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Kontaktabbruch von Eltern

Herz (w, 24) aus brandenburg: Guten Tag,

Ich hatte nie ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Eltern, ich leide selber an schweren Depressionen und bin deshalb sehr früh von zu Hause weg, meine Eltern leiden ebenfalls an Depressionen. Es ist unsagbar viel vorgefallen in unserer Familie, und der radikale kontaktabbruch vor vielen Jahren war der einzige weg für mich, zu ''über leben'' - sie haben mir das leben zur Hölle gemacht. Nun habe ich den ersten schritt gewagt und wieder den Kontakt aufgenommen, in den ersten Gesprächen wurde mir sofort vorgeworfen, dass ich an allen Krankheiten meiner Eltern schuld sei, dass es ihnen nur wegen mir so schlecht gehe - nun weiss ich einfach nicht mehr, wie ich es handhaben soll, ein neuer kontaktabbruch nach so kurzer Zeit wäre vielleicht nicht die beste Lösung -aber ein bestehender Kontakt würde nur noch mehr an meinem befinden kratzen und mich mit Sicherheit wieder in ein tiefes Loch zerren - ich Sitze ziemlich zwischen den Stühlen.

Ich wäre dankbar über einen Rat, oder einfach nur über die Meinung eines aussen stehenden.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Guten Tag liebe Herz,
fast möchte ich schreiben „liebes Herz“, denn es ist für mich immer wieder beeindruckend, wie Kinder, ob ganz jung oder schon längst erwachsen, ihren Eltern, die ihnen das Leben zur Hölle machen, immer und immer wieder eine Chance geben. Und das was Sie beschreiben liebe Herz, zeigt wieder genau diese große Bereitschaft.
Es stimmt ja: Wenn wir neugeboren sind, und noch eine sehr lange Zeit danach, sind wir tatsächlich existenziell abhängig von unseren Eltern. Ohne deren Fürsorge und Kümmern, würden wir Menschenkinder sterben. Und dies spürt ein Kind, sei es noch so klein, sehr genau. Es weiß: An diese Menschen muss ich mich halten, diese sollte ich nicht verärgern, deren Liebe muss ich mir immer wieder versichern. Und Kinder ertragen und tun sehr vieles, um die Liebe und die Gunst ihrer Eltern nicht zu verlieren.

Sie deuten an, dass auch in Ihrer Familie vieles vorgefallen ist, was nicht nach liebevollem miteinander klingt, und dennoch haben Sie lange versucht, eine liebende Tochter zu sein.
Bis Sie dann schließlich, um selbst überleben zu können, den Kontakt radikal abgebrochen haben. Irgendwann begann sich damals in Ihnen offenbar ein Gedanke und ein Gefühl zu entwickeln, dass das Leben ohne diese/solche Eltern leichter sein könnte. Und dass Sie von diesen Eltern vielleicht gar nicht mehr abhängig sind – so wie Sie es jahrelang vorher waren.
Dabei machten Sie eine wichtige Erfahrung: Sie erlebten, dass für Sie ein Leben ohne diese Eltern möglich ist. Es muss viele gesunde Anteile in Ihnen geben, dass Sie diesen Schritt tun konnten. Diese vielen gesunden Anteile ermöglichten Ihnen auch, sich ein eigenes Leben aufzubauen. Unter schwierigen Bedingungen zwar– aber es ist jetzt ihr eigenes Leben, darauf können Sie stolz sein.

Und jetzt würden Sie gerne sich und Ihren Eltern eine weitere Chance geben, doch noch eine liebevolle oder zumindest respektvolle Beziehung miteinander zu haben – um festzustellen, dass Ihre Eltern noch dieselben Menschen sind, die Sie vor vielen Jahren verlassen haben. Das ist sicher sehr ernüchternd und hart für Sie!

Liebe Herz, es gibt leider wirklich Eltern, die diese Bezeichnung nicht verdienen. Es gibt tatsächlich Eltern, in deren Umgebung Kinder körperlich und seelisch erkranken, wo Kinder sogar aufhören zu wachsen. Und von solchen Eltern darf, soll und muss man als Kind, als Tochter, sich irgendwann auch abwenden. Irgendwann ist man erwachsen und trägt für das eigene Wohlbefinden, das eigene Schicksal und die eigene Zukunft selbst die Verantwortung.

Ihr Kontaktangebot wurde von Ihren Eltern offensichtlich nicht einmal als solches wahrgenommen, denn gefreut hat sich ja anscheinend niemand darüber. Auch baut Sie der Kontakt zu Ihren Eltern ja offenbar nicht auf, sondern zerrt Sie wieder in ein tiefes Loch. Und Sie müssen sogar feststellen, dass die Eltern sofort versuchen, Sie für Dinge verantwortlich zu machen, mit denen Sie vermutlich gar nichts zu tun haben. Oder für die vielleicht sogar ganz andere Menschen oder Situationen verantwortlich sind.

Liebe Herz, Sie haben schon einmal gespürt, wie wichtig es ist, die eigene Existenz, die eigene innere Sicherheit und das eigene Wohlergehen in den Vordergrund zu stellen – und nicht den zwei Menschen zu opfern, die einen zur Welt gebracht haben. Wenn Sie jetzt wieder bemerken, dass Sie mit diesen beiden Menschen keinen Kontakt mehr wünschen, dass es Ihnen vor der erneuten Kontaktaufnahme vielleicht sogar besser ging – dann tun Sie diesen Schritt auch ruhig und bewusst ein zweites Mal.

Auch Ihre Eltern sind erwachsene Menschen. Wenn diese Sie vermissen, dann können auch diese den Kontakt zu Ihnen suchen. Und bis dahin können Sie Ihren Eltern innerlich dafür danken, dass Sie Ihnen das Leben geschenkt haben – und sich dann darum kümmern, dass dieses Leben so gesund, so gut, so selbstbewusst und liebevoll wird, wie nur möglich!

Ich wünsche Ihnen liebe Herz, dass Sie wissen oder bald erfahren, wie wertvoll Sie sind und dass Sie das Recht haben, sich das Leben wunderbar zu gestalten. Lassen Sie sich auf diesem Weg auch unbedingt therapeutisch begleiten und unterstützen. Denn eine schwere Depression braucht mehr, als gute unterstützende Medikamente. Auch wenn die Wartezeit auf einen Therapieplatz am Beginn oft sehr lang erscheint, diese Zeit doch irgendwann geht vorüber und dann haben Sie aber die Möglichkeit, ihre Themen anzugehen und das Schlimme, das Sie erleben mussten hinter sich zu lassen.

Ich grüße Sie herzlich und wünsche Ihnen dass Sie die Fähigkeit, gut auf Ihre eigene innere Stimme zu hören, weiter entwickeln können. Denn die scheint Ihnen eine gute Richtschnur zu sein.

Und wenn Sie diese Antwort gelesen haben, würde ich mich auch über eine kurze Rückmeldung oder Bewertung freuen!

Karin Pfeifer
Heilpraktikerin für Psychotherapie
Bewertung durch den Fragensteller:
Vielen dank für die Antwort, sie haben mir vieles Bestätigt, was ich bereits im Gefühl hatte.





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