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Partner hat wenig Lust auf Sex, aber befriedigt sich selbst

Anna (w, 24) aus Achern: Hallo,

ich bin mit meinem Partner (27) seit 1 1/2 Jahren zusammen und wir wohnen gemeinsam.
Wir sind eigentlich sehr glücklich miteinander, es gibt jedoch folgendes Problem:

Er hat kaum Interesse an Sex. Er kuschelt sehr gerne, aber bei Sex habe ich das Gefühl das er keine Lust darauf hat. Ich muss mich immer aufdrängen wenn ich mit ihm Schlafen will. Und meistens verdröstet er mich mit Sätzen wie z.B. „wir machen es morgen ok“. Ich würde mir wünschen das er auf mich zu kommt und ich merke das er mich wirklich will, mich begehrt, Lust auf mich hat und mir das auch zeigt.
Wir schlafen meistens nur alle 1 - 2 Wochen miteinander und dann auch nur weil die Initiative von mir kommt und er sich nach hartnäckiger „Verwöhnung“ meinerseits dazu herablässt.
Das Schlimme an der Sache ist für mich aber, dass ich oft „mitbekomme“ das er fast täglich, wenn ich abends schon im Bett liege und schlafe (oder morgens wenn ich schon bei der Arbeit bin), er im Wohnzimmer selbst Hand anlegt, obwohl wir die Stunden davor zusammen auf dem Sofa gekuschelt haben und er keine Lust auf Sex hatte.
Ich fühle mich dadurch so ungeliebt, bin voller Selbstzweifel und werde immer unzufriedener in der Beziehung. Wie kann es sein das mein Freund lieber selbst Hand anlegt, anstatt mit mir zu schlafen?
Ich habe das Thema auch schon des Öfteren angesprochen, aber er sagt nur das es nichts mit mir zu tun hat und er selber nicht weis wieso er das tut.
Haben Sie einen Tipp für mich, wie ich mit dieser Situation umgehen soll?

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Anna,

danke für Ihre Offenheit und Ihr Vertrauen, denn es ist nicht einfach das Thema Sexualität öffentlich anzusprechen.

Ihr Partner hat nur selten Lust auf Sexualität, jedenfalls seltener als Sie, und sie haben das Gefühl, dass er überhaupt keine Lust darauf hat. Er vertröstet Sie und Sie fühlen sich in Ihren Wünschen unerfüllt.
Trotzdem befriedigt er sich selbst, und er kann Ihnen nicht erklären, was ihn dazu treibt.

Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Verhalten verstörend ist und Sie zutiefst verletzt, denn Sie fühlen sich nicht mehr begehrt. Und auch wenn sie glücklich zusammen sind, fühlen Sie sich dadurch auch immer weniger geliebt. Und ich höre heraus, dass Sie sich hilflos fühlen. Und das Gespräch darüber in Ihrer Beziehung nicht wirklich möglich ist.

Deshalb möchte ich Ihnen vorab schreiben, wie großartig es von Ihnen ist, dass Sie auf Ihre verständliche Enttäuschung nicht mit Vorwürfen und Streit reagieren, sondern Hilfe suchen!

Erlauben Sie mir kurz ein paar Worte zu sexueller Lust und Leidenschaft. Auch wenn wir Menschen sexuelle Wesen und zu großer Lust und Leidenschaft fähig sind, ist diese doch bei uns Allen extrem unterschiedlich ausgeprägt und vor allem sehr fragil und zerbrechlich.

Verringerte sexuelle Lust und Leidenschaft kann so unendlich viele Gründe haben, von denen die meisten wenig oder gar nichts mit Ihnen und der Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Freund zu tun haben. Ganz vorne dran als Kandidat für eine Ursache steht etwa Stress, vor allem auch beruflicher Stress.
Und jede Art von Druck verstärkt diesen Stress ebenso, wie Selbstverurteilung oder das Gefühl kein guter Partner zu sein. Es kann also gut sein, dass ihren Partner etwas belastet, über das es ihm schwer fällt mit Ihnen zu sprechen. Und das Thema Sexualität diesen Druck sogar noch weiter verstärkt.

Außerdem ist es fast immer so, dass einer der Partner in einer Beziehung ein stärkeres sexuelles Bedürfnis hat als der Andere. Das ist eben wie mit anderen Dingen auch. Beide mögen vielleicht Eiscreme, aber der eine am Liebsten jeden Tag und nicht jeden Zweiten. Aber innerhalb gewisser Grenzen lässt sich das wunderbar ausgleichen.
Manchmal kommt jedoch auch mal eine stärkere Unwucht in diese Dynamik, wenn sich zum Beispiel jemand unter Druck gesetzt fühlt. Denn auch hier gilt dasselbe wie bei anderen Arten von Stress: Die sexuelle Lust kommt mit Druck nicht gut klar und bleibt dann auf der Strecke. Und schon haben sich leicht unterschiedliche Bedürfnisse zu einem riesigen Unterschied aufgeschaukelt.

Ihrer Beschreibung kann ich leider nicht entnehmen, ob die Lust Ihres Partners im Verlauf Ihrer Beziehung geringer geworden ist, oder ob das auch anfangs auch schon so war. Vielleicht weiß er auch für sich selbst nicht genau, was ihm wirklich Lust bereitet. Einen Weg, das in einer Partnerschaft herauszufinden, bieten etwa die Sensate-Focus-Übungen.
Überhaupt bietet uns eine dauerhafte Paarbeziehung die einzigartige Gelegenheit eine gemeinsame Sexualität zu entwickeln, die tief in uns wurzelt und Menschen viel mehr verbindet und berührt, als es sexuelle Erfahrungen in kürzeren Beziehungen vermögen. Dazu gehört viel Selbsterkenntnis und Ausprobieren auf der Basis eines tief verwurzelten Vertrauens. Vertrauen, das im Bereich der Intimität auch erst durch diese gemeinsamen Erfahrungen auf der Basis bedingungsloser Akzeptanz entsteht.

Vielleicht versuchen Sie sich einfach eine gute, dafür reservierte Gesprächszeit zu schaffen, in der jeder von Ihnen urteilsfrei und ohne unterbrochen zu werden ganz offen und ehrlich ansprechen kann, wie es ihm damit geht. Mindestens 10 Minuten Zeit sollte jeder schon dafür bekommen. Und wichtig ist, dass das tatsächlich ohne Schuldzuweisungen und aus der eigenen, subjektiven Perspektive geschieht. Also etwa mit den Worten „ich erlebe …“ oder „ich fühle mich …“ und nicht „Du tust …“ oder „Du verletzt mich …“. Achten Sie dabei auch gut darauf sich nicht gegenseitig unter Druck zu setzen.

Wenn Ihnen das schwer fällt, es nicht funktioniert oder einer von Ihnen Beiden sich einfach nicht öffnen kann, dann würde ich den Weg zu einer Paar- und Sexualberatung/-therapie empfehlen. Es gibt hierfür sowohl kostenlose Angebote bei öffentlichen Beratungsstellen, als auch private Angebote für Selbstzahler, wie mein eigenes.

Wichtig finde ich auch Ihnen zu vermitteln, dass „selbst Hand anlegen“ nicht so viel mit dem gemeinsamen Ausleben von Sexualität zu tun hat, wie es auf den ersten Blick scheint. Oft dient dies nur dazu eigenen Druck „abzulassen“. Während gemeinsam erlebte sexuelle Leidenschaft den Charakter von geteilter Intimität hat. Beim Sex sind wir Menschen eben sprichwörtlich „nackt“, und das nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Gemeinsamer Sex setzt voraus sich öffnen und aufeinander einlassen zu können, den Kopf auszuschalten und sich fallen zu lassen.
Ist das nicht möglich, dann bleibt eben noch das „Hand anlegen“ als sexuelles Ventil, und das geht bei Männern eben meistens auch dann noch, wenn „mann“ eigentlich gar nicht richtig bei sich ist.

Ich wünsche Ihnen Beiden auf jeden Fall viel Liebesglück und eine erfolgreiche Bewältigung dieses Problems.

Und ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort helfen – und vor Allem auch ein wenig Erleichterung und Zuversicht mitgeben!

Gerne können Sie mich bei weiteren Fragen auch direkt kontaktieren.
Und über einen Kommentar, ob Ihnen diese Antwort weiterhilft, würde ich mich sehr freuen.

Herzliche Grüße

Steff Huber

Systemischer Paar- und Sexualtherapeut
Heilpraktiker für Psychotherapie

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