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Wie können wir unserem cannabissüchtigen Freund helfen?

Andre (m, 21) aus Pinneberg:

Hallo,

ein Freund von mir, ich nenne ihn einfach mal Thorben, hat folgendes Problem aus meiner bzw. unserer Sicht:

Seit dem ich Thorben kenne raucht er täglich mehrere Joints. Mittags und Abends einen und an den Wochenenden eine größere Menge. Er hat kein Interesse das Haus zu verlassen oder größere Aktivitäten mitzumachen, egal wie sehr wir ihn darum bitten. Nur selten ist er mal bei anderen Sachen dabei.

Er ist sich über die Nebenwirkung von dem was er raucht bewusst aber sagt, dass er nicht vor hat die nächsten Jahre damit aufzuhören. Ist das die Sucht die aus Ihm spricht oder gefällt es ihm einfach jeden Tag so zu verbringen?

Zudem ist er emotional komplett abgestumpft meines Erachtens. Weder schlecht noch gut gelaunt. Er möchte zwar das wir alle bei ihm mal die Tage vorbeischauen aber es ist bisher noch keine größere Unterhaltung/Diskussion zustande gekommen.

Seit kurzem ist sein Langzeitpraktikum mit Bezahlung vorbei und er steht derzeitig ohne Perspektive da. Er hat aber dennoch vor sich um eine Ausbildung zu bemühen. Ausbildungen beginnen meist im Sommer also ca. 6 Monate ohne Beschäftigung.

Zu mir und meinem Freundeskreis: Alle um die 20j alt. Alle Berufstätig.

Wir wollten ihn als Freund behalten und da stellt sich uns die Frage; Wie bekommen wir ihn dazu mehr mit uns außerhalb seiner Wohnung zu unternehmen, mehr an unseren Gesprächen teilhaben zu lassen und vielleicht ein weniger der Drogen zu konsumieren?

Wir würden uns sehr über eine Antwort freuen!

Vielen Dank!

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Hallo Andre,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage. Es ist toll, dass Sie und Ihre Freunde sich so um Thorben sorgen und sich fragen, wie sie ihm helfen können.

Ich finde, das was Sie von ihm berichten, klingt zunächst nicht sehr hoffnungsvoll. Wenn ich Sie richtig verstehe, raucht er bereits seit Jahren täglich seine Joints. Er zeigt kein großes Interesse mehr an Außenaktivitäten und sagt, dass er in den nächsten Jahren nicht vorhat, mit seinem Drogenkonsum aufzuhören.

Ich denke, dass Sie das richtig wahrnehmen und er mittlerweile emotional schon sehr abgestumpft ist. Das Problem ist, solange Thorben kein eigenes Interesse hat, seine Situation zu verändern, werden Sie ihm nicht helfen können. Denn Sie können ihn nicht zwingen. Erst wenn die Gefahr für Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegt, können Sie ihn gegen seinen Willen mit Hilfe des Sozialpsychiatrischen Dienstes in eine Klinik einweisen lassen. Eine Eigengefährdung würde z.B. vorliegen, wenn er nicht mehr isst und trinkt, völlig verwahrlost oder eine cannabis-induzierte Psychose entwickelt und dann psychotisch wird.

Da er also keine Einsicht in seine Sucht zeigt, können sie ihm als Freunde zwar zur Seite stehen, aber die Frage ist, ob das auf Dauer sinnvoll ist. Denn im Moment will er nur, dass sie alle paar Tage bei ihm vorbeischauen. Er ist dann immer weniger dazu gezwungen, das Haus zu verlassen. Gespräche scheinen mit ihm auch nur noch sehr eingeschränkt möglich zu sein. Sie können ihm also den Gefallen tun und ihn besuchen, aber es wird sich auf diese Weise wahrscheinlich nichts ändern, weil Sie unbeabsichtigt seine Suchtstruktur mitstützen. Solange seine Freunde nach ihm schauen, muss er ja nichts ändern und bekommt trotzdem die Aufmerksamkeit, die er noch braucht.

Die andere Möglichkeit ist, ihn zu konfrontieren. Ihm zu sagen, wie wichtig und wertvoll er ihnen als Freund ist, aber dass sie alle kein Interesse daran haben, ihm dabei zuzuschauen, wie er sich über die Jahre allmählich selbst zerstört. Und deshalb erstmal nicht mehr zu ihm kommen, so lange er sich weiter zukifft. Es kann sein, dass er sich dann verlassen von ihnen fühlt und zunächst mit Trotz und Abweisung reagiert. Dieses Alleingelassen werden kann dazu führen, dass er seinen Konsum erhöht, da er kaum Problembewältigungsstrategien hat, außer mit seiner Sucht schwierigen Gefühlen aus dem Weg zu gehen und sie zu dämpfen.

Es kann aber auch sein – und das kann ich aus der Ferne nicht einschätzen – dass etwas in ihm zur Besinnung kommt. Vielleicht nicht gleich in 3 Wochen, aber später in 8 Wochen. Dass ihm bewusst wird, dass er seine Freunde verliert, wenn er so weitermacht und dass er sich um eine Ausbildung kümmern muss. Sollte das nicht der Fall sein, können sie ihn nach 8 Wochen besuchen und nachsehen, wie es ihm geht. Sollten Sie und Ihre Freunde der einzige Außenkontakt sein, den er noch hat, wird sich ihr Rückzug auf jeden Fall auf ihn auswirken.

Andre, wie Sie merken, gibt es keine ultimative erfolgreiche Lösung. Suchtverhalten ist sehr schwer therapierbar und ohne Einsicht des Betroffenen geht eben gar nichts. Sie können als Freunde weiter zu ihm halten, aber lassen Sie sich nicht instrumentalisieren.

Vielleicht haben Sie auch Interesse daran, sich bei einer Drogenberatungsstelle noch genauer beraten zu lassen oder als so genannter „Nicht-Süchtiger“ an einer Narcotics Anonymus (NA) Selbsthilfegruppe teilzunehmen, um zu hören, wie schwer es schon für diejenigen ist, die bereits den Wunsch haben, aus ihrer Sucht auszusteigen. Dadurch wird sich Ihr Verständnis vertiefen und gleichzeitig lernen Sie, sich selbstverständlicher abzugrenzen, um auf Dauer die Rolle des hilflosen Helfer verlassen zu können.

Ich wünsche Ihnen, Ihren Freunden und Ihrem Freund Thorben alles Gute, wie auch immer sein weiterer Lebensweg aussehen mag -

mit herzlichem Gruß

Anke Wagner
-Heilpraktikerin f. Psychotherapie -

Bewertung durch den Fragensteller:
Kann zwar grade nicht viel verändern bin aber dennoch bin ich froh das Sie mir auf die gestellte Frage so professionell und schnell geantwortet haben!

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