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Ritzen, Selbstverletzung, Körperschemastörung

gecko (w, 49) aus berlin: Während unseres Urlaubes habe ich beim Baden entdeckt, dass sich meine 14-jährige Tochter ritzt. Ich mache mir große Sorgen, dass sie in Stresssituationen ihr eigenes Handeln nicht mehr kalkulieren kann.

Es sind keine frischen Wunden mehr, aber tiefrote Striemen. Sie hat schon öfter erzählt, dass sie in Wut gerät und nicht weiß, wie sie ihren Zorn bändigen soll. Damit hat sie auch das Ritzen begründet. Vor einigen Monaten hatte ich bemerkt, dass sie sich am Finger absichtlich verletzt hat. Nach einem Gespräch hatte ich ihr geglaubt, dass das ein einmaliges Ausprobieren war.

Auch deswegen bin ich völlig aus der Fassung geraten, als ich die Striemen sah. Sie hat das mit Frust über die Schule begründet (ihre bislang sehr guten Leistungen, sie ist ehrgeizig, sacken zur Zeit spürbar ab) aber auch mit Minderwertigkeitsgefühlen, weil sie sich von Jungen nicht beachtet fühlt. Sie ist ein hübsches Mädchen, fühlt sich aber - unbegründet - zu dick. Äußerlichkeiten haben für sie einen extremen Stellenwert. Über Themen wie Schminken, nicht zu freizügige Kleidung geraten wir häufig in Streit.

Wir haben aber noch immer ein nahes Verhältnis, reden oft offen miteinander. Da ich wegen beruflicher Probleme derzeit selbst in einer instabilen Verfassung bin, fürchte ich (ich bin alleinerziehend. Ihr und auch mein Verhältnis zu ihrem nicht in Berlin lebenden Vater ist sehr gut), nicht rechtzeitig zu bemerken, wenn sie sich verstrickt. Deswegen suche einen Ansprechpartner, bei dem ich mit ihr gemeinsam psychologischen Rat einholen kann.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Gecko,

danke für Ihre Frage, in der praktisch alle 'typischen' Merkmale dieser tückischen Störung auftauchen! Ihre Sorge ist begründet, und daß Sie Hilfe suchen ist Ausdruck Ihrer Sorge und Ihres Willens, die Situation zu verbessern.

Als 'typische Elemente' betrachte ich folgendes: Nicht nur das Ritzen, sondern die gesamte 'körperliche' Thematik ist betroffen. Das Ritzen, die Körperschemastörung ('zu dick sein', obwohl hübsch und normalgewichtig) Schminken und Kleidung spielt alles mit hinein.

Ihre Reaktion, darüber in Streit zu geraten, ist verständlich, vielleicht aber auch genau das, was Sie beide unbewußt provozieren wollen. Häufig geht es darum, unbewußte und unverstandene Konflikte auf ein 'handfestes' Thema zu verschieben. Beteuerungen und Versprechen, sich nicht mehr selbst zu verletzen, sind ebenfalls die Regel, die leider nie eingehalten wird. Auch hier zeigt sich der extreme Wunsch, Beachtung und Zuwendung zu erfahren.

Auch der Wegzug eines Elternteils hat vermutlich erheblichen Einfluß auf die seelische Entwicklung, auch, wenn allgemein ein 'sehr gutes Verhältnis' festgestellt wird. Es sind eben die unbewußten, unausgesprochenen Inhalte, die typischerweise zur Selbstverletzung führen.

Ich empfehle Ihnen einen systemischen Therapieansatz. Speziell bei Jugendlichen kann die betreffende Person nicht ohne ihr direktes Umfeld, d. h. ihre Familie betrachtet und gegebenenfalls therapiert werden. Wenn Sie dauerhaft eine Besserung der Situation erzielen wollen, werden Sie nicht darum herumkommen, sich selbst als Teil dieser Situation zu begreifen und sich dort auch 'hineinzubegeben'.

Kontaktieren Sie - je nach Präferenz - zuerst den Hausarzt Ihrer Tochter, einen Kinder- und Jugendpsychotherapeuten oder einen Heilpraktiker für Psychotherapie. Sprechen Sie mit Ihrer Tochter darüber, daß SIE gemeinsam mit ihr eine Therapie machen möchten und bitten Sie sie um ihre Mithilfe. Je früher Sie den Weg beschreiten, desto günstiger die Prognose, seien Sie entschlossen!

Herzliche Grüße

Ihr

Holger Nikolai
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