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Wie kann ich in Diskussionen weniger aufbrausend reagieren?

IchWeissAuchNicht (m, 58) aus Wiesbaden: Sehr geehrtes Psychomeda-Team,

ich habe das Problem, mich nicht immer unter Kontrolle zu haben. Meistens in Diskussionen und Gesprächen, da platzt es dann aus mir heraus. Ich bin impulsiv und aufbrausend. Es geschieht zwar nicht häufig, vielleicht 1x im Monat, ganz unterschiedlich, aber es belastet mich und auch mein Umfeld sehr (Frau, Sohn, Kollegen usw.).

Wenn ich reflektiere, war mein Vater auch immer sehr impulsiv und aufbrausend. Und ist auch so mit mir, meinem Bruder und meiner Mutter umgegangen. Am meisten hat bestimmt meine Mutter darunter zu leiden gehabt.

Dabei wäre es so einfach: Erst denken, ruhig bleiben und dann reden, oder gar keinen Senf dazu geben! Oft vergesse vor dem „Reden und Antworten“ erstmal zu überlegen und haue dann einfach, auch wenn es andere schmerzt, was raus. Meistens sind es dann Vorhaltungen und/oder Unterstellungen.

Manchmal merke ich selber, das was raus möchte und ich kann mich zurück halten. Im Stress-Moment, z.B. bei Diskussionen o.ä. klappt es aber häufig nicht.

Ich brauche da einen Anker oder ein Stopp, was ich mir sage. Ich habe auch schon vieles darüber gelernt. Mir fehlt aber der „Klick“ im Kopf, immer daran zu denken, es auch gefühlsmäßig hinzukriegen.

Wie kann man am besten den „Stopp-Knopf“ lernen? Wie setze ich mir da selbst die Grenzen?
Für Eure Hilfe im Voraus vielen Dank.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Lieber Herr I.

vielen Dank für Ihre Frage. Ich finde es toll, dass Sie sich so mit sich selbst auseinandersetzen und etwas an Ihrem Verhalten ändern möchten, um Ihr Umfeld damit zu entlasten. Das zeigt, dass Ihnen die anderen Menschen in Ihrem Leben, und wie Sie mit ihnen umgehen, wichtig sind.

Sie haben auch selbst schon viel über sich herausgefunden, z.B. wo das aufbrausende Verhalten vermutlich herkommt. Oft ist so etwas ja eine Mischung aus Temperament und Lernen. Das heißt ein bisschen wird das Impulsive auch zu Ihnen gehören, aber die Prägung durch Ihren Vater spielt da sicherlich auch eine wichtige Rolle.

Das macht es auch so schwer, so etwas zu verändern, auch wenn Sie mit dem kühlen Verstand ja durchaus wissen, was zu tun ist. Während man ruhig ist, sagt es sich immer so leicht: Wenn es zu so einer Situation kommt, werde ich ruhig bleiben. Aber sobald die Emotionen hochfahren, ist das eben alles andere als leicht.

Was ich wichtig finde, ist, dass Sie sich selbst hier auch mit etwas Geduld begegnen und sich Zeit geben. Solche Muster ändert man nicht mal eben über Nacht. Das ist ja über viele, viele Jahre eingeschliffenes Verhalten. Entsprechend braucht es seine Zeit. Achten Sie daher auch auf die kleinen Erfolge, die Sie haben. Sie schaffen es schon, in manchen nicht so emotional aufgeladenen Situationen, sich zurückzuhalten? Das ist doch großartig und zeigt, dass Sie tatsächlich etwas ändern können.

Dann könnten Sie als Zwischenschritt noch so etwas wie eine Nachbereitung von Situationen machen, in denen Sie aufbrausend geworden sind. Anstatt sich dafür zu verurteilen, dass wieder etwas aus Ihnen herausgeplatzt ist, gehen Sie mit einem interessierten Forscherblick nochmal zurück: Was genau ist passiert? An welcher Stelle kamen die Emotionen? Welche genau kamen da? Welche Gedanken gingen Ihnen durch den Kopf? Was haben Sie gesagt? Und angenommen, Sie würden Ihr Verhalten schon geändert haben, welche Gedanken würden Sie stattdessen denken und was würden Sie stattdessen sagen? Sie können das auch gerne schriftlich machen. So können Sie gewissermaßen ein 'Trockentraining' für Ihr erwünschtes Verhalten machen, um es weiter zu festigen. Je öfter und regelmäßiger Sie das machen, desto besser. Schauen Sie ruhig auch zwischendrin immer mal auf Ihre Aufzeichnungen.

Sie fragen nach einem Stopp-Knopf oder Anker. Vielleicht könnte das für Sie funktionieren: Wenn Sie die Situationen nachbereiten und sich Ihr erwünschtes Verhalten überlegt haben, schauen Sie, ob Sie es mit einem Symbol oder Gegenstand verbinden können. Vielleicht können Sie sich einen kleinen schönen Stein oder etwas Ähnliches in die Hosentasche stecken und diesen immer mal berühren, um sich an Ihre 'Mission' zu erinnern. Besonders auch dann, bevor Sie in eine Situation gehen, in der Sie in der Vergangenheit schon mal aufbrausend reagiert haben. Gewissermaßen wie ein Boxer, der auch nochmal seine Bewegungen durchgeht, bevor er in den Ring steigt. Das hilft Ihnen vielleicht, sich immer rechtzeitiger daran zu erinnern, dass Sie ruhig bleiben wollen, um dann entsprechende Schritte einzuleiten, wenn Sie merken, dass Sie gerade emotional hochfahren, z.B. ein paarmal tief durchatmen, den anderen um eine Pause bitten, etc.

Was natürlich auch zur Entlastung des Umfelds beiträgt, ist, für sein Verhalten die Verantwortung zu übernehmen. Vielleicht tun Sie das ja auch schon. Wir sind ja alle nicht perfekt und sagen mal etwas im Eifer des Gefechts. Das heißt natürlich nicht, dass wir uns darauf ausruhen sollen, aber das tun Sie ja auch nicht. Ich meine damit nur, dass man den Aufprall beim anderen etwas abfedern kann, indem man nachher zu ihm hingeht und zu seinem Fehler steht und dem anderen zu verstehen gibt, dass es nicht seine Schuld war.

Letzten Endes ist es eine Frage der Übung und des Durchhaltens. Ich finde, Sie haben schon viele gute Schritte unternommen, und kann Sie daher nur ermutigen, dranzubleiben, auf die kleinen Erfolge zu achten und sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen ein paar Anregungen geben, wie Sie weiter an sich arbeiten können. Dann würde ich mich über eine positive Bewertung freuen. Wenn Sie noch Fragen haben, schreiben Sie mir gern unter meiner Email-Adresse: info@loesbar-online.de

Alles Gute für Sie!
Astrid Hiersekorn
Bewertung durch den Fragensteller:
Sehr tolle Einschätzung und vielen Dank für die Super Hilfe. Ich werde daran arbeiten. 😀





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