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Hat unsere Beziehung langfristig eine Chance?

Nele (w, 15) aus Oberhausen:
Liebes Psychomeda Team,
Ich bin seit ein paar Tagen mit einem Jungen zusammen, den ich auch sehr liebe. Wir waren zunächst Freunde, nun ist daraus eine Beziehung entstanden.

Das Problem bei der Sache ist nur - wir beide sind aufgrund unserer Vergangenheit psychische Wracks und mehr als instabil. Er leidet an der Borderline Störung, hat ab und zu Ausraster, starke Stimmungsschwankungen, und neigt zum Medikamentmissbrauch.

Ich selbst leide wahrscheinlich an der gleichen Störung, habe allerdings noch keine endgültige Diagnose. Meine stärksten Symptome sind andauerndes Leeregefühl, Stimmungsschwankungen, zeitweise Angst vor Nähe, selbstverletzendes Verhalten und Instabilität in Beziehungen (bis jetzt nur bezogen auf Freundschaften).

Sowohl ich als auch mein Freund haben mehrere Selbstmordversuche hinter uns und verletzen uns selbst. Momentan sind wir noch sehr glücklich, aber dennoch habe ich ein paar Zweifel...
Tut diese Beziehung uns wirklich gut? Ist es gut,dass wir beide schlimme Erfahrungen gemacht haben und unter der selben psychischen Störung leiden, weil wir mehr Verständnis für einander haben, oder ist die Gefahr größer dass wie uns gegenseitig 'runterziehen'?

Hat diese Beziehung überhaupt eine Zukunft?
Ich liebe ihn und er mich, diese Zweifel wären also auf keinen Fall ein Grund, mich zu trennen. Trotzdem würde mich der psychologische Aspekt interessieren.
Danke im Vorraus!
Liebe Grüße, Nele.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Nele,

ich danke dir für deine ausführliche Anfrage, die mich sehr berührt hat. Mein Eindruck ist, dass du bereits sehr selbst reflektiert bist und das ist gleichzeitig deine und eure Chance.

Dass ihr beide traumatische Erfahrungen gemacht habt, kann euch sehr verbinden und eure Beziehung und Liebe zueinander stärken. Ihr könnt verständnisvoller und einfühlsamer miteinander sein, weil ihr die jeweiligen emotionalen Zustände und Verzweiflungen gut kennt. Ihr müsst euch nicht aus Unverständnis bekämpfen.

Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, dass ihr euch gegenseitig runterzieht oder euch irgendwann in aggressiven Auseinandersetzungen verliert. Wenn der eine gerade wieder einer depressiven Stimmung versinkt, ist es für den anderen Partner wahrscheinlich schwer z.B. in einer leichten, gut gelaunten Stimmung zu bleiben. Das ist schon grundsätzlich schwierig - in eurer Beziehung stellt es nochmal eine andere Herausforderung dar.

Ihr könnt euch also gegenseitig stützen und euch einfühlen, aber vereinbaren, dass ihr euch auch jeweils abgrenzen dürft. Diese Abgrenzung stellt keine Bedrohung für eure Beziehung dar, sie ist kein Liebesentzug und keine Bestrafung, sondern sorgt dafür, dass ihr eigenständig und auch unabhängig in eurer Partnerschaft sein dürft.

Das kann für die weitere positive Entwicklung eurer Beziehung ganz wichtig sein. Denn wenn Menschen mit traumatischen Lebensgeschichten aufeinander treffen und sich näher einlassen, besteht die Gefahr, dass sich eine zerstörerische Beziehungsdynamik entfaltet und man sich gegenseitig verletzt.

Es ist also wichtig für euch, immer wieder zu überprüfen: Bin ich noch verständnisvoll und einfühlsam? Wenn nicht - fange ich an, auf meinen Partner zu projizieren, d.h. ihn zu beschuldigen oder anzugreifen? Das heißt nicht, dass ihr euch nicht mal streiten dürft. Aber ihr müsst beide sehr achtsam im Umgang miteinander sein, um das Potential der zerstörerischen Borderline-Dynamik langfristig zu zähmen. Um ein symbolisches Bild zu nehmen, als würdet ihr Drachenreiten lernen, und zwar jeder seinen eigenen Drachen.

Vielleicht ist es auch hilfreich, wenn ihr euch therapeutische Unterstützung von außen dazu holt, in Form von jeweiliger Einzeltherapie oder auch gemeinsamer Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe. Ihr werdet am besten einschätzen können, ob das für euch Sinn machen würde.

Ihr könnt euch nicht gegenseitig retten, aber ihr könnt füreinander da sein. Da ist sehr sehr viel. Ob eure Beziehung Zukunft haben wird, vermag ich nicht zu sagen. Aber ihr habt die Chance, es zu verwirklichen.

Ich wünsche euch beiden von Herzen alles Gute dafür,
herzlicher Gruß

Anke Wagner
- Heilpraktikerin f. Psychotherapie -
Bewertung durch den Fragensteller:

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