Der innere Druckmacher belastet die Beziehung
Chrissy (w, 41) aus Oldenburg: Seit 6 Monaten leben meine Tochter (14) und ich (41) mit im Haus meines Partners (45). Er hat Schichtdienst. Es könnte alles schön sein, wäre er nicht so launisch und standig müde. Er kann gar nichts mehr geniessen oder sich mal freuen in seiner Freizeit. Er sagt, er sei eben immer müde und könne sich zu Hause nicht entspannen, weil er immer die Arbeit in Haus und Garten um sich hat. Zum Ausgehen o.ae. Fehlt ihm aber die Energie. er bekommt schlechte Laune, wenn wir mal fern sehen oder am Tisch sitzen und reden. Dann rennt er unruhig herum. Sobald er mal auf dem Sofa sitzt, schläft er ein. Er sagt, er liebt mich, aber so waere er nun mal, er kann nicht 'faul' herum sitzen. So treibt er uns in den Wahnsinn und macht uns permanent ein schlechtes Gewissen. Wie sollen wir uns verhalten, um uns hier wohlfuehlen zu können und kann man ihm irgendwie helfen, dass es ihm besser geht? Wichtig ist evtl., dass seine Eltern sehr streng waren und sich nur um den jüngeren Bruder und die aeltere Schwester gekümmert haben. spass gab es da wenig für ihn, immer helfen war angesagt. Wenn seine Mutter zu Besuch kommt, ist er vorher noch mehr unter Druck, ob sie was schlecht findet an Haus und Hof...
Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:
Liebe Chrissy,es fühlt sich wirklich sehr anstrengend an, was Sie da beschreiben. Mehrere Dinge fallen mir auf: Die Schichtarbeit, die sicher dazu beiträgt, dass Ihr Partner sich oft müde und angespannt fühlt. So kann nur schwer ein gemeinsamer Lebensrhythmus gefunden werden, denn Sie und Ihre Tochter haben keinen Schichtdienst und die gemeinsame Zeit ist natürlich dann schon weniger als im Normaldienst. Weiter fällt mir auf, dass er Angst hat, wenn seine Mutter kommt, deren Ansprüchen nicht zu genügen. Es ist also ein dauerndes Spannungsfeld von Anforderungen, die er durch die Mutter bekommt und die er sich durch seine Erziehung natürlich weiterhin im Alltag mit Ihnen selbst auferlegt. Ich kann mir vorstellen, dass er in der Kindheit immer über Leistung definiert wurde, Liebe und Zuwendung eher wenig waren, wie Sie ja auch schreiben und so ein Leistungsdruck entstand und besteht, dem er momentan nicht entfliehen kann.
Ich kann nur vermuten, doch es kann sein, dass Ihr Freund gar nicht glauben kann, dass er um seiner selbst Willen geliebt wird und er keine 'Leistung' dafür erbringen muss. Dass er nicht still sitzen oder etwas geniessen kann, zeugt wieder von dem immensen Druck unter dem er steht. Er hat gelernt als Kind, dass Entspannung Faulheit ist und nicht die notwendige Erholung, die jeder Mensch braucht. Wenn er auf der Couch sitzt, schläft er ein, das ist die Überforderung und Übermüdung. Dazu kommt vielleicht ein schlechtes Gewissen Ihnen gegenüber, dass er Ihre Wünsche nicht so erfüllen kann, wie er möchte und Sie es sich wünschen. Es ist also ein riesiges Dilemma zwischen Wollen und Können. Wenn es möglich ist, sprechen sie doch mit ihm einmal über eine Therapie, in der er sein Selbstwertgefühl verbessern kann und lernt, seinen inneren Druckmacher zu bearbeiten. Ergänzende Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen können dazu beitragen, die drohende Burn-Out-Symptomatik abzufangen.
Wie sehr Ihr Partner auch unter den Geschehnissen der Kindheit leidet, ist daran abzulesen, dass er als Mann mit 45 Jahren Angst vor dem Besuch der Mutter hat, ob vielleicht nicht genug aufgeräumt ist. Das ist extrem übergriffig und geht sie einfach nichts mehr an und auch das ist ein Lernprozess, sich dagegen abzugrenzen, der in einer Therapie durchgearbeitet werden kann.
Nicht zuletzt achten Sie bitte auf Ihre eigene seelische Gesundheit und die Ihrer Tochter. Machen Sie die Therapie zur Bedingung für eine weitere Partnerschaft, es kann auch nach einiger Zeit eine Paartherapie daraus werden. Es ist niemandem gedient, wenn Sie und Ihr Partner so wie bisher weitermachen, denn das kann sich bald als Sackgasse erweisen. Wenn er eine therapeutische Behandlung jedoch ablehnt, ist es Ihre Entscheidung, was Sie weiter tun wollen. Wichtig ist immer auch Ihre eigene Lebensfreude und Planung und letztendlich ist jeder für sich selbst und seine Entscheidungen verantwortlich.
Ich wünsche Ihnen ganz viel Mut und Zuversicht, egal wofür Sie sich entscheiden.
Alles Gute und herzliche Grüße
Claudia Schmitt kontakt@schmitt-hp-psych.de
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