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Meine Freundin möchte beide Beziehungen leben

Sebastian (m, 22) aus Düsseldorf:

Hallo Psychologenteam

Ich war ein Jahr lang mit einer Zeugin Jehovas zusammen, bis die Beziehung auf Druck der Gemeinde beendet wurde. Ihr drohte andernfalls der Ausschluss aus der Gemeinde. Wir hielten jedeoch den Kontakt und schreiben uns seit 1,5 Jahren regelmäßig SMS und treffen uns heimlich. Die Liebe ist geblieben. Zu einer Lösung gekommen sind wir bisher noch nicht, zusätzlich hat sie meiner Meinung nach schwere Depressionen, lehnt aber Psychologische Hilfe ab.

Sie hat nun auf Ihrer Arbeit einen Mann kennen gelernt, mit dem sie zunächst nur freundschaftlichen Kontakt pflegte, der sie dann aber mehr und mehr angezogen hat, bis es zu einem Kuss zwischen den beiden kam. Nun ist sie plötzlich eine Beziehung mit ihm eingegangen, trotz der noch immer bestehenden Liebe zu mir, verhält sich mir gegenüber noch wie zuvor, küsst mich auch. Aber sagt, sie könne die Beziehung nicht beenden, da sich für sie beides richtig anfühlt.

Sie wiederholt das, was 2012 zwischen uns beiden passiert ist und stürzt sich hiermit noch tiefer ins Unglück. Sie ist zurzeit für keine Argumente zugänglich und lebt anscheinend in einer Scheinwelt mit dem Gedanken, dass es mit dem neuen anders werden könnte, jedoch steht wieder die Religion dazwischen.

Ich fühle mich für sie verantwortlich und könnte es mir nicht verzeihen, wenn sie wieder vor ihre Ältesten treten müsste, was sie gänzlich zerstören würde, aber zu wissen, dass neben mir jemand anders für sie da ist ist auch schrecklich für mich. Nun suche ich einen Weg richtig zu handeln.
schöne Grüße

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Hallo Sebastian,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Sie befinden sich in einer sehr besonderen Beziehungssituation und ich finde, dass Sie die Zusammenhänge sehr reflektiert wahrnehmen. Sie waren ein Jahr lang mit einer Partnerin zusammen, die den Zeugen Jehovas angehört. Auf Druck der Gemeinde mussten sie die Beziehung offiziell beenden. Da sie sich liebten, haben sie sich heimlich weiter getroffen. Eine Lösung bzw. eine Perspektive für Ihre Partnerschaft konnten sie bisher nicht gemeinsam finden.

Nun hat sich Ihre Partnerin auf einen anderen Mann eingelassen und auch mit ihm eine Beziehung begonnen. Für sie fühlt sich das richtig an und sie möchte beide Beziehungen weiter führen. Sie sehen das ganz richtig, dass Ihre Partnerin das wiederholt, was bereits 2012 zwischen ihnen passiert ist. Nur, dass sie sich jetzt weiter in eine aussichtslose Situation manövriert.

Denn in der Tat ist es so, dass es erstmal keine Lösung gibt. Außer sie verliebt sich in einen Mann, der ebenfalls den Zeugen Jehovas angehört. Das ist aber im Moment nicht der Fall.
So lange die Religion dazwischen steht, wird sie – und auch ihre Partner - keine Ruhe finden. Ihre Freundin weiß das, aber sie kann sich weder von der Gemeinde lösen, noch die Beziehung zu Nichtmitgliedern konsequent meiden. Sie steht zwischen den Stühlen und kann sich nicht positionieren. Sie haben ja auch die Vermutung, dass sie unter Depressionen leidet, sich aber keine psychologische Hilfe sucht, weil das von Ihrer Religion ebenfalls verboten wird.

Ihre Freundin fordert mit ihrem Verhalten die Umstände ihres Lebens heraus. Ich kann mir vorstellen, dass dieser Weg wichtig für sie ist, auch wenn es von außen betrachtet, riskant und wenig verantwortungsbewusst wirkt.

Interessant ist deshalb, dass Sie sich für Ihre Partnerin verantwortlich fühlen und versuchen, ihr die Verantwortung für ihr eigenes Leben abzunehmen. Auch wenn es Ihnen schwer fällt mitanzusehen, was aus dem Verhalten Ihrer Freundin resultiert. Es ist ganz wichtig, dass Sie sich nicht für sie verantwortlich fühlen, sondern ihren eigenen Weg gehen lassen. Denn Sie können sie nicht vor der Gemeinde schützen. In dem sie sich jetzt in einen anderen Mann verliebt hat, zeigt sie deutlich, dass sie ihren eigenen Weg weiter gehen will. Sie trägt auch das Risiko, das für sie damit verbunden ist.

Sie können Ihre Freundin aus vollstem Herzen lieben, doch treten Sie innerlich einen Schritt zurück. Sorgen und kümmern Sie sich um Ihre eigenen Empfindungen und Gefühle, z.B. darum, dass Sie sich verletzt fühlen, weil Ihre Partnerin nun plötzlich noch eine Beziehung zu einem anderen Mann eingegangen ist. Sie scheint sich nicht dafür zu interessieren, ob Sie darunter leiden und welche Auswirkungen ihr Verhalten auf ihre gemeinsame Beziehung hat. Wichtig scheint ihr einzig, dass sie weiß, dass sie beide Beziehungen leben möchte.

Wenn Sie also jemanden schützen möchten, dann eher sich selbst. Das Verhalten Ihrer Partnerin scheint mir unreif und wenig selbst reflektiert. Sie erschafft neue Abhängigkeiten, statt sich von alten zu lösen. Sie ist abhängig von ihrer Gemeinde und vielleicht gibt es einen Teil in ihr, der dagegen rebellieren möchte, aber sich nicht traut. Mir fällt der dazu der Vergleich mit strengen Eltern ein, von denen man als Jugendlicher einerseits abhängig ist, andererseits sich gerne dagegen auflehnen möchte, sich aber nicht traut und deshalb alles heimlich machen muss.

Heimlichkeit ist kein fruchtbarer Boden für die Entwicklung einer vertrauensvollen, langfristigen Beziehung. Insofern hatte Ihre Beziehung keine Zukunft, denn sie durfte im Leben Ihrer Freundin nicht real existieren und musste nach außen hin verleugnet werden.

Fragen Sie sich ganz ehrlich, was Sie sich wirklich von einer Partnerschaft wünschen und wie Sie Beziehungen leben wollen. Und ob das mit Ihrer Partnerin unter den jetzigen Bedingungen noch möglich ist. Und ob Sie bereit sind, weiterhin ein heimliches Verhältnis zu dritt zu leben, das ausschließlich dem Wunsch Ihrer Freundin entspricht.

Ich wünsche Ihnen alles Gute,

mit herzlichem Gruß

Anke Wagner
- Heilpraktikerin f. Psychotherapie -



Bewertung durch den Fragensteller:
Vielen Dank





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