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Ich fühle mich im Umgang mit meiner Stieftochter verzweifelt und überfordert

Niel (m, 40) aus Wedel:

Hallo,

ich bin mit der Situation mit meiner Stieftochter verzweifelt und überfordert. Ich bin in ihr Leben eingetreten als 15 Jahre alt war, die Erziehung ist vermutlich überwiegend abgeschlossen. Ich liebe sie wie meine eigene Tochter und habe gelernt, dass Genetik nicht das ausschlaggebende Kriterium ist, um sie in mein Herz einzuschließen. Leider denke ich häufig darüber nach, ob das nicht stimmt bzw. für mich in Frage stelle.

Wenn alles mit meiner Stieftochter aus ihrer Sicht gut läuft, ist alles ok. Sollte ich sie jedoch in Frage stellen, was Kleidung, Ausgehzeiten oder Beleidigungen in meine Richtung geht (Arschloch, Spast, „bist du behindert etc) bekommen wir uns in die Haare. Ihre Arroganz und Verhalten lösen Emotionen in mir aus, so dass wir uns einige Tage aus dem Weg gehen. Nach Gesprächen mit ihr ist sie verständnisvoll, aber sie kommt in Streitsitutionen nicht aus ihrem Muster heraus. Ich habe das Gefühl, dass ich eine Art „Schönwetter-Papa“ bin. Das Schöne nimmt sie mit, aber bei Kritik in Form von Fragen stellen, lehnt sie die ab.

Spielt Genetik doch eine Rolle? Sie ist jetzt 17, pubertätsbedingt passiert sehr viel. Eventuell bin ich auch nur enttäuscht, dass ich keinen Einfluss mehr habe und sie einfach machen lassen muss. Ich bin häufig in dem Zwiespalt, ob ich ihr etwas mitteilen kann/darf, da ich ja nicht der leibliche Vater bin oder genau das Gegenteil.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Hallo Niel,

ich danke für Ihre Anfrage. Ich kann es gut verstehen, dass Sie sich überfordert fühlen. Auch wenn Ihre Stieftochter pubertätsbedingt Rebellion und Abgrenzung für sich erproben muss, rechtfertigt es keinesfalls ihr respektloses und beleidigendes Verhalten.

Es klingt danach, als könnte sie sich in Streitsituationen nicht emotional regulieren. Sie wird ausfallend, abwertend und sehr verletzend. Es ist wichtig, dass Sie ihrem Verhalten Grenzen setzen. Sie lieben Ihre Stieftochter, sind ihr gegenüber sehr verständnis- und einfühlsam, stellen sich auch selbst in Frage, was positiv ist. Doch sie muss auch eine Streitkultur entwickeln lernen und das lernt sie vorrangig von ihren nahen Bezugspersonen. Sie erwähnen nicht, wie in ihrer Familie normalerweise mit Aggressionen umgegangen wird und welche Haltung Ihre Partnerin als Mutter dazu einnimmt und vertritt.

Sicherlich geht es auch darum, dass Sie den Einfluss auf sie allmählich verringern, damit sie ihre eigenen Lebenserfahrungen machen kann. Doch sie braucht auch weiterhin den Rückhalt ihrer Bezugspersonen, um sich immer wieder zu verorten. Insofern sollten Sie auch als Stiefvater weiter Orientierung anbieten, in dem Sie bestimmte Werte leben und vertreten. Sie braucht diese Klarheit und das Standing, um sich damit und daran zu erproben. Dabei spielt die genetische Herkunft erstmal keine Rolle. Was Sie erleben, könnte jedem leiblichen Vater auch in der Pubertätsphase der Tochter passieren. Im Gegenteil, Sie haben den Vorteil, dass Sie später dazu gekommen sind und auch mit mehr innerlicher Distanz auf das Geschehen blicken können, als es sonst vielleicht möglich wäre.

Es könnte gut sein, dass es noch andere schwelende Konflikte in Ihrer Familie gibt, die das Verhalten Ihrer Stieftochter mitbeeinflussen und begründen. Vielleicht trifft Sie eine Wut, die auch anderen Menschen gilt. Vielleicht hat sie generell Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Kontakt, ihre aggresssiven oder anderen Impulse zu steuern. Da ich nicht mehr darüber weiß, schauen Sie am besten, welche Anregungen meiner Beratung hilfreich für Sie sein könnten.

Ich möchte Ihnen empfehlen, sich ruhig mehr zu trauen, Ihre Stiefvaterrolle einzunehmen. Orientierung zu geben, heißt auch Grenzen zu setzen. Als Menschen entwickeln unser Sozialverhalten entlang von Grenzsetzungen von Außen, das ist sehr wichtig. Wenn sich dabei herausstellt, dass Ihre Stieftochter eigentlich noch andere Schwierigkeiten und Themen hat, wäre es gut, dies eventuell auch in einem therapeutischen Rahmen zu betrachten.

Ich wünsche Ihnen alles Gute,
viele Grüße

Anke Wagner
Heilpraktikerin f. Psychotherapie
Bewertung durch den Fragensteller:





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