Ihrer Therapeutin teilen sollten. Für den therapeutischen Prozess wäre es sehr hilfreich, wenn Sie es täten.

Dabei ist aber auch die Methode ausschlaggebend. In einer tiefenpsychologisch und psychodynamisch ausgerichteten Psychotherapie ist es ausdrücklich erwünscht, diese Gefühle als einen Teil des therapeutischen Prozesses mit einzubeziehen. In der Verhaltenstherapie steht dies inhaltlich nicht im Vordergrund. Was aber nicht bedeutet, dass es nicht geäußert werden sollte.

Wie Sie vielleicht wissen, untersteht Ihre Therapeutin der so genannten Abstinenzregelung, die jeglichen privaten Kontakt mit Klienten untersagt. Diese Regelung dient dem Schutz des Klienten und des Therapeuten. Aufgrund des hierarchischen Verhältnisses würde selbst bei gegenseitigem Einverständnis eine missbräuchliche Therapiesituation entstehen, die sofort beendet werden müsste.

Wenn Sie Ihre Gefühle für sich behalten, wird es den Behandlungserfolg behindern, da Sie wichtige Emotionen aus der Therapie raushalten. Trotzdem bleibt es natürlich Ihre Entscheidung, ob Sie es tun möchten.

Wenn Sie Ihre Gefühle mitteilen, kann es sein, dass sich ein Zugang zu noch unbekannten Emotionen und Empfindungen eröffnet, die Ihnen vielleicht noch gar nicht bewusst sind. Dies kann ein großes Heilungspotential in sich tragen und Sie ein großen Schritt weiterbringen.

Deshalb empfehle ich Ihnen ruhig mutig zu sein und über Ihre Gefühle zu sprechen und zu schauen, wohin Ihr Vertrauen Sie führen wird.

Ich wünsche Ihnen alles Gute. Über ein kurzes Feedback würde ich mich freuen.

Viele Grüße

Anke Wagner
Heilpraktikerin f. Psychotherapie






Bewertung durch den Fragensteller:
Ich möchte mich herzlichst für die schnelle und ausführliche, ja, durchaus hilfreiche Antwort bedanken. 🌷





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