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Alkoholsucht und Zwangsunterbringung

Ronja (w, 28) aus Frankfurt: Hallo liebes Psychomeda-Team,
wir haben eine dringende Frage zum Thema Alkoholsucht. Unsere Schwester, 30Jahre leidet schon seit Jahren (wurde immer intensiver) an einer schweren Alkoholsucht. Bereits
vor ca. 7 Jahren (oder länger) machten sich erste Anzeichen bemerkbar. Immer wieder griff sie in Problemsituationen zum Alkohol. Immer mehr Freunde & Bekannte wandten sich auf Grund ihrer Sucht (Lügen, Persönlichkeitsstörungen -aggressives Verhalten im Alkoholrausch-) von ihr ab. Ihre Beziehung ging in die Brüche, sie verlor ihren Job und ihren Führerschein... - es ging immer mehr Berg ab. Breits mehrere Male befand sie sich zum Entzug in einer Fachklinik (jeweils mehrwöchig). War anschließend aber nicht bereit weitere Schritte (Langzeitkur, Therapie, etc.) einzuleiten. In den letzten Wochen befand sie sich bereits 2 mal auf der Intensivstation aufgrund sehr starker Promillewerte (bis 3,5). Selbst die behandelnden Ärzte haben die sehr kritische Situation bestätigt. Ihr Körper ist bereits sehr geschwächt und lange wird er das nicht mehr aushalten. Leider ist sie aber auch jetzt noch nicht bereit eine längere Therapie einzugehen und ist der Meinung, dass sie eigenständig aus dieser Situation heraus kommt. Mehrfaches auf sie Einreden durch die gesamte Familie hat bisher nichts genutzt... - im Gegenteil: sie wendet sich eher von der Familie ab. Was können wir aktuell noch tun um unserer Schwester zu helfen? Gibt es eine Möglichkeit sie zwangseinzuweisen? Wir haben große Angst unsere Schwester durch die Sucht verlieren zu können.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Ronja,

Sie sprechen mit Ihrer Situationsschilderung ein für Angehörige, Freunde und dem engsten Familienkreis extrem belastendes Thema an: die Alkoholabhängigkeit, dessen Folgen und die Frage, was man als Angehöriger tun kann. Ich kann sehr gut die Wechselbäder Ihrer Gefühle zwischen Hoffnung, Wut, Verzweiflung und letztlich die damit verbunden Ängste um einen lieben Menschen nachvollziehen. Sie haben es selbst geschrieben, dass die massive Einflussnahme und das „Überreden“ im Kreise der Familie nicht zu einer besseren Einsicht des Betroffenen führen – eher im Gegenteil. Das Grundproblem ist bei dieser Krankheit immer die Schaffung einer eigenen Motivation. Ohne eine eigene Motivation als erste Phase der Behandlung der Krankheit kann es zu keiner fruchtbaren Therapie (mit den Phasen: Motivation, Entgiftung, Entzug und Nachsorge) kommen. Für die Betroffenen ist es überhaupt extrem schwer über das Thema zu sprechen und den Krankheitswert ihres eigenen Verhaltens (Konsum) zu akzeptieren. Hier hilft nur eine empathische, verständnisvolle aber konsequente Kommunikation. Leider sagt sich das so einfach, ist aber in der Realität sehr schwer umzusetzen. Wenn Ihre Schwester bereits mehrere Therapien absolviert hat, werden Sie das sicher alles wissen. Aber dennoch, wäre eine Gesprächstherapie (klientenzentrierte Gesprächstherapie nach Rogers) sicher ein Schritt, der losgelöst von der eigentlichen Alkoholentzugstherapie eine Motivation als ersten Schritt schaffen könnte. Sie haben sicher auch entsprechende Gespräche mit den einschlägigen Drogen- und Suchtberatungsstellen geführt.

Auf Ihre Frage nach Möglichkeiten einer Zwangsunterbringung möchte ich auch gerne eingehen. Die einzelnen Bundesländer regeln die Zwangsunterbringung separat (Unterbringungsgesetz). Eine Unterbringung nach den Unterbringungsgesetzen kommt nur in Frage, wenn eine psychische Krankheit und (!) Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegt. Die vollziehenden Behörden sind die Ordnungsämter Ihrer Stadtverwaltung zusammen mit der Polizei. Es erfolgt i.d.R. eine Einweisung in ein Landesfachkrankenhaus. Allerdings wird dann eine Zwangsunterbringung nur von einem Richter nach psychiatrischem Gutachten angeordnet. Das ist insgesamt gerade bei drohendem Suizid ein schneller und leider in Ausnahmesituationen notwendiger Weg. Inwieweit das auf Ihren Fall zutrifft, vermag ich nicht zu beurteilen.

Sie haben aber noch eine andere Möglichkeit, die wesentlich schonender ist und mit weniger Ärger für alle Beteiligten verbunden ist. Das ist die Einrichtung einer Betreuung nach § 1896 BGB ff. Die Betreuung (z.B. mit Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB) schützt den Betroffenen davor sich z.B. finanziell durch seine Sucht oder anderer Störung zu ruinieren. Es ermöglicht auf Antrag und mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts auch eine (Zwangs-)Unterbringung (§ 1906 BGB), z.B. wenn Suizidgefahr besteht oder andere medizinisch dringenden Maßnahmen erforderlich sind. Sie müssten sicher in diesem Fall klären, ob die Voraussetzungen hierfür gegeben sind.

Man spricht bei starker Alkoholabhängigkeit/-sucht auch von einem „Suizid auf Raten“ und so erschreckend das für Sie klingen mag, die Suizidgefahr an sich ist hier deutlich erhöht. Je nach dem persönlichen Leiden Ihrer Schwester und der Lageeinschätzung Ihrer Familie und der Ärzte sowie der Klärung rechtlicher Faktoren, haben Sie u.a. die beiden oben geschilderten Möglichkeiten. Auf jeden Fall haben Sie jetzt ein paar Stichworte, mit denen Sie die Möglichkeiten mit den entsprechenden behördlichen Stellen diskutieren können.

Ich hoffe Ihre Frage beantwortet und Ihnen ein kleines Stück weitergeholfen zu haben. Ich wünsche Ihnen, Ihrer Familie aber allen voran Ihrer Schwester viel Mut und Kraft für den weiteren (sicher schweren) Weg. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Herzliche Grüße

Ulrich Kritzner
Heilpraktiker für Psychotherapie
Bewertung durch den Fragensteller:
Herzlichen Dank für die Unterstützung! Vieles war mir zwar bereits bekannt, hat meine Denkweise aber nochmals bestätigt. Mir hat die Antwort geholfen.

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