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Sorge um die Freundin

Kathrin (w, 25) aus Kiel: Liebes Psychomeda-Team,

kürzlich erfuhr ich, dass meine beste Freundin ein 'Doppelleben' führt. Alle denken (auch ihre Eltern, die sie auch finanziell unterstützen), dass sie weit entfernt von ihrem Heimatort studieren würde. Durch Zufall erfuhr ich, dass sie das Studium angefangen aber abgebrochen und alle Freundschaften an ihrem Studienort beendet hat. Sie lebt dort nun seit etwa 2 Jahren allein und ohne zu studieren.

Auffällig sind ihre Angst und Schamgefühle. Sie hatte Angst vor dem Studium, Angst ihr 'Scheitern' einzugestehen und es anderen mitzuteilen (daher die Entfernung von Freunden am Studienort), Angst vor der Familie, die ihre 3 Kinder zur absoluten Elite triezt (schlechte Noten sind nicht erlaubt & der Abbruch des Studiums wäre eine Schande für die hochgebildete Familie). Angst davor, dass sich jemand um sie sorgen könnte, davor dass alle Lügen auffliegen und dass sie sich 'öffentlich' mit der Situation auseinander setzen muss.

Sie hat Angst sich zu öffnen und über ihre Gefühle zu sprechen. Des Weiteren spricht sie von Mobbingvorfällen in der Schulzeit und ist sehr unzufrieden mit ihrem Körper, obwohl sie sehr (fast zu) schlank ist. Sie hat z. B. auch Angst vor zu großer körperlicher Nähe. Seit neuestem traut sie sich nicht mehr richtig in die Stadt und ist insgesamt immer eingeschüchterter und verängstigter. Außerdem vermute ich, dass sie evtl. die Versagensängste und Schamgefühle in Aggression gegen die eigene Person umwandeln könnte.

Wie kann ich sie unterstützen? Ist hier eine Therapie ratsam?

Kathrin

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Kathrin,

Ihre Sorge um Ihre Freundin ehrt Sie sehr, es kommt nur zu oft vor, daß Freunde sich in der Not abwenden. Ihre Einflußmöglichkeiten werden jedoch sehr begrenzt sein. Sie beschreiben sehr ausführlich und fundiert die einzelnen Symptome, die insgesamt ein nachvollziehbares Bild ergeben, und insofern kann ich Ihrer abschließenden Frage nur zustimmen: Ja, ich halte es auf jeden Fall für dringlich, daß Ihre Freundin professionelle Hilfe in Anspruch nimmt.

Vielleicht haben Sie die Chance, sie für diesen Vorschlag zu gewinnen, wenn Sie sie darüber aufklären, daß solche Phasen von Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit und Angst auch körperliche Ursachen haben können, z. B. eine Dysbalance im Hormonstoffwechsel. Manche Personen können eine solche - durchaus mögliche - Ursache leichter akzeptieren als den Gedanken an eine seelische Störung.

In jedem Fall sollten Sie Ihrer Freundin den Vorschlag machen, mit Ihr gemeinsam einen Arzt oder Therapeuten aufzusuchen und Sie zu unterstützen, wenn Sie längerfristig Hilfe in Anspruch nimmt.

Gleichzeitig werden Sie dafür sorgen müssen, daß Sie selbst nicht 'mit hineingezogen' werden! Personen, die unter einer depressiven Syndromatik leiden, leiden häufig unter einer Ambivalenz: Einerseits suchen sie unbewußt Kontakt, Aufmerksamkeit und Unterstützung, andererseits lehnen sie jede Nähe und professionelle Hilfe ab. Freunde werden dann oftmals 'mißbraucht', indem sie zur Fürsorge aufgefordert werden, bei Forderung nach ärztlichem/therapeutischen Kontakt aber abgelehnt werden. Viele Bezugspersonen halten dieses 'Wechselbad' nicht lange aus und ziehen sich dann zurück.

Versuchen Sie also bitte von vornherein, klare Regeln und Bedingungen für Ihre Freundschaft aufzustellen. Das kann sowohl zeitliche Limitierungen beinhalten als auch den 'Handel', daß Sie Ihre Unterstützung nur gewähren, wenn gleichzeitig ein Arzt oder Therapeut eingeschaltet wird.

Das mag hart klingen, ist aber meist der einzige Weg, sowohl der hilfebedürftigen Person wie auch Freunden und Familie gerecht zu werden. Ihrer Freundin ist nämlich am wenigsten geholfen, wenn Sie selbst irgendwann ausgelaugt und erschöpft sind. Vielleicht sehen Sie auch die Chance, mit der Familie Ihrer Freundin Kontakt aufzunehmen, ohne den Aufenthaltsort Ihrer Freundin bekanntzugeben. Auch dort kann ein 'Handel' dann sinnvoll sein: Erst, wenn Sie den Eindruck haben, die Familie ist bereit, wirklich hilfreiche Unterstützung zu gewähren (z. B. eine therapeutische Familiensitzung durchzuführen etc.), informieren Sie Ihre Freundin darüber.

Das sind viele Aufgaben für Sie, doch haben Sie damit die Chance, einer Person in Not wirklich sinnvollen Beistand zu bieten! Ich wünsche Ihnen den Mut und die Ausdauer dafür!

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

Holger Nikolai
- Heilpraktiker f. Psychotherapie -
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