Immer wieder lasse ich meinen Ärger an meinem Freund aus
Bettina (w, 21) aus Nürnberg: Hallo, wenn ich Ihnen meine Situation schildere, hört sich mein Leben eigentlich sehr gut an. Ich bin seit 4 Jahren mit meinem Freund zusammen, seit 1 Jahr wohnen wir zusammen. Wir sind glücklich, aber wir streiten seitdem auch immer öfter über Kleinigkeiten. Ansonsten habe ich einen Job, der mir eigentlich gut gefällt, aber in letzter Zeit aufgrund von Personalmangel immer stressiger wird. Ich habe dort sehr viel Kundenkontakt und muss deshalb immer freundlich sein. Nebenbei mache ich noch seit einem Jahr ein Fernstudium, was mich in meiner Freizeit sehr fordert und wirklich anstrengt. Ich bin immer öfter gestresst, launisch und nur noch in der Arbeit fröhlich. Ich lasse es dann abends immer durch Nörgeleien an meinem Freund aus. Gestern hatten wir wieder einen größeren Streit, den ich sozusagen durch meine schlechte Laune und Nörgeleien an ihm angezettelt habe. Es tut mir so leid, dass ich den Stress durch die Arbeit und das Studium an ihm auslasse, obwohl er derzeit der einzige Entspannungspol für mich sein könnte. Manchmal rege ich mich auf, dass er mir nicht so viel im Haushalt hilft oder einfach oft über Dinge klagt, die ich nebenbei erledigen muss. Der gestrige Streit war so schlimm, dass ich ihn wirklich weit von mir weggestoßen habe und auch Angst habe, ihn zu verlieren. Als ich noch bei meinen Eltern wohnte, ließ ich meine Launen auch schon immer bei ihnen aus. Was kann ich tun, damit ich nicht immer die Personen, die ich am meisten liebe, so schlimm behandle und von mir wegstoße? Vielen Dank für Ihre Einschätzung!
Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:
Liebe Bettina,danke für Ihre Anfrage, es liest sich ganz schön anstrengend, Ihr Leben. Das schreiben Sie schon im ersten Satz, die Einschränkung 'eigentlich'. Die gleiche Wortwahl dann bei Ihrer Arbeit. Kann es sein, dass Sie sich angesichts Ihres Mammutprogramms überfordert fühlen?
Jeder Teil Ihres Alltags ist für sich schon eine zeitraubende und anstrengende Angelegeneheit. Vollzeitjob, der Sie auch durch den Kundenkontakt immer wieder zwingt, Ihre freundliche Fassade aufrecht zu halten, dann Ihr Fernstudium, das Sie berufsbegleitend absolvieren, Ihre Beziehung und noch der Haushalt. Dass Sie so zu kurz kommen und sich da fallen lassen, wo Sie die wenigsten 'Hemmungen' haben, ist klar. Beim geliebten Menschen, sei es der Partner oder waren es eben die Eltern. Unterschwellig und unbewußt kann sich Ihnen auch die Frage stellen, warum ausgerechnet Sie so einen Stress haben und die anderen eher nicht. Sie sind sehr leistungbetont, ich frage mich, ob Sie schon als Kind über Leistung definiert wurden und glauben, dass das immer so weiter gehen muss.
Durch Streit kommt man auch miteinander in Kontakt. Es ist die intensivste Form der Beziehung. Diese aber muß gepflegt werden, nicht nur mit Streit. Sie haben Vertrauen in die Eltern und in den Partner, wobei die 'Gefahr', von den Eltern aufgrund schlechter Launen und Nörglerei abgewiesen zu werden, geringer ist als beim Partner. Sie testen quasi die Tragfähigkeit. Da kann es passieren, dass es zur Krise kommt, wenn ständig so eine Spannung herrscht und er nicht sehr viel Verständnis für Sie hat.
Was können Sie nun tun? Den Personalmangel in der Firma können Sie nicht abschaffen. Es gäbe die Möglichkeit, einen Job zu suchen, der weniger stressig ist oder auch weniger Stunden zu arbeiten. Ob und wieweit Sie das Fernstudium evtl. strecken oder sogar aufgeben können, wissen nur Sie. Fakt aber ist, dass Sie unbedingt Phasen der Erholung in Ihren Alltag einbauen müssen, damit Sie Ihre Kräfte schonen. Setzen Sie Prioritäten, nehmen Sie sich bewußt Auszeiten und überdenken Sie, ob Sie Ihre Tage etwas entschleunigen können. Sprechen Sie auch offen mit Ihrem Freund, versuchen Sie, einigermassen sachlich zu bleiben und bitten Sie ihn um mehr Unterstützung im Haushalt. So eine Unterredung könnte als 'Arbeitsessen' auswärts statt finden. Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung sind eine Möglichkeit, Entspannung zu finden und etwas vom Stress herunterzukommen.
Wenn Sie so nicht die Chance sehen, etwas zu ändern, wären vielleicht einige Gespräche bei einem Berater oder Therapeuten hilfreich, um sehen zu können, was und wer Ihre inneren Treiber sind. Klarheit zu finden über Ihre Wünsche und Vorstellungen könnte Ihnen helfen, Ihr Leben zu entstressen. Damit ist auch wieder Platz und Zeit für einen liebevollen Umgang miteinander.
Ich wünsche Ihnen Entschleunigung, Kraft und Mut für eine stressfreiere Zukunft!
Herzliche Grüße
Claudia Schmitt
Heilpraktikerin für Psychotherapie
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