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Ich kämpfe jeden Tag mit dem Ritzdruck - was kann ich tun?

Malika (w, 31) aus Marburg: Liebes Psychologen-Team,

ich habe seit knapp 3 Jahren wiederkehrende depressive Episoden nach massiver Überlastung in mehreren Lebensbereichen, bin seit 2,5 Jahren in Psychotherapie (VT), (jetzt nur noch 5 Std.) und nehme seit einem Jahr ein Antidepressivum, das v. a. meine Angstanfälle unterdrückt. Rund um die Fingernägel schneide ich mich schon seit meiner Jugend, aber das war nie schlimm. Einen Suchtcharakter hat das Ganze erst seit einem Jahr, nach plötzlich starkem Druck, ins Bein zu ritzen. Seitdem kämpfe ich ständig gegen den Ritzdruck, der sich jetzt auf fast alle Körperteile bezieht, außerdem auch schlagen (mit Hammer auf Extremitäten, Kopf gegen Wand usw.). An ein auslösendes Ereignis kann ich mich nicht erinnern, Trauma ist unwahrscheinlich. Ich strenge mich sehr an, das Ritzen zu unterdrücken, weil ich jedes Mal 'mehr' brauche. Bisher ist es mir gelungen, dass ich noch keine größeren sichtbaren Narben habe, aber das ist nur eine Frage der Zeit. Ich habe eine Liste alternativer Verhaltensweisen, um inneren Druck abzubauen, hilft aber nicht gut, die VT ist bald zu Ende, und die Psychiaterin sagt nur, es gebe konstruktivere Problemlösungen als die Schnippelei. Was kann ich noch tun? Ich will damit aufhören können, ich will nicht, dass ich total narbenübersät bin und die Wunden so tief werden, dass sie genäht werden müssen, aber der innere Druck ist manchmal einfach unbeherrschbar und wird auch nicht weniger - auch, wenn ich über mehrere Wochen abstinent bin.

Grüße und Danke
Malika

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Malika,

mir scheint, Sie sind verzweifelt. Zum einen haben Sie schon sehr viel getan - Sie bekommen ein Medikament, machen bereits seit über zwei Jahren Therapie und Sie haben auch eine Liste mit alternativen Verhaltensweisen für das Ritzen - aber Sie erleben sich hilflos gegenüber dem Druck und möchten gerne etwas tun können.

Alles was in Ihrer Macht steht haben Sie bereits getan. Doch Sie erleben es so, dass der Druck immer größer wird - und was nun?

Ich weiß nicht, wie Ihre Therapeutin bisher mit Ihnen gearbeitet hat, ich schreibe Ihnen einfach wie mein Ansatz hier wäre. Das Ritzen ist nicht das Problem, sondern die Lösung eines ganz anderen Problems. Wenn Sie jetzt einfach nur lernen mit dem Druck anders umzugehen, dann ist das Problem ja immer noch vorhanden. Das heißt, das Therapieziel sollte bei Ihnen lauten, dass Sie lernen in Situationen so zu reagieren, dass der Druck sich erst gar nicht aufbaut. Das hat vor allem etwas mit unangenehmen Gefühlen zu tun. Wenn Sie lernen, diese enorme Kraft in andere Bahnen zu lenken spüren Sie wieder Tatkraft und Lebensfreude statt Schmerz, Trauer und Druck, der Sie ritzen läßt.

Dazu empfehle ich zunächst, mit Ihrer jetzigen Therapeutin zu reden, vielleicht ist in Ihrem Fall eine Verlängerung möglich. Falls diese nicht spezialisiert ist, Emotionsarbeit oder auch Traumaarbeit zu machen, schließen Sie diese Therapie ab und nehmen Sie dort das mit was Ihnen die Kollegin geben konnte für sich mit. Und machen Sie sich dann auf die Suche nach jemandem, der Sie darin unterstützen kann, auf der emotionalen Ebene zu arbeiten.

Sie schreiben, dass bei Ihnen kein Trauma vorliegt. Wenn Sie schreiben, dass Sie in einer sehr belastenden Situation waren, dann kann das ebenfalls Traumacharakter haben - zumindest war es eine sehr große Überforderung. Und falls dann noch dazu kommt, dass Sie unter psychischer Gewalt litten, dann ist eine Traumatherapie sehr wichtig für Sie - finden Sie jemanden, der ganz stark emphatisch mit Ihnen arbeitet.

Sie haben ja schon ganz viel für sich erarbeitet und ich bin mir sicher, dass Sie auch eine Lösung dafür finden, dass Sie diesem Druck immer weniger ausgesetzt sind und dass dieser sich irgendwann ganz verlieren kann. Sie werden es schaffen, anders mit diesen negativen Emotionen umzugehen und Sie werden es schaffen, dass Sie positive Gefühle empfinden ohne sich ritzen zu müssen. Gehen Sie das an - es wird sich lohnen!

Herzlicher Gruß aus dem Schwabenland
Shivani Allgaier
Bewertung durch den Fragensteller:
Vielen Dank, das klingt nach einer möglichen Perspektive und macht mir Mut.





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