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Wie komme ich aus dem Kreis der Trauer und Selbstvorwürfe heraus?

Klimt (w, 30) aus Frankfurt: Liebes Team,

mein Vater ist vor 13 Tagen plötzlich an einem Herzinfarkt verstorben und ich bin traurig. Die Beziehung zu meinem Vater war in meiner Kindheit sehr eng, wir waren tief verbunden und er hat mich bis zuletzt bedingungslos geliebt. Ich habe immer zu ihm aufgeschaut.

Vor 15 Jahren kam es zu einem Unglück, worauf hin mein Vater sehr viele Schulden hatte. Er verbitterte, aber übernahm keine Verantwortung. Wir wohnten weiter im großen Haus, jedoch ohne Strom und Heizung. Meine Mutter trennte sich und das brach meinem Vater das Herz. Er wollte sich das Leben nehmen und war kurzzeitig in psychischer Behandlung.

Wir hatten anfangs sehr regelmäßig Kontakt, aber mit der Zeit wurde es weniger. Es hat mir so wehgetan, meinen starken Papa so zu sehen und ich habe es nie lang ausgehalten... Er ließ sich gehen, war nie beim Arzt aber hatte einen riesigen Kropf, der ihn kaum atmen ließ.

Anfang des Jahres drängte ich ihn zu einer Op. Der stimmte er letztlich widerwillig zu, weil ich ihm sagte, dass er mir wehtut.

Nun ist er völlig unerwartet gestorben und ich bin zerfressen von Schuldgefühlen. Ich hätte ihm gerne noch gesagt, dass ich ihn liebe und dass er für alles nichts kann. Ich hätte ihn öfter besuchen & länger bleiben sollen. Jetzt kann ich nichts mehr ändern.

Komme ich alleine wieder aus diesem Kreis der Trauer und Selbstvorwürfe? Manchmal habe ich auch das Gefühl, die komplizierte Trennung meiner Eltern und den 'Verlust' damals von meinem Vater nie richtig aufgearbeitet zu haben.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Klimt,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage und möchte Ihnen zunächst mein tiefes Mitgefühl aussprechen. Es ist immer ein enorm einschneidendes Ereignis im Leben, wenn plötzlich ein nahestehender, geliebter Mensch stirbt. Sie waren emotional sehr innig verbunden mit Ihrem Vater. Als Kind haben Sie die Stärke an ihm bewundert und zu ihm aufgeschaut.

Nach dem Unglück - das Sie nicht genauer beschreiben - verbitterte Ihr Vater und übernahm keine Verantwortung für die Schulden. Er wollte die Lebensveränderungen nicht akzeptieren und wohnte mit seiner Familie weiterhin in einem zu großen Haus ohne Strom und Heizung, das er offensichtlich nicht mehr ausreichend finanzieren konnte.

Auch wenn ich nicht alle Hintergründe kenne, so kann ich es nachempfinden, dass Ihre Mutter sich in Folge dessen trennte. Daraufhin wollte Ihr Vater sich das Leben nehmen. Er war kurzzeitig in psychotherapeutischer Behandlung, die zunächst wieder stabilisierte. Doch er sah scheinbar keinen Sinn mehr im Leben, ließ sich gehen und ging mit seiner Erkrankung nicht zum Arzt.

Ich verstehe, dass Sie es nicht ertragen konnten, Ihren starken Vater so schwach und resigniert zu erleben. Sie hielten an dem inneren, kindlichen Bild vom starken Vater fest - genau so wie er es letztendlichl auch für sich tat, indem er sich den veränderten Lebensumständen nicht stellen konnte und wollte.

Weil Sie seinen Zustand nicht länger ertragen konnten, drängten Sie ihn zu einer OP, der er widerwillig zustimmte. Ihr Vater wollte sich nicht operieren und behandeln lassen. Er tat es Ihnen zuliebe, doch sein Lebenswillen wurde dadurch nicht stärker und so ist er nun trotz OP plötzlich verstorben.

Ihr Vater wollte gehen. Es ist nicht notwendig, dass Sie sich in Schuldgefühlen ergehen, denn Sie haben nichts falsch gemacht. Sie hätten Ihren Vater noch gerne länger im Leben gehalten und mehr Zeit mit ihm gehabt. Das ist zutiefst verständlich. Doch dies war Ihr Wunsch, nicht seiner, sonst hätte er sich anders verhalten und gekümmert.

Ich bin sicher, dass Ihr Vater gespürt hat, dass Sie ihn lieben, so wie Sie Ihre Beziehung zueinander beschreiben. Sie bleiben beide in Liebe verbunden.

Sie können jetzt nichts mehr ändern, aber das müssen Sie auch nicht. Ihr Vater war ein erwachsener Mann, der Verantwortung für sein Leben trug. Sie waren nicht für ihn verantwortlich. Nicht für die Trennung Ihrer Eltern, nicht für die Schulden und auch nicht für seine Art und Weise mit bestimmten Erfahrungen umzugehen. Das hat er selbst entschieden. Geben Sie ihm diese Verantwortung zurück, dann werden Sie sich auch aus den verstrickten Schuldgefühlen lösen.

Ihre Trauer ist verständlicherweise groß und es ist wichtig, dass Sie sich dafür Zeit nehmen. Vielleicht mögen Sie ihm einen Brief schreiben, in dem all das formulieren, was Sie ihm noch gerne mitteilen möchten. Wenn er fertig ist, ziehen Sie sich an einen ruhigen, geschützen Ort zurück oder an sein Grab und lesen Sie den Brief laut vor. Danach verbrennen Sie ihn und lassen los, was Sie geschrieben haben.

Wenn Sie merken, dass es noch mehr gibt, das aufzuarbeiten wäre, nehmen Sie ein paar Therapiestunden und lassen Sie sich dabei psychotherapeutisch begleiten.

Ich wünsche Ihn viel Kraft und hoffe, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte. Über ein kurzes Feedback und eine Bewertung würde ich mich freuen.

Viele Grüße aus Berlin,

Anke Wagner
Heilpraktikerin f. Psychotherapie
Bewertung durch den Fragensteller:
Vielen Dank!





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