Navigation Psychomeda.de
Das Psychologie-Portal

Ich muss schon sehr lange funktionieren und schauspielern

Rebekka (w, 38) aus Schweiz : Sehr geehrte Psychologen,

darf ich Sie bitte fragen, was ich gegen psychosomatisch bedingte Nackenschmerzen machen kann?

- Ich habe einen Beruf, der mich sehr fordert und wenig Raum für Privatleben lässt (Lehrer)

- Ich fühle mich einsam: Ich bin beruflich zu oft umgezogen (zuletzt vor Corona). Ich muss mir so immer etwas Neues aufbauen. Während Corona geht das nun nicht.

- Ich bin in einer Kinderwunschbehandlung, mit einem Berg an medizinischen Terminen, die ich vor meinem Arbeitgeber und meiner Familie verstecken möchte, und ständiger Enttäuschung.

- Ich mache zudem noch eine Fortbildung

- Psychotherapie kann ich nicht in Anspruch nehmen, weil kein Platz frei ist und weil ich damit meine berufliche Zukunft riskiere (Verbeamtung).

Ich sehe also nicht, wie ich an meiner Situation etwas ändern kann und weil ich seit Wochen/Monaten/Jahren im Wesentlichen 'funktionieren' muss:

Ein Beispiel: Als mir vom Labor nach Wochen der hormonellen Stimulation und 2 Vollnarkosen in 2 Monaten morgens mitgeteilt wurde, dass keine meiner entnommenen Eizellen sich normal entwickelt hat. Da musste ich weinen, hatte aber nur 5 Minuten Zeit dafür, da dann mein Unterricht begann. Also habe ich die Tränen abgewischt und 'umgeschaltet'. Ich habe noch nie so viel geschauspielert und noch nie ist es mir so schwer gefallen. Schauspielern muss ich schon lange. Ich kann das auch, aber es rächt sich jetzt durch psychosomatische Probleme.

Haben Sie einen Tipp für mich?

Vielen Dank und freundliche Grüssse!
Rebekka

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Hallo Rebekka,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage. Sie erkennen bereits selbst sehr gut, dass Ihre psychosomatischen Beschwerden mit Ihrem Druck, funktionieren zu müssen zu tun haben.

Sie schreiben, schauspielern müssen Sie schon sehr lange und das in vielen Lebensbereichen. Nackenschmerz symbolisiert häufig die Spannnung/ Trennung zwischen Verstand/Ratio und Emotionen. Ihre Seele und Ihr Körper geben deutliche Hinweise, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Doch Ihre geistig-mentale Haltung sagt, wir müssen weiter funktionieren, es gibt keinen Ausstieg. Ihr Leben scheint wie ein Karusell, aus dem Sie nicht aussteigen können. Die Pandemie verstärkt die Problematik, aber gleichzeitig wird auch deutlich, dass etwas nicht mehr stimmt.

Wenn Sie ein Leben leben, dass eigentlich nicht Ihres ist, das mehr daraus besteht, was Sie nach außen hin (oder gar vor sich selbst) vorgeben zu sein, wird eine enorme innere Stressanspannung erzeugt. Gleichzeitig müssen Sie noch darauf achten, Gefühle und Persönlichkeitsanteile zu verstecken, um weiter funktionieren zu können.

Sie schreiben, Psychotherapie können Sie nicht in Anspruch nehmen, weil es keine freien Plätze gibt und es aus beruflichen Gründen nicht dokumentiert werden darf. Es stimmt, Psychotherapie-Plätze sind nicht leicht zu bekommen, doch es ist nicht unmöglich. Wenn Sie bereit wären, die Therapie selbst zu finanzieren, müsste kein Eintrag in Ihre Krankenakte vorgenommen werden (so ist es zumindest in Deutschland). Außerdem stünden Ihnen dann auch Online-Therapieangebote zur Verfügung, die Sie ganz ortsunabhängig nutzen könnten.

Wenn ich Ihre Zeilen lese, nehme ich einen großen Leidensdruck und sehr viel innere Not wahr. Der Schritt, der anstünde, wäre, sich aus dem langjährig selbstgeschaffenen Schauspieler-Käfig zu befreien. Mit therapeutischer Hilfe.

Es gibt einen Teil in Ihnen, der das bereits weiß, da Sie sich selbst sehr gut reflektieren können. Doch Sie hoffen vielleicht immer noch auf eine Lösung, die Sie erleichtert, ohne dass Sie etwas an Ihrem Leben ändern müssten. Das wird jedoch nicht möglich sein. Die Lebensänderungen, die anstehen, sind zugleich der Weg raus aus Ihrer enormen Belastung. Es ist nur die Frage, wann Sie diesen Weg beschreiten und ob Sie bereit sind, dafür auch Hilfe von außen anzunehmen. Beides entscheiden Sie selbst, auch wann der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist.

Ihr Nackenschmerz ist wie ein psychosomatischer Wegweiser, der Sie immer wieder daran erinnert, dass in Ihrem Leben etwas nicht kongruent und aus der Balance geraten ist. Der Schmerz übt keine Rache aus, sondern Ihr Körper ist bereit, den enormen Stress eine Zeitlang mitzutragen und die psychosomatische Verdrängung auf die körperliche Ebene zu erlauben.

Ich möchte Sie ermutigen, sich selbst zu vertrauen und die nötigen Veränderungen in Ihrem Leben anzugehen. Sie werden es schaffen, da bin ich sicher, auch wenn es nicht leicht sein wird.

Ich wünsche Ihnen alles Gute,
viele Grüße in die Schweiz

Anke Wagner
Heilpraktikerin f. Psychotherapie
Bewertung durch den Fragensteller:
Vielen Dank! Von einer Fachperson bestätigt zu bekommen, was man selbst vermutet, macht Mut, etwas zu verändern.





Online-Beratung

Auf Psychomeda beantworten Psychologen und Therapeuten Ihre Fragen unentgeltlich. Jetzt online Ihre Frage stellen...


Therapeuten

Zuletzt aufgerufene Therapeuten-Seiten. Therapeut, Coach, Berater? Eintragen...


Beliebt auf Psychomeda


TwitterSocial Feed



Folgen Sie uns auf Twitter


Qualität

Psychomeda ist ein unabhängiges psychologisches Informations- und Beratungsportal von Psychologen und Therapeuten. Wir informieren evidenzbasiert und auf wissenschaftlicher Grundlage. Weiter