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Wie finde ich einen Therapeuten, der mir hilft, mich meinem Schmerz zu stellen?

Samuel (m, 54) aus Heidelberg:
Liebe Frau Wagner,

ich kann mich nicht erinnern, daß in meiner Kindeheit „Schlimmes“ geschehen ist, aber ich habe gelernt, daß es Liebe nur gegen Leistung gibt. Ich war oft wütend, aber hilflos, zuerst meinen Eltern gegenüber, später Mitschülern gegenüber, denn ich war stets der Kleinste und Schwächste.

Irgendwann habe ich angefangen, Emotionen nicht mehr zuzulassen, meine Verletzlichkeit zu schützen und andere (unbewußt) zu manipulieren. Ich wurde ohne dies zu wissen, zu einem Narzissten.

Im Laufe der Jahre sind alle meine Freundschaften kaputt gegangen und heute - nach fast 20 Jahren Ehe (mit Kindern] überlegt auch meine Frau, mich zu verlassen. Die drohende Einsamkeit bringt mich fast um. In Gesprächen (auch mit Therapeuten) komme ich nicht weiter, da ich alle (auch mich selbst) täuschen kann, um mich dem Schmerz und Leid nicht stellen zu müssen. Ich rede drum herum, rede mich heraus. Ich wende mich an Sie, da ich vielen ihrer Antworten hier eine große Klarheit und Deutlichkeit entnehmen konnte.

Was kann ich tun? Wie finde ich einen Therapeuten, der sich nicht an der Nase herumführen läßt, der mir helfen kann, mich dem Schmerz zu stellen? Welche Form der Therapie raten Sie mir? Achtsamkeit hilft leider alleine nicht.

Ich bin verzweifelt.

Mit besten Grüßen
Samuel

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Lieber Samuel,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage. Es ist von großem Vorteil, dass Sie sich selbstkritisch hinterfragen können und bereits den Wurzeln Ihrer narzisstischen Prägung auf der Spur sind. Ihre Bereitschaft, sich professionelle Hilfe zu suchen, ist auch gegeben. Doch Sie merken, dass Sie sich und Ihre Therapeuten täuschen und die Therapie deshalb nicht greifen kann.

Ihre Frage ist nun, wie Sie einen Therapeuten finden können, der sich nicht täuschen lässt. Aus dieser Frage entnehme ich Ihren tiefen Wunsch nach Veränderung und dass Sie gleichzeitig glauben, jemand anders müsste den Weg zu Ihnen finden, damit Sie heilen können. Ich gebe Ihnen Recht, dass die therapeutische Beziehung absolut stimmig sein sollte. Doch Therapie kann nur wirken, wenn man sich ihr gegenüber öffnet. Die Frage könnte also heißen: Wie finde ich einen Therapeuten, dem ich einigermaßen vertrauen kann, um mich allmählich meinem tieferen Schmerz gegenüber zu öffnen?

Narzisstische Persönlichkeitsstörungen gelten im Allgemeinen oft als therapieresistent und Sie erfahren gerade selbst, warum dies der Fall ist. Weil die Angst vor der Konfrontation mit dem frühkindlichen Schmerz so groß ist, dass man glaubt, dies nicht zu überleben und so weiter hinter seinen manipulativen Schutzmauern bleibt. Diese Überzeugung mag nicht bewusst zugänglich sein, doch Ihre Seele schützt sich, als würde es weiterhin um ihr pures Überleben gehen. Nach Ihren lebensgeschichtlichen Erfahrungen zu urteilen, war dies für Sie auch tatsächlich für eine lange Zeit überlebenswichtig.

Sie haben es nun zu einer Meisterschaft gebracht, andere zu manipulieren und sich dadurch zu schützen. Leider geschieht nun das, was Sie eigentlich verhindern wollen, dass Sie andere Menschen durch dieses Verhalten verlieren. Die drohende Einsamkeit ist das, was Sie eigentlich vermeiden möchten. Doch Ihr Verhalten verhindert echte Nähe, Liebe und Kontakt.

Es ist in diesem Fall nicht so leicht, aus der Ferne Therapieempfehlungen auszusprechen. Wenn Sie begabt im Reden sind, könnte eine Körperpsychotherapie/ Körpertherapie eventuell hilfreicher sein. Den Zugang über den Körper und den damit verbundenen Emotionen zu finden, könnte ein Türöffner sein, der Ihnen ermöglicht, mit Ihrem Schmerz dosiert in Kontakt zu kommen. Psychodynamisch betrachtet, geht es bei der narzisstischen Störung um die ersten Lebensjahre. Da wir in der Zeit noch nicht sprechen und auch noch nicht kognitiv Erfahrungen verarbeiten können, ist diese Lebensphase meist nicht über die Sprache zugänglich.

Es kommen also viele Faktoren zusammen, die eine Therapie zu einer wirksamen Behandlung werden lassen. Ich könnte mir vorstellen, dass Therapeuten mit Schwerpunkt Trauma bzw. frühkindliches Trauma eher in Frage kämen. Es gibt verschiedene Methoden wie z.B. NARM nach Laurence Heller oder Somatic Experiencing (SE) nach Dr. Peter A. Levine. Lassen Sie sich nicht von dem Begriff Trauma irritieren, er wird hier viel weiter gefasst und verstanden.

Abschließend möchte ich Sie einfach ein wenig ermutigen, sich aus der Umklammerung Ihrer Schutzmechanismen zu lösen und die Erfahrung zu machen, dass genau Ihre Verletzlichkeit der Schlüssel zu wirklich authentischer Beziehung und Nähe zu anderen Menschen sein wird und erst dann eine tiefe Bindung möglich ist.

Es gibt keinen Umweg. Ich bin sicher, dass Ihr enormer Leidensdruck zugleich die Kraft beinhaltet, die Sie brauchen, um Ihren Heilungsweg zu gehen. Das wird nicht leicht - doch Sie können es schaffen.

Ich wünsche Ihnen alles Gute. Über ein kurzes Feedback bzw. eine Bewertung würde ich mich freuen.

Viele Grüße

Anke Wagner
Heilpraktikerin f. Psychotherapie



Bewertung durch den Fragensteller:
Hallo Frau Wagner, das war das sinnvollste und hilfreichste, was ich bisher gehört habe. Herzlichen Dank!





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