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Mir macht es schwer zu schaffen, Beziehungen einzugehen

Pav (m, 20) aus Bochum: Liebes Psychomeda-Team,

ich fühle mich so, als wäre ich in einer aussichtslosen Lage.
Mir macht es sehr schwer zu schaffen, dass ich nicht wie andere, Beziehungen eingehen kann. Ich hatte in meinem Leben nie viele Freunde, sondern nur sehr wenige. Ich habe zudem angst, mich Freunden zu öffnen und ich kann nur schwer über meine Familie reden. Ich kann nur darüber reden, wofür ich mich hobbymässig interessiere. Über meine Familie kann ich das nicht gut und worüber ich am wenigsten sprechen kann, hat mit Liebesdingen zu tun. Ich bin nicht in der Lage, etwas darüber von mir preiszugeben und ich könnte niemals mit einem Mädchen eine Beziehung haben. Dabei wünsche ich mir das am meisten, da ich weiß, dass ich nicht hässlich bin.
Folglich hatte ich noch nie eine Freundin. Es gab Mädchen, die was von mir wollten, aber von denen habe ich mich dann abgewandt. Ich habe dann in der Schule immer den Lernenden gespielt und nicht nur gespielt, sondern mein bisheriges Leben war immer darauf ausgerichtet so viel zu lernen, dass ich weiter komme und nur durch das Lernen fühlte ich mich glücklich.
Ich bin stundenlang allein und werde aggressiv und schlage auf mein Bett ein. Hinzu kommen Gedanken aus der Vergangeheit, wobei ich immer an Geschehnisse denken muss, bei denen mir unrecht angetan wurde. Dadurch bin ich voller Hass. Dieser Hass äußert sich selten nach außen hin, sondern bleibt innerlich und macht mich fertig.
Meine Frage ist, ob ich mich ändern muss?


Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Hallo Pav, vielen Dank für Ihr Vertrauen in das Psychomeda-Therapeuten-Team.

Sie schreiben, dass Sie sich in einer ausweglosen Situation fühlen. Es macht Ihnen schwer zu schaffen, dass Sie, nicht wie andere, Beziehungen eingehen können.

Ich finde, Sie reflektieren sich und Ihre Verhaltensweise sehr deutlich. Doch was mir auffällt ist, dass Sie sowohl sich selbst als auch Ihre Umwelt sehr negativ sehen und auch so empfinden. Sie sind stundenlang alleine und dann werden Sie aggressiv und schlagen auf Ihr Bett ein. Auch haben Sie oft Gedanken aus der Vergangenheit, an deren Geschehnisse Sie sich dann erinnern und bei denen Ihnen unrecht getan wurde. Leider schreiben Sie nicht, welche Geschehnisse das waren und in welchem Zusammenhang. Bei diesen Gedanken haben Sie das Gefühl des Hasses und natürlich macht dieses Gefühl Sie fertig.

Als Baby sind wir darauf angewiesen, dass unsere nahen Bezugspersonen sich optimal um uns kümmern und sich auch in uns einfühlen können, weil wir unsere Bedürfnisse noch nicht kognitiv bewusst in Worten ausdrucken, sondern nur mit Lauten und nonverbal vermitteln können. Doch für unser Überleben ist es absolut notwendig, dass sich andere in uns einfühlen können und für unser Wohl sorgen. Erst dann lernen wir auch im Laufe unserer eigenen Entwicklung, uns in andere hineinzuversetzen und einzufühlen. Da ich Ihren lebensgeschichtlichen Hintergrund nicht kenne, doch für Sie ist diese Einfühlung in andere Menschen nicht so selbstverständlich. Im Gegenteil, Sie haben Angst und ein Problem damit, sich in andere Menschen rein zu versetzen bzw. über Ihre eigenen Themen zu sprechen, bzw. auf andere Menschen zuzugehen und diese anzusprechen.

Doch um Beziehungen eingehen zu können, brauchen Sie jedoch die Fähigkeit der Einfühlung und des Mitgefühls mit anderen. Denn erst auf dieser Grundlage kann gegenseitiges Vertrauen und Sich-Anvertrauen entstehen und die Fähigkeit zur Hingabe wachsen. Ohne Vertrauen und Hingabe ist keine tiefere Beziehung möglich.

Im Moment tun Sie sich schwer, überhaupt Beziehungen einzugehen. Sie schotten sich emotional ab und sind nicht in der Lage über sich etwas zu berichten noch ein Mädchen anzusprechen.

Ich verstehe sehr gut, dass Sie sich nun die Frage stellen, ob Sie etwas an sich verändern müssen, denn so wie es momentan ist, fühlen Sie sich unzufrieden und natürlich auch alleine. Das hat jedoch weniger mit irgendwelchen Charaktereigenschaften zu tun, als vielmehr mit ihren heftigen Gefühlen von Misstrauen bzw. auch eine Mischung von Hass und Unverständnis. Dadurch fällt es Ihnen schwer, sich wirklich für einen tiefen Kontakt mit anderen Menschen (Mädchen/Freunden) zu öffnen.

Doch unsere Gefühle sollen uns zeigen, was uns gut tut und was nicht. Wenn wir angenehme Gefühle haben, dann sind unsere Bedürfnisse erfüllt – erleben wir dagegen unangenehme Gefühle dann sind unsere Bedürfnisse nicht erfüllt. Und unangenehme Gefühle kommen dann in den Momenten, in denen man sie am wenigsten erwartet und auch am wenigsten gebrauchen kann. Dann kann es so scheinen, dass Stimmungsschwankungen ohne Grund auf einen zukommen.

Sie schreiben auch, dass Sie Angst haben, sich Freunden gegenüber zu öffnen und Sie können nur schwer über Ihre Familie reden.

Ich finde, dass Ihre Schüchternheit auch mit Angst geprägt ist. Sie haben Angst davor, sich und Ihre Gefühle zu offenbaren und sich damit verletzlich zu zeigen. Denn das ist es, was eigentlich bei einem Kennenlernen/ Unterhaltung mit Mädchen und Freunden passiert. Man zeigt sich und öffnet sich für eine andere Person. Durch Ihre Angst, sich anderen gegenüber zu öffnen, befinden Sie sich in einem sogenannten Schutzmodus. Er schützt Sie vor Abweisung und vor seelischen Verletzungen, besonders, wenn es um emotionale Nähe geht.

Doch um ein Mädchen kennenzulernen und mit Freunden zu kommunizieren, ist es wichtig, dass Sie diesen Schutzmodus ablegen können. Um das zu lernen, könnte eine Therapie sehr nützlich und auch sinnvoll sein, da Sie somit die Gelegenheit bekommen, mit therapeutischer Unterstützung bestimmte Verhaltensweisen zu ändern und neue auszuprobieren.

Leider schreiben Sie nichts über Ihre Eltern bzw. über Ihre Kindheit, doch ich könnte mir vorstellen, dass Sie schon in Ihrer Herkunftsfamilie Zurückweisung erleben mussten. Deshalb ist es gut, wenn Sie sich therapeutische Begleitung suchen, um endlich auch die Erfahrung machen zu dürfen, wie es ist, wenn jemand zu Ihnen steht. Lernen Sie, sich jemanden anzuvertrauen und Ihre so genannte Schüchternheit verliert Ihre Kontrollfunktion und Sie kommen aus Ihrem Schutzmodus heraus. In therapeutischer Begleitung erfahren Sie mehr über die Hintergründe Ihrer Angst und Ihres Misstrauens und lernen im geschützten Rahmen sich emotional zu öffnen und Mitgefühl und Vertrauen zu entwickeln – für sich selbst und für andere.

Ich wünsche Ihnen viel Kraft und alles Gute

Mit herzlichen Grüßen
Silvia Exner
(Heilpraktikerin für Psychotherapie)
www.therapie-exner.de – info@therapie-exner.de

P.S. Ich würde mich freuen, wenn Sie diese kostenlose Antwort bewerten könnten und wenn möglich auch kurz kommentieren – Vielen Dank und alles Gute!

Bewertung durch den Fragensteller:
Ihre Antwort hat mir geholfen, Hintergründe etwas besser zu verstehen und sie ist wirklich ausführlich, für das, was ich im Kurzen geschrieben habe.

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