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Was kann ich gegen meine ausgeprägten Zwänge tun?

Karsten (m, 23) aus Berlin:

Ich habe gleich mehrere Zwänge. Darunter sind nämlich Putzzwang, Waschzwang, Kontrollzwang und Grübeln aufgrund von Sorgen. Was noch wichtig sein könnte, ist die Tatsache, dass ich den Wasch/-und Putzzwang mittlerweile gut Griff habe, aber dafür seltener sauber mache. Es würde mich jeden Tag überfordern. Ich brauche länger als alle anderen Menschen, weil alles ritualisch ablaufen muss und ich übergründlich bin. Wenn ich nicht alles gleich mache, habe ich das Gefühl, etwas übersehen zu haben, obwohl ich sehr gut aufgepasst habe, da ich gründlich bin. Dann fange ich an zu grübeln, ob ich wirklich nichts vergessen habe, um mir die doppelte Arbeit zu sparen. Der Realitätsverlust ist sehr gravierend und ich verliere mich oft in meinen Sorgen. Das hat schon den ganzen Tag so angedauert.

Die Zwänge finden sich in vielen Lebensbereichen.

Ich habe ein schlechtes Gefühl mit dem Umgang wichtiger oder teurer Dinge. Wenn ich einen USB- Stick vom Gerät entferne, schaue ich oft zisch Mal nach, ob noch alle Daten drauf sind und stecke es mehrmals ein und wieder raus.

Diese Krankheit findet immer neuen Spielraum und ich weiss nicht, was mein nächstes Problem sein wird. Vielleicht Angst um die Gesundheit, Angst um Besitz oder Angst um meine Zukunft. Die Absurdesten Dinge gehen mir durch den Kopf.

Wurde ich mit dieser Krankheit geboren? Oder kann es auch an der Erziehung liegen oder erbbedingt sein? Was kann ich selbst dagegen tun, bis ich mir professionelle Hilfe hole? Kann man sich überhaupt selbst helfen? Wie?

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Lieber Karsten,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage. Ihre Zwänge scheinen bereits sehr ausgeprägt, insofern werden Sie es höchstwahrscheinlich nicht allein schaffen, sich aus dieser neurotischen Struktur wieder zu befreien.

Wichtig ist zunächst zu verstehen, wofür diese Zwänge stellvertretend stehen. Zwangsgedanken und Zwangshandlungen kompensieren tiefer liegende Ängste. Die Ängste sind oft nicht mehr bewusst zugänglich, sondern in der permanenten Beschäftigung mit den Zwängen gebunden. Wenn man die Zwangshandlung unterlässt, treten Ängste auf, die sich erstmal nur vordergründig auf die Zwangshintergründe beziehen, z.B. die Angst vor Infektionen und Bakterien. Darunter liegen meist weitere Ängste verborgen, z.B. die Angst zu sterben, nicht zu existieren oder die Angst zu versagen. Diese Ängste können beispielsweise auch mit sehr frühen Geburtstraumata zusammenhängen (lebensbedrohliche Komplikationen bei oder nach der Geburt, OP- und Krankenhauserfahrungen, Wochenbettdepression der Mutter usw.)

Da Zwänge - bei allem Leid, das sie verursachen - auch sehr stabilisierend für die Psyche wirken, ist es für Betroffene meist schwer, sich in Therapie zu begeben. Denn ihre Gedanken und Zwangshandlungen 'versprechen' ihnen stets eine Sicherheit und Beruhigung, nämlich für den Moment der Handlungsausführung. Danach kehrt die Unsicherheit zurück, die Handlung muss wiederholt werden.

Sie sind also eigentlich auf der Suche nach Sicherheit - im Innen und im Außen. Wie weit Ihre Verunsicherung zurückgeht, vermag ich - ohne Ihre lebensgeschichtlichen Hintergründe zu kennen - nicht zu sagen. Zwänge sind jedoch nicht angeboren, sondern eine erworbene neurotische Störung. Sie können als Bewältigungsstrategie traumatischer Erfahrungen auftreten oder als begleitende Symptomatik einer depressiven Erkrankung und/oder Angststörung.

Der Erfolge einer therapeutischen Behandlung hängt davon ab, inwieweit man die Kraft und Resilienzfähigkeit besitzt, sich den tieferen Ängsten zu stellen. Manche Betroffene lernen in der Therapie einfach, mit den Zwängen leichter im Alltag zu umzugehen und gewinnen dadurch ein großes Stück Lebensqualität wieder zurück. Unbehandelt können sich die Zwänge weiter verstärken und auf andere Bereiche ausdehnen, so wie Sie es bereits erfahren.

Ich möchte Ihnen empfehlen, sich sehr bald professionelle, therapeutische Begleitung zu suchen. In Frage käme die kognitive Verhaltenstherapie. Sollten Sie über den Körper leichter einen Zugang zu Ihren Gefühlen finden, käme auch eine Körperpsychotherapie in Frage.

Ich wünsche Ihnen alles Gute -
viele Grüße

Anke Wagner
Heilpraktikerin f. Psychotherapie

Bewertung durch den Fragensteller:
Auf alle Punkte eingegangen und gut aufgeklärt. Danke.





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