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Meine Nachbarin nutzt mich aus, wie soll ich damit umgehen?

Romi (w, 52) aus Köln: ich habe eine reiche, sich elitär gebende Nachbarin, mit der ich nicht befreundet bin. Sie lebt mit Mann und zwei Kindern zurückgezogen, die Verwandtschaft wohnt nicht vor Ort. Sie und ihr Mann haben keine Freunde, sie pflegen auch sonst keine sozialen Kontakte. Die Nachbarin geht zu Partys und Festen für die Nachbarschaft, hat aber in 14 Jahren noch nie eine Gegeneinladung ausgesprochen.

Warum auch immer fragt sie mich seit Jahr und Tag um Rat und Hilfe: Ich helfe mit Schulmaterial aus; gebe Lerntipps, wenn ihre Kinder nicht weiterkommen oder gieße die Blumen in ihrem Urlaub. Es gibt verbale 'Dankeschöns' und das war's.

Jetzt hat die Nachbarin und ihren Mann eine fiebrige Grippe außer Gefecht gesetzt. Ich bin für sie zur Not-Apotheke gefahren; ich habe sie gestern zum Arzt gefahren und wieder abgeholt. Als sie mich dann noch bat, für sie einkaufen zu gehen, habe ich mit Verweis auf meine beruflichen Termine 'nein' gesagt.

Ich definiere mich als Gutmensch. Dass ich mich ausgerechnet in einer Situation, in der die Frau krank ist, zurückziehe, wundert mich sehr. Gedanken wie 'Sie kann doch ein Taxi nehmen, für das sie ansonsten immer Geld über hat' kommen hoch und mein Mitleid hält sich ausgerechnet jetzt in Grenzen.

Bin ich also nur halb so nett, wie ich sein möchte? Ist sie tatsächlich so verzweifelt und hat nur mich, die ihr helfen kann oder will sie mich nur ein weiteres Mal ausnutzen? Wie gehe ich in Zukunft mit ihren Anfragen um? Denn dass das alles nicht so weitergehen kann wie bisher, ist für mich klar.



Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Romi,

danke für Ihr Vertrauen.

Sie erleben sich als Gutmenschen, der gerne einen Gefallen tut und dabei Gefahr läuft, ausgenutzt zu werden.

Nein zu sagen, passt nicht so recht in Ihr Selbstbild und doch haben Sie es nun getan. In einer Situation, die für Sie eigentlich prädestiniert ist zum Helfen.

Kurz eine Definition des Helfens: Wir erleben gute Gefühle, wenn wir helfen und das ist ok. Doch manchmal tragen wir ein Helfersyndrom in uns, das wir aus Kindheit und Jugend in unser Erwachsenleben transportiert haben und das manchmal ganz schön lästig sein kann. Wir sind oft so erzogen, leiste was, dann biste was, sei artig als Kind, gehorche, tu dies und tu das. Und so setzt sich die Erfahrung fest, wenn ich lieb bin und alles tu, was von mir erwartet wird, dann werde ich geliebt, dann bin ich brav.

Dass wir dabei Gefahr laufen, vor lauter Altruismus die Selbstliebe zu vergessen und unsere Bedürfnisse, wird ausgeblendet. Doch gleichzeitig kann es passieren, dass in uns Aggressionen aufkommen, wenn wir nicht Einhalt gebieten.

Nun hat ein Teil von Ihnen ganz richtig erkannt, nein mir reicht es, ich habe keine Lust mehr. Und das darf sein mit gutem Gewissen. Was die Ursachen dafür sind, dass die Nachbarin immer wieder zu Ihnen kommt, kann ich nur spekulieren. Entweder ist sie sehr einsam, sie ist unglücklich, isoliert, was auch immer. Sie könnten Ihre Verbindung sein nach aussen, denn dass sie niemals jemanden gegeneinlädt, regt schon zum Nachdenken an.

Gleichwohl ist es nicht Ihre Aufgabe, auch wenn das nun nicht besonders nett klingt, für das Glück der Nachbarin zu sorgen. Sie haben durchaus das Recht, beim nächsten Ansinnen freundlich, aber entschieden 'Nein' zu sagen und das ohne Begründung. Doch Sie können die Tür offen halten für eine Nachfrage z.B. wie es ihr geht.

Wenn sie bei einer Absage Ihrerseits für einen Dienst dann beleidigt ist, dann haben Sie einen wunden Punkt getroffen, Sie sind nicht mehr so bequem und verfügbar. Deswegen sind Sie aber nicht weniger wert, wenn Sie zuerst an sich selbst denken, das nennt man eben gesunde Selbstliebe. Geben und Nehmen heisst es und wenn Sie das berechtigte Gefühl haben, ausgenutzt zu werden, dann dürfen Sie dem einen Riegel vorschieben.

Vielleicht wollen Sie Ihrem Helfenwollen etwas näher kommen, dann bieten sich einige Beratungsstunden mit psychologischen Gesprächen an.

Ich wünsche Ihnen alles Gute!

Herzliche Grüße

Claudia Schmitt

Heilpraktikerin für Psychotherapie
Weltliche Trauerrednerin und Hochzeitsrednerin
Bewertung durch den Fragensteller:
Vielen Dank! Sie haben in Worte gefasst, was mein Bauch mir sagen wollte :-)





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