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Starke Überlastung kann zu Panik führen

MC (w, 35) aus Hamburg: Hallo, ich bin 35, komme aus dem Ausland und habe 2 kleine Kinder. Seit 2 Jahren passiert recht viel. Ich habe einen neuen Job mit neuen und spannenden aber auch Verantwortungvollen Aufgaben. Mein Mann ist seit längerer Zeit in Bewerbung in verschiedenen Städten Landesweit. Meine Familie (Eltern und Verwandten) wohnt in meiner Heimat und mein Vater hat eine sehr schwere Depression. Er hat Selbstmord versucht vor ca. 18 Monate. Nun ist er seit 2 monaten in KH wegen Schlaganfall. Er ist noch nicht mal 70. Zu der ganzen Instabilität kommt noch dazu, dass wir 1 Jahr lang eine neue Wohnung gesucht haben und nun in 2 Wochen umziehen. Das ist den größten Umzug meines Lebens, würde ich behaupten.
Seit einigen Monaten bin ich sehr unruhig und habe sogar ein paar Panikattacken erlebt: ein mal beim Zahnarzt und ein mal im Flieger. Ich habe keine Probleme raus zu gehen oder zu arbeiten - auch wenn ich mit der Konzentration ein bisschen zu kämpfen habe. Nun fühle ich, dass ganz normale Sachen wie Friseur oder eben Artz mich sehr stressen. Was mich am meisten beschäftigt ist die Angst, solche Anfälle wieder zu bekommen,insbesondere im Flugzeug. Durch die Lage zu Hause muss ich häufiger fliegen und gerade fühle ich mich überhaupt nicht danach.
Meine Frage ist: bin ich einfach zu sehr gestresst oder (schon) krank? Kann das eine Reaktion zu einem Trauma sein oder Signal für etwas ernstes wie eine Angststörung? Vielen Dank für die Zeit und die Hilfe.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:


Liebe MC,

vielen Dank für Ihre Offenheit!

Ich kann gut nachvollziehen, dass Sie das sehr belastet. Panikattacken treten oft in Zeiten starker Überlastung auf. So wie Sie Ihre momentane Lebenssituation beschreiben, sind Ihre Unruhe und Panikattacken so ein Zeichen starker Überlastung.

Das ist auch verständlich, da momentan bei Ihnen in allen Bereichen Unruhe und Verunsicherung herrscht. Oft sind die Ursache von Panikattacken starke Überlastung und das Gefühl des Kontrollverlustes. Es kann sein, dass eine Dauerstressüberbelastung durch Stress aller Art dazu führt, da das Stress- und Nervensystem dabei so überaktiviert ist, dass kleine Dinge so eine Überreaktion auslösen können. Und momentan gibt es viele Bereiche in Ihrem Leben, über die Sie keine Kontrolle haben und das kann sehr ängstigen.

Auch kann es sein, dass Sie durch das stark erschreckende und ängstigende Erlebnis durch den Suizidversuch Ihres Vaters starke Angst und Panik verspürt haben hatten und sich seitdem dieses Panikgefühl sozusagen verselbständigt hat und bei allen möglichen Gelegenheiten auftritt, welche oft gar nichts damit zu tun haben.

2 Kleine Kinder und neuer Job alleine wären schon viel. Dazu kommen noch die emotionale Belastung und Sorge um Ihren Vater und der anstehende Umzug. Das sind alles Faktoren, die Unruhe ins Leben bringen und verunsichern und Angst machen. Besonders emotionale Belastungen und Angst wirken da sehr destabilisierend. Dazu kommt noch das viele Reisen zu Ihrer Familie.

Ich vermute mal, da bleibt wenig Zeit für sich und für Erholung. Das alles zusammen macht Unruhe und Sorgen und bringt Ihr ganzes System durcheinander. Ein Ausgleich fehlt momentan.
Daher kann ich die Symptome gut nachvollziehen. Ich denke nicht, dass das Zeichen für eine Angststörung sind, was natürlich aus der Ferne schwer zu beurteilen ist. Aber wie Sie Ihre Situation beschreiben, deutet alles auf starke Überlastung hin. Trotzdem ist Ihre Lage sehr ernst zu nehmen, denn aus Panikattacken kann sich eine generalisierte Angststörung entwickeln. Auch ist so eine starke Stressbelastung, wenn Sie länger andauert, für den Körper schädlich und es könnte sein, dass Sie irgendwann ein Burnout entwickeln.

Deswegen ist es wichtig, dass Sie so schnell wie möglich zu handeln und zu schauen, wie Sie Entlastung in Ihr Leben bringen können. Ich weis, vieles davon ist einfach jetzt dran und lässt sich nicht verschieben oder ignorieren. Aber schauen Sie mal, was an Ihren Aufgaben und Pflichten vielleicht momentan nicht so große Priorität hat und was Sie vielleicht weglassen oder wann anders machen können, um sich etwas Freiraum zu verschaffen. Auch ist es wichtig zu schauen, ob Sie etwas davon an andere, Familie, Geschwister, Freunde abgeben können, dass nicht alles auf Ihnen lastet. Auch ist es wichtig, dass Sie über ihre Gefühle und Ihre Angst reden und sich so entlasten können.

Sie sind damit nicht allein, es geht vielen Menschen in ähnlichen Belastungssituationen genauso.

Ihr ganzes Nervensystem ist momentan überlastet und arbeitet auf Hochtouren. Daher ist es wichtig Entspannung in Ihr Leben zu bekommen. Auch wenn momentan wenig Zeit ist für sich, Sie müssen sich ein bisschen Zeit verschaffen! Es bringt keinem was, wenn Sie krank werden oder zusammenklappen. Die Panikattacken sind sozusagen die roten Warnblinklämpchen, die Ihnen anzeigen, dass es höchste Zeit ist, etwas zu ändern.

Entspannungsverfahren und Sport können da viel Entlastung bringen und Ihnen helfen, die Panik wieder in Griff zu bekommen.

Progressiven Muskelentspannung, Yoga, Meditation oder Atemübungen sind schnell und leicht zu lernen und helfen Stress zu reduzieren und auch beim Anklingen einer Attacke.
Sie können sich Videos oder Apps dazu besorgen oder runterladen, oft sogar kostenfrei. Schauen Sie mal bei youtube. da gibt es viel gute Anleitungen.

Besonders Atemübungen haben sich bei Panik gut bewährt. Hier eine kleine zu ausprobieren:

Setzen Sie sich bequem hin, Rücken gerade, Beine locker nebeneinander abgestellt. Atmen Sie erst einmal tief durch, Atmen den Alltag aus. Lenken Sie die ganze Aufmerksamkeit auf ihre Atmung. Verfolgen Sie den Atemstrom, wie beim Einatmen die Luft durch die Nase, den Rachen, die Luftröhre in die Lungen fließt und beim Ausatmen wieder heraus. Beobachten Sie, wie sich beim Einatmen Brust und Bauch leicht heben und beim Ausatmen wieder senken. Atmen Sie ganz ruhig und gleichmäßig, tief ein und aus. Stellen Sie sich vor, wie Sie beim Einatmen Ruhe in sich aufnehmen und beim Ausatmen alle Anspannung ausatmen.
Beim nächsten Einatmen versuchen Sie tiefer in den Bauch hinein zu atmen. Lenken Sie die ganze Aufmerksamkeit auf den Atemstrom und verfolgen ihn tief in den Bauch hinein. Versuchen Sie mit jedem Einatmen tiefer in den Bauch hinein zu atmen, immer tiefer, bis hinunter ins Becken. Atmen Sie so 2 bis 3 Minuten lang weiter, bis Sie spüren, dass Sie ruhiger geworden sind oder die Angstgefühle leichter sind.
Dann kehren Sie wieder zur normalen Atmung zurück.

Machen Sie die Übung besonders anfangs möglichst mehrmals täglich, um die Grundanspannung zu senken und sie im Akutfall gut parat zu haben und anwenden zu können.

Weiter ist es wichtig, Ihre Gedanken an die Angst und die Angst vor der nächsten Attacke zu stoppen. Hier hilft es, laut oder innerlich laut STOPP zu sagen. Seien Sie hier vehement! Ein zaghaftes Stopp bringt meist nichts. Stellen Sie sich das STOPP auch bildlich vor. Vielleicht als großes, rotes Straßenschild. Wahrscheinlich müssen Sie anfangs viele Stopps setzen, da die Gedanken gleich wieder kommen. Dies wird mit der Zeit und Übung aber immer weniger und leichter.
Wichtig ist, Angstgedanken so schnell wie möglich zu stoppen. Wenn Sie erst einmal in die Gedankenspirale einsteigen, wird es immer schwerer wieder herauszukommen.
Diese beiden Übungen können Ihnen helfen die Panik und Angst vor der Angst in Griff zu bekommen.

Auch hilft es sich die Frage zu stellen, was denn im schlimmsten Fall passieren kann, wenn Sie Panik bekommen, z.B. beim Fliegen: nicht wirklich was schlimmes!

Ja, es ist äußerst unangenehm und schlimm in dem Moment. Aber das geht vorbei! Genauso wie bei den anderen Panikattacken, die kamen, die Angst und Panik wurden immer stärker, aber dann gin die Panik auch wieder zurück. Sie können sich das wie eine Welle vorstellen, die Sie überspült. Die Welle erwischt Sie, Sie bekommen kurz keine Luft und verlieren die Orientierung, tauchen dann aber wieder auf und schwimmen weiter. So ist es auch mit der Panik, sie kommt, ist sehr schlimm und quälend, geht aber auch nach ein paar Minuten wieder. Alles was dabei passiert ist, dass Ihr Herz rast, die Atmung heftiger wird, Sie vielleicht schwitzen, sich total unwohl fühlen und das Gefühl bekommen, „ich muss hier raus“.

Ja das macht Angst, aber das geht wieder vorbei. Sich das bewusst zu machen, hilft dem Ganzen den Schrecken zu nehmen. Sagen Sie sich oftmals: „es passiert nichts schlimmes!“ Machen Sie sich bewusst es geht wieder weg.

Wichtig ist, dass Sie die Kontrolle wieder über sich bekommen und Mittel zur Hand zu haben, wie Sie mit der Panik umgehen können, falls sie kommt.
Lesen Sie auch meinen Artikel auf Psychomeda zur Angst und Panik. Da finden Sie auch noch Übungen, mit der Panik umzugehen!

Panikattacken sind eigentlich recht gut und relativ schnell zu behandeln. Besonders wenn sie noch nicht lange bestehen, können ein paar Stunden Therapie schon ausreichen, um sie wieder verschwinden zu lassen. Daher würde ich Ihnen auch raten, einen Therapeuten aufzusuchen, der sich auf Verhaltenstherapie (VT)spezialisiert hat. Mit VT kann man recht schnell Methoden erlernen, die sehr gut im Umgang mit der Panik helfen und Ihnen wieder die Kontrolle über sich zurückgeben.

Die 3 kleinen Tipps oben sind aus der Therapie von Panik. Sie sind sehr wirksam und diese werden Sie unter anderem auch bei einem Therapeuten lernen. In der Therapie hat man natürlich noch viel mehr Möglichkeiten und kann genauer hin schauen und alles genau an Sie und Ihre Bedürfnisse anpassen.

Was Sie jetzt gleich tun können ist, versuchen Stress zu reduzieren und versuchen Ihr Nervensystem wieder runterzufahren. Sorgen Sie für Entspannungsphasen. Oft bringen schon kleine Umstellungen im Ablauf oder eine bessere Planung und Einteilung Erleichterung. Schauen Sie wo Sie sich auch von anderen, Ihrem Partner, Familie, Freunde Unterstützung holen können.

Sie müssen das nicht länger aushalten! Sie können wieder die Kontrolle über sich und Ihren Körper zurückerlangen! Und das werden Sie auch wieder!

Ich hoffe die Tipps und Anregungen konnten Ihnen etwas weiterhelfen! Über eine Rückmeldung und Bewertung von Ihnen würde ich mich freuen.

Falls Sie noch mehr Beratung oder Unterstützung möchten, ich biete auch Therapie und Beratung über Skype oder www.Sofadoc.de an. Sie können einen Termin mit mir vereinbaren unter 0160 350 7570 oder unter stephanie.neuwald@gmx.de.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Üben und dass Sie schnell einen Weg aus der Panik finden! Alles Gute für Sie und Ihre Familie!

Alles Gute und herzliche Grüße,
Stephanie Neuwald

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