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Unser Sohn setzt seine Ausbildung in den Sand

Diana (w, 44) aus Abensberg: Guten Tag,
ich bin Mutter eines 18jährigen Jungen, der im Moment seine zweite Ausbildung in den Sand setzt, weil meines Erachtens alles andere wichtiger ist. Er sitzt, wenn er von der Arbeit kommt, nur am Rechner und spielt. Er schafft es nicht, sich zu duschen, geschweige denn Zähne zu putzen. Jetzt hat er zwei Abmahnungen bekommen, weil er sich an einem Tag nicht krankgemeldet hat, und es interessiert ihn nicht. Die Leistung im Betrieb ist sehr schlecht.
Ich muss dazu sagen, dass er als kleines Kind ADHS hatte und Medikinet als Tabletten bekommen hat. Wir sind mit unserem Latein am Ende. Wir hatten von jeher Probleme mit unserem Sohn. Ich habe ihm jetzt jegliches Vergnügen, sprich Computer, Handy, verboten. Er wird jetzt seine Wäsche selber waschen und sich drum kümmern, dass er was zu Essen hat. Ich weiß mir nicht mehr zu helfen. Auch gestern beim Chef, als er die Abmahnungen bekommen hat, war er total emotionslos und hat keine Miene verzogen. Er hat dann gestern Abend keinen Ton dazu gesagt und hat nichts gegessen. Seine Begründung war: 'Was soll ich dazu sagen'. Er ist Meister im Lügen, Freunde hat er nur einen und der sitzt auch nur vorm Rechner, nur der Unterschied ist, er macht seine Ausbildung mit Bravur. Was sollen wir bloß tun? Wir brauchen Hilfe, nur nehmen die Psychologen keine neuen Patienten an. Ich habe Angst, dass er sein komplettes Leben gegen die Wand fährt. Eine seiner Aussagen ist: 'Wenn ich nicht müsste, würde ich nicht arbeiten'.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Diana,

das ist in der Tat eine schwierige Situation und ich kann Ihre Verzweiflung und Ihren Frust darüber gut verstehen. Sie wünschen sich wie alle Eltern, dass Ihr Sohn etwas aus seinem Leben macht, und machen sich nun große Sorgen, wie es weitergehen kann, wenn er so gar kein Interesse an seiner Ausbildung zeigt, nicht mal bei einer Abmahnung.

Erst einmal: So eine Situation kommt häufiger vor, als Sie vielleicht denken. Oft gab es in der Kindheit bereits irgendwelche Schwierigkeiten, die zum einen durchaus auch jetzt noch eine Rolle spielen können, die zum anderen aber manchmal auch dazu führen, dass die Eltern ihr 'Problemkind' etwas überbehüten, sei es, dass es weniger Verantwortung übernehmen muss, sei es, dass die Eltern viel vorgeben. Und das natürlich mit den besten Absichten.

Sie schreiben von ADHS als Ihr Sohn ein kleines Kind war, und dass er dafür Medikamente bekommen hat. Ist es sicher, dass jetzt kein ADHS mehr vorhanden ist? Und welchen Effekt hatten die Medikamente? Vielleicht lohnt es sich, auch nochmal in diese Richtung zu schauen.

Was ich auch wichtig finde: Ihr Sohn ist 18, das heißt, er ist volljährig und grundsätzlich für sich selbst verantwortlich. Ihre Rolle als Eltern besteht nun nicht mehr darin, Ihren Sohn zu 'erziehen', sondern darin, ihm vor allem mit Rat und manchmal auch mit Tat zur Seite zu stehen - wenn er Sie braucht und das wünscht. Das ist nicht leicht, gerade wenn Sie merken, dass er so wenig Eigeninitiative zeigt, aber das Erziehen und auch Verbote funktionieren in dem Alter nicht mehr so gut. Es ist nun seine Aufgabe, seinen eigenen Weg zu finden und zu gehen. Wenn er kein Interesse an seiner Ausbildung hat, können Sie ihn auch nicht dazu zwingen.

Aber Sie dürfen durchaus konsequent sein. Das heißt, Sie dürfen erwarten, dass er etwas zum gemeinsamen Leben beiträgt. Darum finde ich vor allem die Idee, dass er sich um seine eigene Wäsche und um sein Essen kümmern soll, gut. Dadurch muss er mehr Verantwortung für sich übernehmen und lernen, für sich selbst zu sorgen. Sie können das auch schrittweise immer mehr ausweiten, indem er z.B. sich an den Kosten beteiligen muss. Dass er, wenn er keine Ausbildung machen möchte, sich mit der Zeit eine eigene Unterkunft suchen muss, etc. Das heißt ja nicht, dass Sie ihn rauswerfen und sich nicht mehr für ihn interessieren. Sie sind ja trotzdem noch als Ansprechpartner für ihn da, wenn er Schwierigkeiten hat.

Dass er am liebsten nicht arbeiten würde, kann ich schon auch verstehen. Nicht für jeden ist Arbeit der Sinn und Zweck des Lebens, es gibt durchaus viele Menschen, die einfach arbeiten, um Ihren Lebensunterhalt damit zu verdienen. Und das ist ja auch in Ordnung.

Was einen Psychologen betrifft, würde ich mich an Ihrer Stelle mal mit Ihrer Krankenkasse in Verbindung setzen, wenn Sie bisher nur Absagen bekommen haben. Auch die Kassenärztliche Vereinigung könnte Ihnen weiterhelfen. Alternativ oder auch zusätzlich wäre auch eine Erziehungsberatungsstelle eine Anlaufstelle, wo Sie vielleicht schneller einen Termin bekommen können und die Sie auch als Eltern darin unterstützen kann, mit dieser Situation besser umgehen zu können.

Und noch etwas zum Schluss: Ich lese aus Ihrem Text viel Frust und auch Ärger heraus, was ich gut verstehen kann. Das kann jedoch leicht dazu führen, dass man eher vorwurfsvoll reagiert und versucht, beim anderen Druck zu erzeugen, damit dieser etwas ändert. Beim anderen führt das jedoch schnell zu einer Abwehrhaltung und verstärkt dadurch das bisherige Verhalten vielleicht sogar. Ich denke, es gibt einen tieferen Grund oder vielleicht sogar mehrere, die dazu beitragen, dass Ihr Sohn so wenig Interesse an seiner Ausbildung, aber auch seiner Freizeitgestaltung und Hygiene zeigt. Sowas kommt nicht von ungefähr. Manchmal steckt auch eine Depression dahinter.

Ich denke, es wäre an der Stelle vielleicht sinnvoll zu versuchen, mit ihm in Ruhe und auf Augenhöhe nach und nach mehr ins Gespräch zu kommen und mal ganz offen versuchen herauszufinden, wie es ihm eigentlich wirklich geht, was er gerne hätte und machen würde und vielleicht auch, was seine Sorgen und Nöte sind. Und Sie können ihn auch wissen lassen, dass hinter Ihrem Frust vor allem große Sorgen stehen und er Ihnen wichtig ist und dass er ein gutes und zufriedenes Leben führen kann, und fragen, was er von Ihnen gerne hätte. Das kann manchmal ganz überraschende Dinge zu Tage bringen. Hier kann vielleicht auch die Beratungsstelle unterstützen, wenn ihnen beiden das schwerfällt.

Ich verstehe Ihre Sorgen gut und denke, man sollte hier durchaus handeln, ich denke aber auch, dass so eine Situation nicht ausweglos ist. Ich hoffe daher, dass meine Anregungen für Sie nützlich sind. Dann freue ich mich über eine positive Bewertung. Wenn jedoch noch etwas unklar ist oder Sie noch Fragen haben, können Sie mehr gern unter meiner Email-Adresse info@loesbar-online.de kontaktieren.

Alles Gute für Sie und Ihre Familie!

Viele Grüße
Astrid Hiersekorn





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