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Emotionale Erschöpfung im Referendariat

Laura (w, 26) aus Vechta: Ich befinde mich aktuell im Referendariat und bin angehende Grundschullehrerin. Ich sitze gerade am Laptop und wollte meine To-Do Liste für den Unterrichtsalltag anfangen zu bearbeiten und bekomme von jetzt auf gleich eine Heulattacke. Es fühlt sich an wie ein Nervenzusammenbruch. Und das ist nicht das erste Mal, dass das passiert.

Ich fühle mich seit Monaten extrem gestresst, ich kann fast gar nicht mehr von der Arbeit abschalten, da ein Großteil meiner Vor-und Nachbereitung zu Hause stattfindet. Ich schlafe schlecht, ich träume wirres Zeug von der Schule, ich denke permanent an den Unterricht und mögliche Szenarien. Ich habe das Gefühl, dass ich trotz der ganzen Mühe, die ich in meinen Unterricht stecke nichts erreiche, dass ich zu viel falsch mache.
Vor Unterrichtsbesuchen plagen mich Tage vorher auch oft Versagensängste, ich traue mir dann selbst fast gar nichts mehr zu.
Mein ganzer Tag dreht sich um die Arbeit und wenn ich mit der Vorbereitung fertig bin dann geht das Gedankenkarussell los, was den nächsten Tag wieder schief geht. Ich bin in der Schule seit einigen Wochen auch total vergesslich, kann mir die einfachsten Organisationsdinge oder Sachen die mir Kolleginnen sagen, nicht merken. Es fühlt sich so an, als würde ich einfach nur neben mir stehen.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Laura,

zunächst möchte ich Ihnen sagen: Es berührt mich sehr, was Sie in Ihrer Nachricht schildern. Sie befinden sich in einer besonders herausfordernden Lebensphase – das Referendariat, verbunden mit einem hohen Anspruch an sich selbst, einem enormen Arbeitsaufwand und ständiger Bewertung. Unter diesen Umständen sind die Gefühle, die Sie erleben – Überforderung, Versagensängste, emotionale Zusammenbrüche – keine Schwäche, sondern ernst zu nehmende Signale Ihres Körpers und Ihrer Seele, dass etwas zu viel geworden ist.

Ihre Schilderungen sprechen von einem Zustand tiefer Erschöpfung. Wenn Tränen plötzlich fließen, wenn das Gedankenkarussell kaum mehr stillsteht, der Schlaf unruhig wird und selbst einfache organisatorische Dinge schwerfallen, dann ist das oft Ausdruck eines seelischen Erschöpfungssyndroms. In der Fachsprache sprechen wir auch von emotionaler Dysregulation und beginnender psychischer Überlastung – häufig ein Warnsignal, das nicht übergangen werden sollte.

Bitte erlauben Sie mir einige Impulse, die Ihnen in dieser Situation helfen könnten:

1. Erlauben Sie sich, innezuhalten.

Sie müssen in diesem Moment nicht funktionieren. Nehmen Sie sich einen Augenblick, in dem Sie sich ganz auf Ihren Atem konzentrieren. Spüren Sie den Boden unter Ihren Füßen. Diese einfachen, körperbezogenen Übungen können helfen, den ersten emotionalen Druck zu lindern. Auch Weinen ist ein Ausdruck innerer Entlastung. Geben Sie sich dafür Raum, ohne sich dafür zu verurteilen.

2. Erlauben Sie sich, Hilfe anzunehmen.

Vielleicht gibt es eine Person in Ihrem Umfeld, der Sie sich anvertrauen können – eine Kollegin, eine Vertrauensperson im Seminar oder im privaten Kreis. Ebenso möchte ich Ihnen ans Herz legen, psychologische Begleitung in Erwägung zu ziehen. Die Symptome, die Sie beschreiben, sind sehr ernstzunehmen – und professionelle Unterstützung kann helfen, Wege zurück zu mehr innerer Stabilität und Kraft zu finden.

3. Erlauben Sie sich, Grenzen zu setzen.

So schwer es fällt: Setzen Sie sich klare Grenzen im Alltag. Auch wenn es sich vielleicht so anfühlt, als dürfe nichts liegenbleiben – Ihre Gesundheit hat oberste Priorität. Eine Möglichkeit wäre, sich täglich nur drei machbare Aufgaben vorzunehmen. Und nach deren Erledigung bewusst eine Pause einzulegen, in der keine schulbezogenen Themen Raum bekommen.

4. Erlauben Sie sich, stolz auf sich zu sein.

Viele Referendarinnen geraten in eine Spirale der Selbstzweifel, wenn sie das Gefühl haben, ihre hohen Ansprüche nicht erfüllen zu können. Doch Sie dürfen wissen: Sie genügen auch dann, wenn etwas nicht perfekt läuft. Ihr Engagement, Ihre Hingabe und Ihre Menschlichkeit machen Sie zu einer wertvollen Lehrerin – gerade auch in Momenten der Verletzlichkeit.

Liebe Laura, ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie sich selbst mit derselben Fürsorge begegnen können, die Sie vermutlich auch Ihren Schülerinnen und Schülern entgegenbringen. Sie sind nicht allein mit diesem Gefühl. Und Sie haben das Recht, seelisch gesund zu sein.

Mit herzlichen und respektvollen Grüßen aus Bremen

Manja Biedermann
Heilpraktikerin für Psychotherapie





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