Navigation Psychomeda.de
Das Psychologie-Portal

Darf ich meinen Therapeuten um ein privates Treffen bitten?

Anna (w, 34) aus Bonn: Guten Tag,

ich gehe seit einem Jahr zu wöchentlichen Therapiestunden. Nun hat mir mein Therapeut mitgeteilt, dass er die Therapie nach weiteren 6 Stunden beenden möchte, weil ich große Fortschritte gemacht habe. Ich fühle mich aufgrund dieser Aussicht allerdings sehr ängstlich und allein gelassen, gar rausgeschmissen und frage mich, ob es Sinn macht, den Therapeuten zu fragen, ob wir die Therapie noch eine Weile weiterführen können, da ich nicht das Gefühl habe, dass all meine Probleme gelöst sind.

Desweiteren frage ich mich, ob es in Ordnung ist, meinen Therapeuten zu fragen, ob er Lust habe, sich nach Beendigung der Therapie, mit mir privat auf einen Kaffee zu treffen. Ich weiß nicht, ob eine Freundschaft nach einer beendeten Therapie erlaubt oder völlig ausgeschlossen ist. Wenn ich nicht nachfrage und mein Interesse bekunde, dann weiß der Therapeut ja gar nichts von meinem Wunsch. Wenn ich hingegen nachfrage, dann habe ich ja theoretisch die Chance auf ein Ja?!

Vielen Dank im Voraus,

Anna

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Anna,
vielen Dank für Ihre Anfrage und für Ihre Offenheit, mit der Sie diese wirklich wichtigen Fragen stellen, die in ähnlicher Weise bestimmt viele Menschen umtreiben, aber die zu stellen sich nur wenige Menschen trauen.
Sie gehen seit einem Jahr zu wöchentlichen Therapiestunden. In dieser Zeit haben Sie Ihrem Therapeuten viel von sich erzählt. Sie haben ihm ermöglicht, in Ihr Inneres zu schauen. Sie haben ihm Geheimnisse offenbart, die Ihnen selbst manchmal vielleicht erst durch das Gespräch bewusst wurden. Ihr Therapeut hat Ihnen geduldig zugehört. Er hat Ihnen Fragen gestellt. Er hat Ihnen als Person in diesen Therapiestunden so viel uneingeschränkte Aufmerksamkeit gewidmet, wie es zuvor vielleicht nur sehr wenige Menschen in Ihrem Leben getan haben. Das alles hat dazu geführt, dass Sie ein ganz besonderes Gefühl zu ihm entwickelt haben. Das ist ganz natürlich.
Aber Vorsicht! Alle diese Gefühle wurden ermöglicht, weil es eine Vereinbarung zwischen Ihnen gab: In der Therapie sind Sie in einem geschützten Raum. Sie dürfen über alle Ihre Gefühle reden. Alle Reaktionen des Therapeuten haben nur den einen Zweck, dass es Ihnen besser geht und Sie Ihr Leben autonomer und unbelasteter gestalten können. Das ist ein großes Geschenk. Aber dieses Geschenk können Sie nur bekommen in Ihrer Rolle als Patientin. Es kann nur innerhalb dieses geschützten Raumes existieren. Die Magie dieses Geschenkes hat außerhalb dieses Raumes keinen Bestand.
Aber die Magie dieses Geschenkes wird Ihnen helfen, zu dem Menschen zu werden, der zu sein Sie verdient haben: frei, liebenswert, glücklich. Nun hat Ihr Therapeut Ihnen gesagt, dass er nach sechs weiteren Therapiestunden Sie in das von ihm nicht mehr begleitete Leben entlassen wird. Seit Sie diese Nachricht hörten, empfinden Sie Angst: „Wie wird es sein, wenn es die wöchentlichen Therapiestunden nicht mehr gibt? Wie wird es sein, wenn ich mich auf mich selbst verlassen muss?“
Vertrauen Sie Ihrem Therapeuten! Nehmen Sie dies als ein weiteres Geschenk von ihm an! Er kennt Sie inzwischen sicher sehr gut. Er weiß sicher, dass er es Ihnen zumuten kann – ja, vielleicht sogar: zumuten muss, nun in das nicht mehr von ihm begleitete Leben zu gehen und all das, was Sie inzwischen an Stärken aufgebaut haben, nun auch zu erproben und mit jeder Erprobung die vorhandenen Stärken weiter wachsen zu lassen und zu erkennen: „Ich schaffe es!“. Probieren Sie es aus! Ich bin sicher, es wird Ihnen gut tun.
Vielleicht möchten Sie aber trotzdem ein wenig mehr Sicherheit – ein Auffangnetz. Sprechen Sie mit Ihrem Therapeuten darüber! Vielleicht können Sie einen festen therapiefreien Zeitraum vereinbaren, vielleicht ein Jahr. Und danach entscheiden Sie, ob Sie noch einmal ein „Follow-Up“-Gespräch benötigen.
Und was die Verabredung zum Kaffeetrinken mit Ihrem Therapeuten anbelangt: Sagen Sie Ihrem Therapeuten, dass Sie diesen Wunsch haben! Ich bin sicher, dass er weiß, dass dieser Wunsch von Ihnen ganz normal ist, und dass es ein Zeichen Ihres Therapiefortschritts ist, dass Sie den Wunsch äußern können – und damit umgehen können, dass er diesem Wunsch nicht nachkommt.
Ihnen für die kommende Zeit alles Gute!
Mit den besten Grüßen
Ihr Hans H. Bass
Bewertung:
Vielen Dank für die schnelle und hilfreiche Antwort!

Mehr zum Thema auf Psychomeda

Online-Beratung

Auf Psychomeda beantworten Psychologen und Therapeuten Ihre Fragen unentgeltlich. Jetzt online Ihre Frage stellen...


Therapeuten

Zuletzt aufgerufene Therapeuten-Seiten. Therapeut, Coach, Berater? Eintragen...


Beliebt auf Psychomeda


TwitterSocial Feed



Folgen Sie uns auf Twitter


Qualität

Psychomeda ist ein unabhängiges psychologisches Informations- und Beratungsportal von Psychologen und Therapeuten. Wir informieren evidenzbasiert und auf wissenschaftlicher Grundlage. Weiter