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Mein Freund versinkt im Selbstmitleid

Kimba (w, 41) aus München: Hallo, ich bin seit 5 Monaten mit meinem Freund zusammen und er ist depressiv. Seit ca. 8 Wochen nimmt er auch Lithium. Er hat eine private Krankenversicherung, die er aber damals so abgeschlossen hat, daß sie eine ambulante psychologische Behandlung ausschließt. Nächstes Jahr geht er in die Privatinsolvenz, er kann es sich also nicht leisten, mehr zu zahlen und die Versicherung zu ändern und geht somit auch nur alle 6 Wochen zur Therapie. Anfangs nahm er noch die Hilfe vom SPDI in Anspruch, mittlerweile nicht mehr. Eine Angststörung (Briefe nicht öffnen, viele Menschen) kommt auch noch dazu. Sein Job ist sehr stressig und er kommt nie vor 8 Uhr abends nach Hause und am Wochenende hat er noch einen Tag seine Kinder und er sagt, er könne an seiner stressigen Lebenssituation ja eh nichts ändern und ist momentan nur am Jammern und im Selbstmitleid versinken! Vom Lithium sagt er, merke er nichts, Lust auf Sex hat er immer und ich bin am Ende meiner Kräfte! Will er wirklich gesund werden? Für mich macht es den Eindruck, er gefalle sich in seiner Rolle... Unterstützung lehnt er ab, er sagt, es tue sich doch was, obwohl die Insolvenz ohne Druck meinerseits immer noch nicht laufen würde und er die Schulden durch 2 Ehen mitschleppt. Ich fühle mich irgendwie hilflos und wütend. Paßt das alles zusammen? Termine für eine Selbsthilfegruppe nimmt er mit der Ausrede nicht wahr, das bringe doch eh nichts, obwohl er noch nie da war! Macht das alles einen Sinn?...ich werde schon agressiv, wenn ich nur höre wie scheiße sein Tag wie immer wieder war...Lg Kimba

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Kimba,

danke für Ihr Vertrauen, das klingt auch alles ziemlich verwickelt und wenig erfreulich.

Ich versuche einmal, beide Seiten zu beleuchten. Da ist einmal Ihr Freund, mit dem Sie erst kurz zusammen sind und den Sie, wie ich den Eindruck habe, sehr tatkräftig unterstützen bzw. unterstützen wollen. Das mit der privaten Krankenversicherung ist natürlich eine ungute Sache, wenn er noch nicht über 55 Jahre alt ist, könnte er aber durch Aufnehmen einer Arbeit im Angestelltenverhältnis evtl. zurück in die GKV und somit auch eine regelmäßige Therapie wahrnehmen. Depressionen und eine Angststörung sind an sich schon genug für manche Menschen, um gar nicht mehr arbeiten zu können, so ist es bewundernswert, wie er es noch schafft, dieses ganze Wochenpensum zu absolvieren. Andrerseits nimmt das alles enorm Energie und so geht er halt manch anderen Dingen aus dem Weg, vielleicht auch aus Angst, sich inneren Dämonen stellen zu müssen.

Ich verstehe Sie da sehr gut, dass Sie sich ärgern und aggressiv werden. Sie haben das Gefühl, er bräuchte doch Ihre Hilfe nur annehmen und alles wäre ok. Was macht das nun mit Ihnen? Sie erscheinen mir als eine sehr zupackende, tatkräftige und energische Frau, die sich verletzt fühlt in Ihrem Bemühen, das vom Gegenüber nicht anerkannt wird. Er ist einfach nicht dankbar, und das haben Sie erwartet... So sind Sie frustriert und enttäuscht. Ich frage mich, was Ihre Rolle bei der Geschichte ist. Er fühlt sich augenscheinlich irgendwie wohl in seiner misslichen Lage, nennen wir es Krankheitsgewinn und Sie werden gebraucht! Auch das ist ein Gewinn, aber natürlich nur, wenn der andere das will. Was treibt Sie, sich in eine erst kurze Beziehung so einzubringen, die Retterrolle haben zu wollen? Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse, wenn ich das schreibe, der Gedanke hat mich sehr schnell angeflogen, dass auch Sie Nutzen ziehen aus der Beziehung.

Nun fragen Sie sich einmal genau, was treibt Sie, was erwarten Sie sich von der Beziehung, von dem Mann, warum laden Sie sich das alles auf? Aus Liebe oder gibt es doch andere Beweggründe? Können Sie es hinnehmen wie es ist oder soll sich etwas ändern? Wer kann etwas ändern, dass es Ihnen besser geht? Nur Sie, denn jeder ist für sich selbst verantwortlich, auch Ihr Freund und wenn er seine Schulden durch zwei Ehen schleppt, ist das seine Entscheidung. Genauso wie sich behandeln zu lassen, eine Selbsthilfegruppe zu besuchen oder eben nicht. Das denke ich, ist für Sie der schwerste Part, das zu erkennen und das eigene Glück in die eigenen Hände zu nehmen. Niemand kann jemanden anderen retten. Vielleicht wären auch für Sie einige Gespräche bei einer kompetenten Person ganz gut, um sich die inneren Treiber und unbewußten Erwartungen einmal näher anzuschauen und so zu erkennen, was Sie in der Beziehung aushalten läßt.

Liebe Kimba, ich wünsche Ihnen Kraft und Mut, näher hinzusehen und eine gute Entscheidung!

Herzliche Grüße und ein besinnliches Fest!

Claudia Schmitt

Heilpraktikerin für Psychotherapie

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Bewertung durch den Fragensteller:
Vielen Dank!Der Gedanke was da bei mir ist hat mich selber schon beschäftigt!

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