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Verschiedene psychische Probleme - welche Diagnose ist richtig?

Klapsenkind (m, 19) aus Neumünster: Ich habe viele verschiedene psychische Probleme und habe schon etliche Diagnosen in Betracht gezogen. Mir wurden nun vom Hausarzt und von einer Klinik auch schon mehrere Diagnosen gestellt. Ich bin aber immer noch nicht zufrieden. Ich neige zu Zwangsverhalten, um meine Probleme zu kompensieren, genauso wie ich zu depressiven Stimmungen neige, um negative Emotionen besser zu ertragen. Bloß ist keins von beiden die eigentliche Ursache meiner Probleme. Ich glaube vielmehr, dass ich eine Persönlichkeitsstörung habe, die eben vielfältige psychische Probleme mit sich bringt. Denn es gibt so gut wie keinen Bereich des Lebens, in dem mein Verhalten gesund wäre. Das fängt schon beim Essen und Schlafen an.

Demnächst fange ich wohl eine neue ambulante Therapie an. Was meinen Sie? Sollte ich mich auf die nächste Diagnose einfach einlassen oder sollte ich dem Therapeuten besser deutlich machen, welche Probleme ich noch habe? Denn in der Klinik wurde zwar mein Selbstbewusstsein und der Kontakt zu Mitmenschen gestärkt. Seitdem lasse ich meine Aggressionen aber vermehrt an meinen Mitmenschen aus, weil dadurch meine Hemmungen gesunken sind. Bei mir kommt es regelmäßig zu Symptomverschiebungen. Wenn ich das eine Problem auf Druck von außen gelöst habe, entwickelte sich ein neues, mit dem ich wiederum meine gestörte Persönlichkeit kompensieren konnte. Was wäre da der beste Therapieansatz?

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Hallo Klapsenkind,

danke für Ihre Frage! Bitte entschuldigen Sie die späte Antwort, wir bekommen zur Zeit recht viele Anfragen.

Was ich Ihnen hier anbieten möchte, ist eine kurze Erklärung zum Thema „Diagnose“.

Stellen Sie sich vor, sie sind gefallen und leiden jetzt unter den Symptomen „starke Schmerzen im Bein“. Laufen ist unmöglich. Also gehen Sie zum Arzt. Der macht ein Röntgenbild und stellt die Diagnose: Bein gebrochen. Therapie: Sechs Wochen Gips.

In diesem Beispiel sind die Ursache, die Diagnose und die Therapie geradlinig miteinander verbunden.

Bei psychischen Belastungen wie zum Beispiel dem von Ihnen angesprochenen Zwangsverhalten oder bei depressiven Stimmungen nimmt man natürlich an, die Dinge lägen genauso: Wenn man eine klare Diagnose hat, habe man automatisch auch eine klare Ursache und eine klare Therapieempfehlung. Tatsächlich ist das aber meistens nicht der Fall.

Der Grund dafür ist die immer noch weitgehend unerforschte Komplexität des menschlichen Gemütes.

Psychische Diagnosen entstehen anders: sie sind Beschreibungen dessen, was Sie ihrem Therapeuten sagen, wie es Ihnen geht. Sie sind ganz oft kein Hinweis auf die Ursache und genauso oft gibt es keine automatisch richtige Therapie.

Psychische Diagnosen können Sie sich vorstellen wie Wellen auf einem Teich. Die sieht man. Was tatsächlich los ist, sieht man aber nicht. Das kann ein Delphin sein, der da unten seine Kreise zieht, das kann genauso gut ein Haifisch sein. Und was die Sache nicht einfacher macht: in der Psyche können sich Delphine schon mal in Haie verwandeln und umgekehrt genauso. Probiert man jetzt, therapeutisch, die Fische einzukreisen, schwimmen die gerne schon mal woanders hin und machen ihre Wellen in der gegenüberliegenden Teichecke: die Symptome verschieben sich.

Zu Ihrer Frage: sollten Sie dem Therapeuten deutlich machen, welche Probleme Sie noch haben? Ja, unbedingt. Der kann ja nicht in Ihren Kopf gucken. Je deutlicher Sie Ihrem Therapeuten machen, was für Probleme Sie haben, desto klarer wird die Sache, oder, um noch einmal das Bild des Teiches zu verwenden: desto besser sind die Fische zu sehen.

Vielleicht mögen Sie noch ein bisschen bei diesem Bild eines Teiches bleiben? In der Therapie geht es sehr viel darum, statt der Wellen die Fische klar zu sehen. Es geht nicht darum, sie loszuwerden. Sie brauchen die Delphine, und auch die Haie. Es geht darum, sie kennen zu lernen.

Sie fragen auch: sollte ich mich auf die nächste Diagnose einfach einlassen? Lassen Sie sich auf den nächsten Therapeuten ein. Diagnosen sind zuweilen nur vorübergehende Namen für Wellenbilder. Lassen Sie sich auf den Therapeuten ein. Er wird mit Ihnen, noch einmal das Teichbild: Fische suchen.

Er braucht Sie dazu, denn nur Sie kennen sich in Ihrem Teich aus. Im Grunde wird er Ihnen zeigen, wie Sie sich besser in Ihrem eigenen „Teich“ zurechtfinden. Sie werden dabei ein paar interessante Bekanntschaften machen. Sie mögen vielleicht feststellen, das gerade einige der Haifische Ihre besten Freunde sind. Gehen Sie einfach Schritt für Schritt .. negative Emotionen, wie Sie schreiben, Selbstbewusstsein, Kontakt, Aggressionen .. das wird auch nicht der letzte Schritt Ihrer Entdeckungsreise sein.

Helfen Sie Ihrem Therapeuten, schauen Sie nach innen, er kann Sie dann begleiten und hin und wieder ein wenig Reiseführer sein.

Ich wünsche Ihnen dabei viel Spaß und schöne Entdeckungen!

Mit herzlichen Grüßen
Sven Hülsebus
Heilpraktiker (Psychotherapie)

Bewertung durch den Fragensteller:
Ich freue mich, dass sich jemand meines Anliegens angenommen hat.

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