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Verfolgung, Misstrauen und völlige Gefühllosigkeit nach einem Seminarbesuch

nangijala (w, 30) aus Hamburg: Hallo liebes Team,

mein Mann hatte im Oktober eine Psychose nachdem er an einem Seminar teilgenommen hat, dass offenbar grossen Leistungsdruck bei ihm verursacht hat. Er wurde verfolgt, er bezog alles auf sich (Zeitungsartikel usw...voellige Gefühllosigkeit und grosses Misstrauen). Es war so schlimm, dass er ein paar Tage in der Psychiatrie verbringen musste. Das verschriebenen Risperidon durfte er nach 6 Wochen absetzten.
Dann war alles gut, bis er vor ein paar Tagen erneut von einem Seminar wiederkam und wieder anfing einfache Dinge des alltäglichen Lebens in Frage zu stellen. Ich habe ihn sofort gebeten seinen Psychologen anzurufen. Da Wochenende ist, hat er keinen Gesprächstermin aber zumindest eine Packung Risperidon bekommen mit der er sofort beginnen konnte.
Einen Tag später macht er einen guten Eindruck auf mich. Er hat Einsicht, dass in seinem Kopf irgendwas verrückt spielt.

Er hat eine gute Stelle, tolles Gehalt, tolle Kinder und auch zu Hause läuft alles prima. Er ist auf seinem Arbeitsplatz hoch angesehen, evtl löst das in ihm den Leistungsdruck aus?

Wie wird es nun weitergehen? Offensichtlich wird es in seinem Leben zu weiteren Rückfällen kommen oder kann man diese mit Medikamenten vermeiden? Wird er weiterhin seinen Job ausführen können? Welchen Weg kann er gehen um diesen Leistungsdruck und die hohen Anforderungen an sich selbst los zu werden?

Ich bin sehr hilflos. da ich nicht weiss wie schlimm diese Psychose ist und in wie weit sie uns weiter im Leben begleiten wird.

Vielen Dank,
nangijala

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Nangijala,

Sie schildern ein sehr ernst zunehmendes Krankheitsbild Ihres Mannes, dessen Erscheinungsbild durchaus als dramatisch bezeichnet werden kann und viele Fragen, Sorgen und Ängste bei den Angehörigen mit sich bringt. Gerade bei den von Ihnen geschilderten Symptomen ist es ausgesprochen schwer, dass Angehörige, Freunde und das ganze Umfeld ein Verständnis hierfür entwickeln. Sie haben hieraus sehr verständlich eine Vielzahl an Fragen, auf die ich gerne einmal zumindest im Ansatz eingehen möchte.

Die Symptome Ihres Mannes zusammen mit der psychiatrischen Medikation durch ein Neuroleptikum deuten auf eine tiefgreifende psychische Erkrankung hin, bei der der Betroffene neben der von uns allen geteilten Wirklichkeit, eine andere nur für ihn wahrnehmbare Wirklichkeit lebensbestimmend erlebt. Dieses Erscheinungsbild kann sich in verschiedenen Störungsbildern zeigen. Es ist hierbei wichtig zu verstehen, dass es nach dem Stand der Wissenschaft sog. multifaktorielle Entstehungsursachen angenommen werden müssen. Diese hängen möglicherweise von genetischen, erblichen oder von anderen psychosozialen Faktoren ab. Hierbei können äußere Umstände ein auslösendes Moment sein, müssen es aber nicht (d.h. es muss nicht zwangsläufig ein Leidensdruck durch Überforderung und Stress z.B. aus der beruflichen Tätigkeit heraus vorhanden sein). Unabhängig davon, was nun den Ausschlag gegeben hat, geht man davon aus, dass diese Erkrankung mit einer Störung des Gehirnstoffwechsels verbunden ist. Genau dies macht diese Art der Erkrankung zu einem ernsten ärztlich, psychiatrischen Behandlungsfall, bei dem zunächst eine medikamentöse Behandlung, wie Sie sie kennen, im Vordergrund steht.

Ihr Ehemann und Sie haben sich in dieser schweren Situation völlig richtig ärztliche ambulante und stationäre Hilfe gesucht. In der akuten Phase hilft hier auch nichts anderes.

Was zunächst paradox klingen mag, aber je schneller, abrupter und heftiger die Symptome auftreten, desto besser ist die Prognose für eine schnelle Remission der Symptome. Leider kommt es in etwa bei einem Drittel der Betroffenen zu Rückfällen. Ihre Ärzte werden Ihnen sicher die Zusammenhänge mit der Einnahmenotwendigkeit von Neuroleptika genau erklären. Nach meiner Kenntnis müssen diese in der Regel über einen längeren Zeitraum genommen, um genau die Rückfallquote im ersten Jahr von 80% auf ca. 20% zu senken (so die Lehrbuchmeinung). Die Antwort auf Ihre Frage, ob Ihr Mann seinen Job weiter ausführen kann, ist natürlich sehr gewagt, aber ich denke, wenn er die Zeit zwischen den beiden Krankheitsphasen gut gemeistert hat und nicht unbedingt die berufliche Tätigkeit ein auslösendes Moment ist, bestehen da gute Chancen, dass die nicht familiäre Umwelt keine Notiz hiervon nehmen wird. Ihr Mann scheint wie Sie berichten nach dem ersten Schub und dem schnellen Abklingen der Symptome durch die Neuroleptika völlig problemlos seinen Beruf hat ausüben können. So dürfen Sie, denke ich, berechtigt optimistisch bei dem weiteren Behandlungsverlauf sein.

Ich meine, dass für Ihren Mann, Sie und Ihre Familie folgende Aspekte wichtig sind. Ihr Mann sollte sich unbedingt auch außerhalb der akuten Phasen über einen längeren Zeitraum ärztlich/psychiatrisch behandeln bzw. betreuen lassen, damit die Frage der medikamentösen Behandlung in fachlich versierten Händen liegt und Ihr Mann die Medikamente nicht ohne ärztliche Begleitung absetzt. Gleichzeit wäre für Ihren Mann eine supportive Psychotherapie sicher ein gutes Mittel, sich mit der Erkrankung an sich, den eigenen Anforderungen, Stress und anderen möglichen Problemen auseinander zusetzen. Für Sie und andere Familienangehörige wäre es sicher hilfreich, wenn Sie in Ihren Sorgen, Nöten und Ängsten eine bedarfsgerechte (vielleicht auch nur kurzzeitige) psychologische Beratung aufsuchen, in der man Ihnen ein tieferes Verständnis für die Erkrankung Ihres Mannes und dem Umgang damit vermitteln kann.

Ich hoffe, Ihnen wenigsten einige Einblicke gegeben und ein paar Fragen (wenn auch nur im Ansatz) beantwortet zu haben. Ich wünsche Ihnen viel Kraft und eine liebevolle vertrauenswürde Beziehung zu Ihrem Mann, eine wunderbare Familie und ein hilfsbereiten Freundeskreis, dann schaffen Sie und Ihre Familie diese Krise sicher zu bewältigen. Gerne stehen ich Ihnen für weitere Fragen zur Verfügung.

Herzliche Grüße

Ulrich Kritzner
(Heilpraktiker für Psychotherapie)





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