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Ich bin fast 46 Jahre verheiratet und will mir jetzt eine eigene Wohnung nehmen ...

wasfehlt (w, 69) aus Potsdam: Guten Abend,
in drei Monaten werde ich 70 und im Sommer war ich 46 Jahre verheiratet. Mein Mann ist 69, arbeitet nicht seitdem er 50 ist, ein Haus, ein großes Auto, ein Gesicht für die Leute - dazu ist er geprägt von seiner Familie. Uns fehlt das Miteinander. Ich habe bis voriges Jahr in mehreren Arbeitsverhältnissen gearbeitet, auch dafür dass wir im Rentenalter anders leben können, ohne Druck und Not und Sorgen, möglichst gesund.

Ich fühle mich ausgebrannt. Hatte lange Zeit das Gefühl, dass Jemand auf meiner Schulter sitzt und ich keine Luft bekomme. Jetzt mit Zeit zum Nachdenken merke ich, dass ich ziemlich allein bin. Ich traue mir zu, allein zu leben. Was sagen die Leute, wenn ich mit fast 70 mir eine eigene Wohnung nehme?
Manchmal habe ich auch schon daran gedacht einfach wegzulaufen. Mein Hund ist mein Freund. Ich habe jüngere Kolleginnen mit denen ich mich regelmäßig treffe. Seitdem ich 65 war konnte ich im Bereich Berufseinstiegsbegleitung, Potentialanalyse und Jobcoaching arbeiten und war auch erfolgreich in Beratung und Vermittlung mit zufriedenen Kunden. Das hat mir viel Freude gemacht.
Jetzt bin ich den ganzen Tag zu Hause und arbeite mein Leben auf. Ich implodiere fast und habe mich für eine eigene Wohnung interessiert. Zurück halten mich die Kinder und Enkel. Es ist dann für alle schwer.
In dem Haus haben wir beide ein lebenslanges Wohnrecht. Für eine Miete geht die Hälfte meiner Rente drauf, aber ich habe keine Anschaffungen mehr zu machen. Es wäre zu schaffen.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Lieber Ratsuchende,

danke für das Vertrauen, mit dem Sie sich an uns wenden.

Ich verstehe Ihre Anfrage so, als ob Sie eine Meinung, einen Blick von außen brauchen, der Ihre Situation unvoreingenommen betrachtet.

Der Konflikt, den Sie beschreiben, so scheint es mir, ist, dass Sie sich gerne von Ihrem Mann räumlich trennen würden, indem Sie sich eine eigene Wohnung nehmen, um dem Raum und Ausdruck zu verleihen, was Ihnen in Ihrem noch verbleibenden Leben wichtig ist, was Sie begeistert, Ihnen Freude, Sinn und Befriedigung gibt, sie jung und gesund hält.

Ihr Mann, so scheint es, kann Ihnen dabei kein würdiges Gegenüber sein. In ihm finden Sie nicht mehr den Menschen, der Ihre Interessen und vitalen Lebensbedürfnisse teilt.

Ja, das kann wirklich schwierig sein. Paare, auch wenn sie lange, so wie Sie, Jahrzehnte, zusammen sind, sind immer wieder gefordert, zu prüfen, was sie noch miteinander verbindet.

Als Sie noch berufstätig und gut beschäftigt waren, haben Sie womöglich nicht gemerkt, wie Sie sich verändert haben, und dass Ihr Mann Ihre grundlegenden Werte nicht mehr teilt. Jetzt aber, wo Sie zu Hause sind, wird Ihnen diese Tatsache sehr deutlich. Das Schlimme daran ist, dass Sie Ihren Mann nicht ändern können. Daher das Gefühl zu implodieren.

Der Gedanke, sich eine eigene Wohnung zu genehmigen und Ihr eigenes Leben zu leben, ist aus meiner Sicht ein sehr gesunder Impuls. Sie wenden sich dadurch dem zu, was für Sie Sinn macht, was Ihnen Lebensqualität und Freude bringt. Das ist eine sehr positive, lebensbejahende Entscheidung!

So wie Sie es beschreiben, haben Sie alle dafür notwendigen Ressourcen. Sie können es sich, wenn auch mit Abstrichen, finanziell leisten, Sie erfreuen sich am lebendigen Kontakt mit jüngeren Kolleginnen, Sie werden ganz offensichtlich von anderen Menschen geschätzt, Sie trauen sich zu, alleine leben zu können, Sie haben einen Hund (mit Hund ist man als Mensch übrigens nie alleine), und womöglich finden Sie für sich noch Betätigungsfelder, in denen Sie nach Gusto weiterhin erfolgreich arbeiten können, wenn Sie das wollen. Durch die modernen Medien ist es möglich, auch noch im Alter etwas zu unternehmen und zu bewirken.

Allerdings gibt es in Ihnen noch diesen (kleinen) Konflikt: was denken die anderen? Wie wird es meinen Kindern und Enkeln damit gehen? Ich glaube, dass, wenn Sie 100% positiv zu Ihrer Entscheidung stehen, dass dann auch die anderen Ihre Entscheidung gut finden werden. Es gibt allerdings auch immer Leute, die andere abwerten, schlecht reden oder negativ beurteilen. Diese Menschen muss man ignorieren und deren Negativität an sich abprallen lassen.

Ich gehen davon aus, dass Sie all das alleine schaffen werden. Sollte es Ihnen allerdings schwer fallen, dann gönnen Sie sich ein Coaching. Oft genügt schon eine einzige Sitzung, Sie in dieser Sache entscheidungssicher zu machen.

Aus meiner Sicht haben Sie Glück, dass Sie in Ihrem Alter noch einmal etwas Neues, Lebendiges und Interessantes beginnen und Ihr Leben bestmöglich gestalten können, dass Sie Ihr Leben öffnen dürfen für neue, wichtige Erfahrungen.

Ich freue mich, wenn ich Ihnen weiterhelfen konnte und schicke sonnige Grüße nach Potsdam.

Ihre Marion Weber
Bewertung durch den Fragensteller:
Danke für Ihren Rat. Ich hoffe, ich kann mein Herz und meine Seele noch überzeugen. Oder habe ich die Ausfahrt schon verpaßt?





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