Navigation Psychomeda.de
Das Psychologie-Portal

Integrationshilfe ist wichtig

Fachlehrerin (w, 48) aus Stockach: Liebes Beratungsteam,

als Lehrerin hab ich vor 3 Wochen eine 8. Klasse übernommen, in welcher u.a. ein Junge aus Slowenien ist, der dem Unterricht auf Deutsch kaum folgen kann. Im Einzelgespräch fragt er oft nach, bemüht sich aber.

Ich unterrichte auch seinen Bruder, der in der 6. Klasse gar nicht mehr als Ausländer wahrgenommen wird, so gut kann dieser die Sprache bereits.

Der ältere Bruder leidet enorm unter Heimweh und sitzt einfach nur still da. Er ist sehr höflich und macht alle Aufgaben, aber es geht ihm ganz offensichtlich schlecht. Viele ignorieren ihn mittlerweile, da er nicht stört, aber so kann das nicht bleiben. Sein Bruder sagt, er wäre auch schon 'zu Hause' (Slowenien) sehr still gewesen, aber nicht so wie jetzt.
Der Junge ist ein guter Fußballspieler und einige Jungs, mit denen er sich gut versteht, haben ihn mitgenommen in ihren Verein. Er kam ein paar Wochen zum Training, hat aber wieder aufgehört. Er hat -was typisch für Heimweh ist- keinen Antrieb. Ein Gespräch mit den Eltern hatte ich noch nicht, da ich die Klasse erst so kurz habe und gerne erst einen Weg wüsste, den wir gemeinsam gehen können.

Nun meine Frage: Wie kann ich dem Jungen aus seiner schwierigen Situation, die sich auch nicht ändern wird, einen Weg zeigen und ihm die Freude am Leben wieder geben?
Einen Baum pflanzen als Neuanfang? Dazu müsste er erst einmal gegen das Heimweh ankämpfen wollen.

Ihnen allen vielen, vielen Dank für Ihre Arbeit!!!

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Fachlehrerin,

vielen Dank für Ihre Anfrage und für Ihr Bemühen um den Jungen! Das ist ja leider nicht selbstverständlich. Finde ich toll, dass Sie sich da Gedanken machen und Lösungen finden wollen! Dabei versuche ich Sie gern zu unterstützen.

Ich sehe das ähnlich wie Sie, dass der Junge Unterstützung bei seinen Heimweh-Gefühlen und auch bei seinen Deutschkenntnissen bräuchte.

Ich habe selbst einige Patienten aus Kroatien und Slowenien in Behandlung und in diesem Kulturkreis ist es leider noch mehr als in Deutschland, dass über psychische Probleme und Belastungen wenig gesprochen wird. Besonders bei Männern und Jungen. Daher vermute ich, der Junge hat keinen Ansprechpartner für sein Heimweh und seine Probleme sich hier zu integrieren. Wie er beschrieben wird, ist er von seiner Grundstruktur her eher introvertiert, was ihm das Ganze nicht einfacher macht.

Ich denke da wäre ein Ansatz von mehreren Seiten nötig, um ihm das Einfinden hier leichter zu machen. Er bräuchte jemanden, wo er Vertrauen aufbauen kann und über seine Gefühle sprechen kann. Ich weis nicht, ob das für Sie zeitlich möglich wäre. Vielleicht gibt es an Ihrer Schule auch die Möglichkeit zum Schulpsychologen oder Vertrauenslehrer zu gehen. Ansonsten könnte ein externer Therapeut hilfreich sein.

Das zweite Hindernis, welches ihn das Einleben schwer macht, ist die Sprachbarriere. Dadurch ist er noch mehr isoliert, sowohl im Austausch wie es ihm geht, als auch im neue Kontakte finden. Daher denke ich wäre es wichtig, dass er da Sprachunterricht hat, besonders das Deutsch Sprechen Üben ist da wichtig. Gibt es da Möglichkeiten an der Schule?

Oder gibt es ein Tutorenprogramm durch Mitschüler an Ihrer Schule, die bei Eingewöhnung oder Sprachunterricht etwas unterstützen können?

Auch wäre es interessant herauszufinden, warum der Junge nicht mehr zum Fußball geht. Sport ist gerade bei Jungs ein sehr gutes Mittel in Kontakt zu kommen und v.a. sich als selbstwirksam und Teil von etwas zu erleben. Ich denke, es wäre wichtig für ihn da wieder einen Weg zu finden, dass er da wieder hin geht. Reden Sie mit ihm, finden heraus, warum er das nicht mehr macht und was er braucht um wieder hinzugehen.

Ihren Gedanken die Eltern einzuladen würde ich auch aufgreifen und umsetzten. Einen Versuch ist es wert. Auf alle Fälle wäre es wichtig, dass die Eltern Bescheid wissen, über die Integrationsschwierigkeiten ihres Sohns. Auch könnten Sie mit diesen Möglichkeiten besprechen, wie Sie weiter miteinander vorgehen könnten, Schulpsychologe, anderer Therapeut oder Berater, andere Hilfsmöglichkeiten, Sprachunterricht, wieder zum Fußball gehen…

Ich weis, Sie haben einen recht straffen Lehrplan, aber vielleicht gibt es auch ab und zu die Möglichkeit eine Stunde für das Thema Ankommen in einem neuen Land und Integration, welche Schwierigkeiten es dabei gibt, usw. aufzugreifen. Dies könnten Sie vielleicht in Kleingruppen- oder Teamarbeiten, anregen, mit kurzen Filmen oder Geschichten und Gespräch darüber. Mögliche Fragestellungen könnten hier sein, „Wie würde es mit damit gehen, wenn ich mit meiner Familie in ein fremdes Land ziehen müsste, dessen Sprache ich nicht kann?“, „Was denke ich wäre schwierig dabei, was wäre gut?“, „Was würde mir das Einleben leichter machen?“, „Was würde ich am meisten vermissen?“, „Kenne ich jemanden, der das gemacht hat?“, usw. Da gibt es auch tolle Bücher für Interaktionsgruppen und Übungen.

Ich denke in der Klasse gibt es sicher noch andere Schüler mit Migrationshintergrund, die zu dem Thema einiges beitragen könnten. Auch wäre interessant bei den Deutschen Mitschülern das Thema zu aktivieren und ein Bewusstsein für die Schwierigkeiten zu aktivieren. Die Perspektivenübernahme anregen hilft da oft, deren Verständnis und so auch Hilfsbereitschaft anzuregen, in dem Sinne „wie würde es mit gehen wenn ich weg von meiner Heimat, meinen Freunden,… in ein fremdes Land müsste?“.
Auch würde es dem Jungen zeigen, dass er mit dem Thema nicht alleine ist und es auch anderen so geht und sich so vielleicht helfen, sich mehr zu öffnen. Auch bringen Team oder Gruppenarbeiten die Schüler untereinander mehr in Kontakt. Falls sowas nicht in Ihren Unterricht passen sollte, vielleicht können Sie eine Kollegin mit dem entsprechend passenden Fach anregen, dieses Thema aufzugreifen.

Vielleicht können Sie auch Kontakt zwischen dem Jungen und anderen Schülern aus anderen Klassen in der gleichen Situation herstellen, dass da ein Austausch zustande kommt. Oft kann da ein Austausch untereinander sehr helfen, mit anderen, die ähnliches erlebt haben. Besonders wichtig wäre, da beide Seiten dabei zu haben. Schüler, denen es leicht gefallen ist und die den Aspekt was hilft gut mit rein bringen und auch solchen, die Schwierigkeiten hatten, um dem Jungen zu zeigen, ich bin da nicht allein, es geht anderen auch so.

Tauschen Sie sich auch mit Kollegen aus, falls Sie das nicht schon getan haben. Sicher ist da der eine oder andere dabei, die ähnliche Situationen in Klassen hatten wie Sie. Wie sind die damit umgegangen, was hat geholfen?

Ich hoffe die Tipps und Anregungen konnten Ihnen etwas weiterhelfen! Über eine Rückmeldung und Bewertung von Ihnen würde ich mich freuen.

Falls Sie noch mehr Beratung oder Unterstützung möchten, ich biete auch Therapie und Beratung über Skype oder www.Sofadoc.de an. Sie können einen Termin mit mir vereinbaren unter 0160 350 7570 oder unter stephanie.neuwald@gmx.de.

Ich wünsche Ihnen und dem Jungen, dass Sie einen guten Weg! Bleiben Sie weiter so engagiert!

Alles Gute und herzliche Grüße,
Stephanie Neuwald
Bewertung:
Hallo Frau Neuwald,





Online-Beratung

Auf Psychomeda beantworten Psychologen und Therapeuten Ihre Fragen unentgeltlich. Jetzt online Ihre Frage stellen...


Therapeuten

Zuletzt aufgerufene Therapeuten-Seiten. Therapeut, Coach, Berater? Eintragen...


Beliebt auf Psychomeda


TwitterSocial Feed



Folgen Sie uns auf Twitter


Qualität

Psychomeda ist ein unabhängiges psychologisches Informations- und Beratungsportal von Psychologen und Therapeuten. Wir informieren evidenzbasiert und auf wissenschaftlicher Grundlage. Weiter