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Habe ich eine Persönlichkeitsstörung?

Rusty (w, 15) aus Roggenburg: Hallo, ich habe in letzter Zeit öfters den Verdacht, dass ich unter einer Persönlichkeitsstörung leiden könnte. Ich weiß, dass es viele verschiedene Störungen gibt, deshalb beschreibe ich Ihnen mal eben auffällige Dinge. Ich habe zwanghafte Angewohnheiten wie Kleidung ohne Falten nach Farbe sortieren, Bücher nach Größe, Dinge symmetrisch anordnen usw. Ich denke nicht, dass wenn ich diesen Zwängen nicht nachgehe, dass jemandem was passieren könnte, vielmehr habe ich das Gefühl, die Kontrolle über mein Leben zu verlieren und bekomme Stress. Ich habe für mein Zimmer auch eine festgelegte Aufräum- und Putzroutine. Außerdem habe ich extreme Stimmungs schwankungen zwischen Euphorie und Niedergeschlagenheit, sowie plötzliche Motivationsverluste. Grundsätzlich bin ich aber ein optimistischer, einfühlsamer Mensch und viele Freunde kommen mit ihren Problemen zu mir weil ich ihnen oft beim Perspektivenwechsel helfen kann und sie aufmuntern kann. Zusätzlich mach ich mir selbst extremen Druck bzgl Schulnoten, ich zerbreche unter der Last wenn ich schlechte Noten habe. Dies geht alles von mir selbst aus. Ich bin auch eine extreme Überdenkerin und grüble über eigentlich alles nach. Mein Pferd ist für mich manchmal ein Therapeut und lässt mich für ein paar Stunden alle Sorgen vergessen. So. Ich stelle mir jetzt die Frage, was ist normal? Könnte ich tatsächlich unter einer Persönlichkeitsstörung wie Zwangsstörung oder ähnlichem leiden? Freundliche Grüße

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Rusty,

danke, für das Vertrauen, mit dem Sie sich an uns wenden.

Einmal die Woche beantworte ich eine Frage auf Psychomeda und ich habe heute Ihre Frage ausgewählt, weil Sie noch so jung sind und scheinbar ganz alleine mit Ihren Sorgen.

Gleich vorab: eine Zwangsstörung ist nicht per se eine Persönlichkeitsstörung. In Ihrem Alter und mitten in der Pubertät kann man sowieso noch nicht von einer Persönlichkeitsstörung sprechen, da die Persönlichkeit noch nicht voll ausgereift ist.

In den 'Angewohnheiten', die Sie schildern, kann man jedoch schon eine beginnende Zwangssymptomatik sehen. Ich möchte und kann an dieser Stelle jedoch keine Ferndiagnose stellen. Daher rate ich Ihnen, sich bei Ihrem HausärztIn eine gute Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin empfehlen zu lassen, bei der Sie sich bitte vorstellen. Diese kann dann eine gesicherte Diagnose stellen.

Sollten Sie tatsächlich eine Zwangsstörung entwickeln, dann sollten Sie diese schnellstmöglich behandeln lassen, da Zwänge dazu tendieren, sich auszubreiten und zu generalisieren. Der Therapeut oder die Therapeutin Ihrer Wahl sollte möglichst eine multimodale Verhaltenstherapie anbieten und Erfahrungen mit Zwängen haben. Sie können sich im Netz bei der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V. www.zwaenge.de noch weiter kundig machen. Diese finden Sie auch auf Facebook. Einfach mal stöbern.

Sehen Sie sich zusätzlich die Videos auf meinen YouTube Kanal an. Vor allem die Playlists „NARM- die 5 Kernressourcen“, sowie 'Bindung und Wissenschaft'.

https://www.youtube.com/c/TraumaTherapie

Wenn Sie sich dort wiederfinden, kann Ihnen das Orientierung und Unterstützung bieten. Sie sollten wissen, dass jede Symptomatik, auch eine möglicherweise beginnende Zwangssymptomatik, ihre Wurzeln in einer nicht ausreichend Sicherheit bietenden Beziehung zu den Beszugspersonen der Kindheit (meist sind dies die Eltern) hat. Wenn die Bindungsbeziehung eher Druck vermittelt, oder (auch unausgesprochene) hohe Leistungsanforderungen stellt, und zugleich nicht ausreichend Sicherheit, Unterstützung, Fürsorge, Zuversicht, Orientierung etc. bietet, dann ist dies eine masslose Überforderung für das Kind und den Heranwachsenden. Es hat dann nicht die Mittel zur Verfügung, die es braucht, um das eigene Leben in einer gesunden und adequaten Weise zu gestalten.

Um es ganz eindeutig zu sagen: wenn Sie Symptome entwickeln, dann ist das nicht Ihre Schuld, sondern, dann haben Ihre Bezugspersonen versagt.

Dann sind die Symptome (z.B. das Ausführen von Zwängen) in der jetzigen Situation der einzige Weg, mit den Gegebenheiten zurecht zu kommen, da bisher keine gesunden Lebensbewältigungsstrategien gelernt wurden.

Ihre Symptome sind, aus der Perspektive von Therapeuten, die, wie ich bindungsbasiert arbeiten, eine gesunde Reaktion auf ein versagendes Umfeld. Jetzt gilt es, 'nachzureifen', d.h. das zu lernen, was Sie bei Ihren Bezugspersonen nicht lernen konnten, um irgendwann auf die Durchführung von Zwängen verzichten zu können.

Sie befinden sich jetzt zudem noch in der Pubertät, eine Phase, in der eine immense Veränderung von statten geht, die noch mehr Verunsicherung hervorrufen kann. Lassen Sie sich durch diese Phase von einer erfahrenen Therapeutin begleiten und von Ihren Symptomen befreien.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen Orientierung bieten und Mut machen, eine Therapeutin aufzusuchen. Wenn ja, freue ich mich über eine entsprechende Bewertung. Alles Gute,

Ihre Marion Weber
Bewertung durch den Fragensteller:
Vielen Dank für die ausführliche Antwort, es hat mir sehr geholfen eine professionelle Einschätzung zu hören!





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