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Mein Freund kann keine Nähe zulassen - ich muss um jede Zärtlichkeit kämpfen

indigo (w, 30) aus Dresden: Ich bin in einer Beziehung seit 7 Monaten.Mein Freund wurde 2 Monate vorher von seiner Frau mit 2 jährigem Kind verlassen.Seine rationale Art und selbstsichere zukunftsblickende Art haben mich die Bedenken ignorieren lassen.Es ist sehr schwer eine Beziehung zu führen ohne Nähe und Intimität. Am Anfang mal ganz kurz.Was ich brauchte, sollte ich mir 'abholen'.Deshalb ist schnell ein WG-Leben entstanden.Seit 2,5 Monaten schlafe ich in einem anderen Zimmer.Er kämpft um diese Beziehung, will mich ständig überzeugen, dass es eine solide Beziehung wird.Gefühle sind seinerseits aber keine Basis.Bin sehr verzweifelt, da ich total überfordert bin.Wie kann ich so tun, als wäre alles normal?Er besteht darauf es zu probieren, mit viel Zeit sich anzunähern, aber macht nichts in der Richtung.Überlässt es mir.Meine Kräfte sind am Ende, ich habe keine Hoffnung, dass es normal wird.Aber er ignoriert alles.Auch hat er angeblich keine Lust auf Sex leidet deshalb drunter.Aber ich weiß, dass er seit Monaten sich selbst befriedigt mind 2-3 Mal die Woche.Er versucht trotz seiner Unfähigkeiten fanatisch an der neuen Beziehung zu arbeiten, rational.Jeden Tag merke ich, dass es nicht geht. Aber mit ihm zu reden bringt nichts. Ich gehe immer als hysterisch, kompromisslos und sogar noch triebgesteuert aus dem Rennen. Wenn der andere einem aus Schwarz Weiß macht, fängt man echt an, an sich zu zweifeln und hat das Gefühl verrückt zu werden. Ich muss handeln, so sehr ich mir wünschen würde, dass es doch klappen kann. Was denken Sie?

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Indigo,
danke, dass Sie den Mut hatten, sich hier zu öffnen!

Sie schreiben, dass Sie seit 7 Monaten versuchen eine Beziehung zu haben, mit einem Menschen, der denkt, dass er bereit für diese Beziehung ist. Sie ringen um jedes Stückchen Aufmerksamkeit und Nähe, müssen alles erbitten und einfordern. Bisher haben Sie alles getan, um diese Beziehungen am Leben zu erhalten. Sie schreiben auch, das Ihre Kräfte am Ende sind und Sie keine Hoffnung mehr haben, dass es normal wird. Sie fragen, wie andere die Situation einschätzen.

Ein Mensch, der vor einer noch nicht so langen Zeit von Frau und Kind verlassen wurde, ist mit großer Wahrscheinlichkeit mitten in einer Trauerphase, geschockt und orientierungslos. Er kann sich vermutlich, selbst wenn er wollte, noch nicht auf eine ehrliche Partnerschaft einlassen, weil er die alte Beziehung noch nicht verarbeitet oder abgeschlossen hat. Ein Verlassen Werden ist keine gemeinsame Entscheidung und derjenige, der verlassen wurde, ist in der Regel auch sehr wütend und sehr traurig.

Diese Wut und diese Traurigkeit können sich in eine Arbeitswut umwandeln, und in Rastlosigkeit. In der Zeit, in der man arbeitet oder sich ununterbrochen beschäftigt, kann man nicht nachdenken. Das hilft vordergründig, mit der Situation irgendwie klar zu kommen. Manche Menschen halten dies sehr lange durch. Besser wäre es, die offenen Fragen, die Selbstzweifel, die Wut und die Verletzungen in irgendeiner Form aufzuarbeiten, so dass man sich mit der Situation innerlich versöhnt. Dieses Versöhnen oder Aufarbeiten muss aber vom Betroffenen selbst gewollt sein. Von außen kann man nur unterstützend wirken. Was es vor allem aber braucht, ist Zeit!

Wenn er Sie als hysterisch, kompromisslos und Trieb gesteuert bezeichnet, dann ist das eine unschöne Art, sich zu wehren. Ihre Ansprüche nach Nähe und körperlicher Liebe sind ganz normale Bestandteile einer funktionierenden Partnerschaft. Allerdings kann Ihr Partner dies gerade nicht geben und auch nicht empfangen und stößt Sie zurück. Er hat offensichtlich noch sehr viel, was ihn innerlich beschäftigt und davon abhält sich ganz zu öffnen. Wenn man einmal zurückgewiesen und verlassen wurde, dann ist es für das eigene Ego auch sehr schwer nochmal jemandem zu vertrauen und Nähe zuzulassen.

Das Paradoxe an der Situation ist, dass Sie sich jetzt vermutlich genauso zurückgestoßen fühlen, wie er, als er von seiner Frau verlassen wurde. Vielleicht können Sie dies als Basis für ein Gespräch nutzen.

Sie können bleiben, alle Ansprüche an Sex und Nähe fallen lassen und erst einmal als Freund und Vertrauter für ihn da sein und darauf warten, dass er bereit ist. Ein Ablösungs- oder Trauerprozess ist zeitlich allerdings sehr, sehr unterschiedlich, so dass man nicht sagen kann, wie lange dies dauern kann.

Sie können auch gehen, die Beziehung beenden und sich endlich wieder um Ihre eigenen Bedürfnisse kümmern. Wenn dieser Gedanke sehr viel Erleichterung und Aufatmen bei Ihnen auslöst, dann sollten Sie darüber nachdenken.

Sie könnten dann mit ihm in Kontakt bleiben und sehen, ob es in der Zukunft noch eine Chance gibt oder Sie können den Kontakt komplett beenden.

Wichtig ist zu merken, dass es immer mehrere Möglichkeiten gibt, auch wenn man denkt, dass alles ganz verfahren ist. Wenn es jetzt gerade nicht klappt, heißt das nicht, dass es für alle Zeiten erledigt ist.

Bitte kümmern Sie sich auf jeden Fall um sich und Ihre eigenen Bedürfnisse, denn Sie klingen, als brauchen Sie neue Energie. Wo tanken Sie auf? Gut ist es, wenn Sie eigene Kraftquellen haben, unabhängig von einem Partner, bei denen Sie wieder zu Energie und Lebensfreude kommen.

Hier ein Buchtip: Eine Reise von 1.000 Meilen beginnt mit dem ersten Schritt: Seelische Kräfte entwickeln und fördern (Luise Reddemann)

Ich wünsche Ihnen, dass Sie bald wieder lebensfroh, voller Energie und gelassen durchs Leben gehen können!

Herzliche Grüße

Andrea Köhler

Heilpraktikerin für Psychotherapie
Bewertung durch den Fragensteller:
Vielen Dank für Ihre Einschätzung und Ratschläge. Das hat mir sehr geholfen.

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