Wenn imaginäre Freundschaftenzum Lügen zwingen

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Doro,

vielen Dank für Ihre Offenheit und für die Schilderung Ihres Problems, welches ich recht interessant finde.

Interessant ist vor allem die Reihenfolge, mit der Sie Ihre Aufzählung an positiven und erfolgreichen Umständen beginnen :
Die eigene Firma, der nette Ehemann, die sehr gute Freundin. Daraus schließe ich zum einen, dass Ihrer Firma für Sie in der Tat wichtiger ist als Ihr Mann und Ihre Freundin.
Zum anderen erhalten Sie jedoch offenbar weder von der Firma, noch von Ihrem Mann und der Freundin, die Anerkennungen oder die Aufmerksamkeiten, die Sie sich für Ihr Leben wünschen. Möglicherweise liegt hierin die eigentliche Ursache Ihrer Lügen begründet, welche dann in der Erschaffung der imaginären, erfundenen Personen gipfeln.

Das ist zunächst einmal nicht wirklich etwas Schlimmes und kein Grund besonders besorgt zu sein. Viele Menschen ersinnen sich solche Freundinnen oder Freunde, sei es in der Form von Tagebüchern, sei es in der Form von imaginären Chat- oder Forumsteilnehmern.
Oftmals helfen diese - wenn auch nicht realen Personen - bei der emotionalen Verarbeitung und Überwältigung von Problemen, über die man mit sonst niemanden reden möchte oder reden kann. In den meisten Fällen sind die erfundenen Personen eine Art Spiegel in unser innerstes Selbst. Sie sind meist so, wie wir gerne wären : Klug, redegewandt, selbstsicher, kreativ, ungehemmt, usw.

Schwierig wird die Situation, wenn man nicht mehr Lage ist, klar und deutlich zwischen den imaginären Personen und der Wirklichkeit zu unterscheiden – oder, wenn man wie in Ihrem Falle, beginnt sich in seinen Unwahrheiten, (Tag-)Träumen oder auch Visionen zu verstricken.

Stellen Sie sich einmal die folgenden Fragen :

Was geben Ihnen die erfundenen Personen, was Ihr Mann oder Ihre echte Freundin Ihnen nicht geben kann ? Was fühlen Sie bei dem Gedanken, wenn Sie die imaginären FreundInnen aufgeben müssten ?
Was würde sich für Sie ändern ?

Je nach dem, welche Antworten Sie für sich auf diese Fragen finden, werden Sie möglicherweise auch den Grund für Ihr Verhalten herausfinden. Wenn Sie diese für sich selbst erkennen und akzeptieren können, wird es Ihnen möglicherweise auch leichter fallen, sich Ihrem Mann und Ihrer Freundin zu öffnen und die Wahrheit zu sagen.
Sprechen Sie dann ganz offen an, was Ihnen bisher gefehlt hat und was Sie sich wünschen.

Dieser Schritt erfordert sicherlich Mut und eine gewisse Nervenstärke, doch dürfte es für Sie leichter sein, von sich aus auf Ihre Mitmenschen zuzugehen und sich sich öffnen, als später beim Lügen von ihnen ertappt zu werden.
Die Wahrheit zu sagen bedeutet ja nicht, dass Sie völlig auf Ihre liebgewonnenen imaginären FreundInnen verzichten müssen. Vielleicht helfen sie Ihnen ja auch dabei, die für Sie richtigen Entscheidungen zu treffen.

Ich wünsche Ihnen von Herzen alles erdenklich Gute.

Thomas Dereser
Psychologischer Berater u. Personal Coach

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