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Hat unsere Ehe überhaupt noch eine Chance?

Susanne (w, 35) aus Lippstadt:

Wir sind 35 Jahre alt, seit 9 Jahren Paar/halbes Jahr verheiratet. Langsam denke ich, Fehler gemacht zu haben.

Ich bin geselliger/unternehmungsfreudiger/bequemer Mensch. Mein Mann ist komplett Gegenteil, am liebsten nur zu Hause hocken oder alleine Motorrad fahren. Nach 3 Jahren Überredungskünste waren wir erstes Mal im Urlaub. Es hat ihm gefallen,dann waren wir jedes Wochenende unterwegs.

Seit Schwangerschaft(Sohn,4 Jahre) ist er wieder Heimhocker. Um jede gemeinsame Aktivität muss ich kämpfen, er blockt alles ab. Es kommt zum Streit, dann gibt er nach oder ich unternehme etwas ohne ihn. Darüber reden bringt nichts. Dieses Jahr nur 1 Schwimmbadbesuch(Geldmangel gibt's nicht).

Wir haben gar keine gemeinsamen Freunde. Meine Freunde besuchen uns nur noch selten, weil er keine Einladungen annimmt, er will nirgends zur Besuch. Selbst mit seinen Freunden will er nichts machen.

Wir haben kaum körperlichen Kontakt,selbst beim Sex(alle 3-4 Monate) muss ich um Kuss bitten. Er kommt meistens nach 30-60 Sekunden(frustrierend).Habe ihn deshalb zum Arzt gezwungen, angeblich wäre alles OK.

Wir leben wie in WG, ich darf mich um alles kümmern und treu sein. Ich wasche, bügele, putze, koche, einkaufe, Rechnungen, Versicherungen, Behörde, Arzt, Kita usw. Er: Reparaturen zu Hause nach Aufforderungen, Autowaschen, Rasenmähen, sehr selten Saugen/Waschbecken säubern.

Ich fühle mich ausgenutzt, vernachlässigt und gelangweilt, wir sprechen nur oberflächlich. Hat Ehe überhaupt noch Chance? Scheidung ist kein Ausweg, da er sehr guter Vater ist. Aber ewig so weiterleben, kann und will ich nicht mehr.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Susanne,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage. Beim Lesen Ihrer Zeilen tauchten bei mir sofort die Fragen auf, aus welchen Gründen Sie ihn geheiratet haben und wie Sie die Beziehung all die Jahre vor der Ehe empfunden haben.

Denn, was Sie als partnerschaftliche Beziehung beschreiben, klingt für mich sehr lieblos, distanziert und wenig aufeinander bezogen. Sie sprechen nur oberflächlich miteinander und der sexuelle Kontakt ist für Sie frustrierend. Auffällig ist, dass Ihr Mann sozial sehr zurückgezogen lebt, zwischenmenschlichen Kontakt scheut und eher ein Einzelgänger ist. Er scheint kaum Interesse an emotionaler und körperlicher Nähe, Zärtlichkeit, offenem Austausch und gemeinsamen Unternehmungen zu haben. Dies sind jedoch wesentliche Aspekte einer befriedigenden, erfüllten Beziehung, in der sich beide sicher, wohl und geborgen fühlen.

Inosfern kann ich es sehr gut verstehen, dass Sie sich Ihre Ehe wie das Zusammenleben in einer WG anfühlt. Es funktioniert im Alltag, weil Sie die meisten Versorgungsaufgaben übernehmen. Ihr Mann fühlt sich dann gut versorgt. Er kann sein zurückgezogenes, in sich gekehrtes Leben innerhalb der Beziehung führen ohne allzu sehr von außen gestört zu werden. Eine Störung tritt dann auf, wenn Sie Ihn auffordern, anders zu sein, sich mehr auf Ihre Bedürfnisse einzustellen.

Ich würde Ihnen empfehlen, diese Beziehung noch einmal gründlich zu überdenken. Dazu kann es hilfreich sein, dass Sie sich fragen: Was hält Sie in dieser Beziehung, außer dass er ein guter Vater ist? Was waren Ihre Beweggründe, ihn zu heiraten? Haben Sie ähnliche Bindungserfahrungen schon einmal gemacht, z.B. in Ihrer Kindheit? Wiederholt sich hier ein Bindungsmuster, das Ihnen vertraut vorkommt?

Da Ihr Mann keine Unzufriedenheit äußert, sind Sie die Einzige, die eine Veränderung anstoßen kann. Das könnte z.B. eine Paarberatung sein, in der die Unterschiedlichkeiten deutlich thematisiert werden, von außen moderiert und in der sie gemeinsam lernen könnten, miteinander offen zu kommunizieren und Bedürfnisse zu verhandeln.

Wenn Ihr Mann dies ablehnt, bleibt die Entscheidung bei Ihnen, ob und wie Sie diese Beziehung weiter fortführen. Bitte bedenken Sie auch, dass Ihre Partnerschaft eine Vorbildfunktion für Ihren Sohn hat. Er bekommt die mangelnde Bezogenheit zwischen ihnen als Paar vorgelebt und könnte vielleicht später Angst bzw. eine Vermeidung entwickeln, sich auf tiefere Bindungen einzulassen.

Es kommt also jetzt ganz auf Sie an, wie Sie sich innerlich positionieren und ob Sie eine tief greifende Veränderung wollen. Wenn Sie merken, Sie kommen damit allein nicht weiter, könnten ein paar Beratungsstunden hilfreich und unterstützend sein.

Ich wünsche Ihnen alles Gute. Über ein kurzes Feedback würde ich mich freuen.

Viele Grüße

Anke Wagner
Heilpraktikerin f. Psychotherapie


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