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Ich wurde schon tief verletzt und kann deshalb niemanden an mich heranlassen

Sevil (w, 26) aus Köln:

Hallo

meine ängstlich vermeidende Persönlichkeit kann einfach niemanden an sich ranlassen. Weder Freunde noch Partner wissen, wie es mir wirklich geht. Ich wurde schon tief verletzt, weshalb ich diese Mauer um mich rum aufgebaut habe, aber gleichzeitig bin ich dadurch sehr einsam.

Wenn ich sehe wie meine beste Freundin mit Leichtigkeit neue Freundschaften knöpft bin ich neidisch. Wie kann ich mich Personen wieder öffnen und wie verarbeite ich Vergangenes, dass ich mich wieder neu einlassen kann? Ich möchte die Leute nicht wegstoßen. Ich bin ein toller Mensch, aber die wenigsten sehen das, weil ich mich verschließe. Nach außen wirke ich tough, ich sehe nicht schlecht aus. Das ist aber lange nicht alles und ich hab es satt, darauf reduziert zu werden. Ich habe es nur selbst in der Hand.

Vielen Dank im Voraus für die Tipps.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Hallo Sevil,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage. Es wird darum gehen, das Vergangene zu verarbeiten und die tiefen Verletzungen, die Sie erfahren haben, zu heilen. Dafür reichen ein paar Tipps nicht aus, sondern das Erleben einer sicheren Bindungerfahrung wird der Schlüssel dazu sein. Deshalb möchte ich Ihnen empfehlen, sich therapeutisch begleiten zu lassen.

Die Mauer, die Sie um sich herum errichtet haben, ist zunächst notwendig, auch wenn sie eine tiefere Bindung verhindert. Sie schützt Sie vor weiteren Verletzungen. Sie wird sich erst verändern können, wenn Sie Vertrauen wieder (neu) erlernen. Dazu ist der geschützte Rahmen einer Therapie empfehlenswert und notwendig. Die Therapie befähigt darin, mit dem Therapeuten eine tragfähige, sichere Bindung einzugehen und die Erfahrung zu machen, wie es ist, wenn man sich wieder emotional öffnet. Während des Prozesses können dann die auftauchenden Ängste und Verletzungen bearbeitet werden, so dass jeder Schritt in Richtung Vertrauen auch zugleich Selbstvertrauen aufbaut und die Beziehung zu sich selbst stärkt.

Letztlich sind aber keine menschliche Bindungen und Beziehungen ohne verletzt zu werden möglich. Doch wir können beeinflussen, wie wir mit Verletzungen umgehen, auch wenn es sich normalerweise erstmal nicht so anfühlt. Wir können tatsächlich entscheiden, ob wir uns verletzt fühlen oder nicht.

Ich möchte Ihnen ein sehr einfaches Beispiel dafür geben. Nehmen wir an, Sie lernen jemanden kennen, Sie verlieben sich, Ihr Partner scheint die Gefühle zunächst zu erwidern und sie verbringen eine sehr schöne, intensive Zeit miteinander. Nach der Verliebtheitsphase stellt ihr Partner plötzlich fest, dass er doch keine tieferen Gefühle für Sie empfinden kann, während Sie jedoch weiterhin verliebt sind. Nun entsteht ein Gefälle im Gefühlsleben und eine gleichberechtigte Liebesbeziehung wird so nicht mehr möglich sein.

Es gäbe jetzt die Möglichkeit, darauf verletzt zu reagieren, sich abgewiesen und ungeliebt zu fühlen. Doch die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass hier eigentlich sehr frühkindliche Verletzungserfahrungen berührt werden, die damals in der Beziehung zu den Eltern oder anderen Bezugspersonen entstanden sind. Sie sind wie eine Matrix, auf der wir später erwachsene Beziehungen und Freundschaften eingehen, Erfahrungen wiederholen und entsprechend auch Partner auswählen.

Es gäbe auch die Möglichkeit einer anderen, reiferen Gefühlsweise: Sie spüren Ihre Liebe für Ihren Partner als etwas Eigenes, Eigenständiges - unabhängig davon, ob sie erwidert wird oder nicht. Sie bedauern, dass Ihr Partner sich nicht einlassen kann, doch wissen und spüren in der Abgrenzung zu ihm genau, es ist ganz allein seine Verantwortung, wie er empfindet. Denn darin spiegeln sich auch seine früheren Bindungserfahrungen wider, auf die Sie keinen Einfluss nehmen können. Sie können Ihre Erwartung an ihn loslassen, bleiben jedoch präsent und verbunden mit Ihren eigenen Gefühlen von Liebe.

Wenn Sie also lernen, ganz bei sich und Ihren Gefühlen bleiben zu können, werden Sie auf andere Menschen gelassener und verständnisvoller reagieren können und vielleicht auch nach anderen Kriterien Partner und Freunde auswählen, als Sie es bisher taten. Alles hängt miteinander zusammen und weil es so komplex ist, ist eine therapeutische Begleitung ratsam, um sich innerhalb des Prozesses wirklich weiter zu entwickeln, neu auszurichten und gestärkt daraus hervorgehen zu können.

Ich wünsche Ihnen alles Gute,
viele Grüße

Anke Wagner
Heilpraktikerin f. Psychotherapie





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