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Kann ich jemandem mit Borderline-Syndrom helfen?

Stranger (w, 18) aus Radevormwald: Guten Abend,
vor einiger Zeit habe ich im Internet einen jungen Mann kennengelernt,der das Borderline-Syndrom hat. Er hat mir eine Menge von sich erzählt,vor allem was die Krankheit anbetrifft und sein Umfeld.Er ritzt sich,bei ihm anscheinend in extremer Form,sodass er erst kürzlich seiner Mutter Bescheid geben musste,weil er Angst bekam zu verbluten.Ich weiß natürlich nicht,inwieweit all das stimmt, was er mir erzählt(im Internet steht oft etwas über manipulatives Verhalten, Lügen aber das ist von Fall zu Fall individuell oder nicht?),aber ich habe Fotos gesehen,die seine Worte mehr als nur bestätigen.Es ist nun so,dass er das Problem bis zu einem gewissen Punkt erkannt und sich Hilfe geholt hat.Ich glaube,er ist bei einem Neurologen gewesen und danach bei einem Psychotherapeuten,der ihm Medikamente verschrieben hat(die seinen Worten zufolge die Krankheit nur verstärken)zu dem er aber auch kein Vertrauen hat. Mir kommt es so vor,als wäre er immer noch zu passiv, was den Ernst der Lage anbelangt.Er schiebt Klinikaufenthalte hinaus(er spricht oft von Selbstmordgedanken)wendet sich nicht an einen neuen Therapeuten,setzt nicht die Medikation ab.
Ich habe keinen realen Kontakt zu dem Menschen,aber ich würde gerne wissen,ob ich ihm auf irgendeine Weise dennoch helfen kann? Mehr als ermutigen und zuhören kann ich nicht,ich finde mittlerweile selbst antworten oder Fragen stellen schwierig weil ich ihm nicht das Gefühl geben möchte,dass ich ihm Vorwürfe mache und ihn in der Annahme bestätige,er handle ständig falsch.
Liebe Grüße

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Hallo Stranger,

danke für Ihre Offenheit!

Was klar aus Ihren Worten hervorgeht, ist, das der junge Mann, den Sie im Internet kennengelernt haben, anders handelt als Sie das machen würden, und zwar nicht einfach in Form von 'sich anders entscheiden' sondern 'unverständlich' anders. Kein 'er macht was Anderes und ich kann das irgendwie nachvollziehen, vielleicht nicht gut heissen, mir aber immerhin erklären' sondern eher ein 'ich weiss nicht, was wirklich los ist' - und das, obwohl er Ihnen sagt, was los ist.

Dieser etwas verwirrende Zustand ist ein durchaus typisches Phänomen und liegt ursächlich daran, dass für 'normale' Menschen wie Sie der Kontakt zu Borderlinern schwierig ist. Das heisst nicht, das Sie keinen Kontakt zu anderen Menschen herstellen können oder irgendetwas anders machen müssten um einen guten Kontakt herzustellen, sondern das liegt daran dass Borderliner ein bisschen wie 'auf einem anderen Planeten' leben.

So ist es beispielsweise für Borderliner total nachvollziehbar, zu ritzen. Für Sie wird das erstmal nicht zu verstehen sein. Ein Borderliner kann einen Vorwurf, er handle ständig falsch, hören und auf sich als ein 'immer Falsch sein' beziehen, während Sie lediglich versuchen, vorsichtig einen gesunden Rat zu formulieren.

Also was können Sie tun, um ihm zu helfen? Sie können einfach da sein. Das klingt wie wenig, bedeutet aber sehr viel. Für einen Borderliner kann das durchaus zu einem festen, verlässlichen Bezugspunkt werden, und das ist immer auch eine heilsame Erfahrung.

Für Sie bedeutet das zunächst einmal, sich klar zu machen, das Sie sich auf einen Kontakt 'durch die Glasscheibe' einlassen. Sie können also erstmal keinen gesunden, normalen Kontakt erwarten. Sie werden immer, um ein weiteres Bild zu verwenden, am Ufer stehen, während er schwimmt.

Und es bedeutet für Sie, an Ihrem Ufer ganz bei sich zu bleiben. Es kann Ihnen dann durchaus passieren, manipuliert oder belogen zu werden und gleichzeitig nicht zu wissen, was jetzt wirklich ist, und auch, und gerade dann müssen Sie gut bei sich bleiben, sich nicht darauf einlassen, irgendeine Schuld bei sich zu suchen.

Sie müssen sich klarmachen, das 'normale' Lösungen nicht funktionieren, dass gewohnte Strategien, Dinge in Situationen wie Missverständnissen oder Streit zu klären, nicht funktionieren.

Sie können nur dann einfach da sein, ein fester verlässlicher Bezugspunkt sein, wenn Sie am Ufer ganz bei sich bleiben und ihn schwimmen lassen.

Das klingt wie wenig, bedeutet viel - und ist sehr sehr schwer. Sie werden dafür viel Rückhalt brauchen, wo Sie auftanken und sich auch mal ausheulen können, bei 'normalen' Menschen, in Ihrer Familie vielleicht, bei guten Freunden, in einer Beziehung, wenn es da einmal jemanden gibt.

So hart es also klingt, das Beste was Sie machen können, ist gut für sich zu sorgen, und gut bei sich zu bleiben.

Ich wünsche Ihnen alles Gute!

Mit freundlichen Grüßen
Sven Hülsebus
Heilpraktiker (Psychotherapie)
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