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Ich lerne nur noch und habe meine sozialen Kontakte fast aufgegeben

Nowikloss (w, 26) aus Stuttgart: Liebe Psychotherapeuten,

ich weiß nicht genau warum ich hier schreibe und was ich mir davon erhoffe. Um genau zu sein weiß ich von meinem ganzen Leben nicht, was ich mir erhoffen soll, so blöd das auch klingen mag.

Vor 5 Jahren hatte ich große Ziele: Abitur, Ausland, Studium und Arbeit als Lehrerin an einer Grundschule. Das Abitur habe ich erfolgreich und ohne Probleme bestanden, im Ausland hatte ich 12 Monate lang die beste Zeit meines Lebens und nun hänge ich seit 2011 im Studium und fühle mich von Jahr zu Jahr nutzloser, dümmer und einfach unwohler.

In den ersten Semestern hatte ich noch Spaß am Studentenleben. Während der Praktika in den Semesterferien habe ich immer wieder neuen Mut geschöpft, ich liebe die Arbeit an der Schule. Aber wenn es wieder an die Uni geht, ist mein Alltag grau und leblos. Ich lerne ununterbrochen, teilweise die ganze Nacht durch bis es morgens wieder hell wird.

Ich habe meine sozialen Kontakte fast komplett aufgegeben. Ich bin traurig, verzweifelt, weine viel.
Meine geliebten Hobbies sind nun von Einsamkeit und der Verzweiflung überstimmt. Ich fühle mich manchmal so unter Druck gesetzt zu lernen, dass ich es fast nicht aushalte, mich übergebe oder Gedanken an Selbstverletzung habe.

Meine Hausärztin hat mir ein Antidepressivum verschrieben, welches ich seit einigen Wochen nehme. Ich will unbedingt diesen Weg gehen und Lehrerin werden. Allerdings weiß ich nicht, wo mich das Studium psychisch noch hinführen wird? Bin ich zu schwach für ein Studium?

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Nowikloss,

ich danke Ihnen für Ihre Zuschrift. Sie schreiben uns und wissen eigentlich nicht genau, welches Motiv Sie dafür haben und was Sie sich davon erhoffen. Das klingt nicht blöd, sondern für mich zunächst ratlos.

Es ist scheinbar eine Diskrepanz entstanden, zwischen den Zielen, die Sie einst verfolgten und wie Sie sich heute fühlen. Sie sind sehr ehrgeizig und das ist gut für Ihren beruflichen Weg. Sie wissen genau, dass Sie Lehrerin werden wollen und lieben die Arbeit an der Schule. Das Studium scheint Sie jedoch zunehmend zu deprimieren; Sie sagen, Ihr Alltag fühlt sich dann grau und leblos an.

Entscheidend finde ich an Ihren Erzählungen, dass Sie nur noch lernen und Ihre sozialen Kontakte fast gänzlich aufgegeben haben. So ehrgeizig und motiviert Sie auch sein mögen, auch geistige Arbeit braucht ein Gegengewicht im Leben. Es wirkt so, als sei Ihnen das verloren gegangen. Sie lernen ununterbrochen, sogar die ganze Nacht hindurch.

Ihr Körper und Ihre Seele werden durch diese extreme Dauerbelastung erschöpft - es fehlt Schlaf, Abschalten, Entspannung und einfach mal emotional loszulassen. Nun haben Sie ein Antidepressivum verschrieben bekommen, das Ihre traurige Stimmung und Aktivität wieder heben soll. Doch das Medikament kann Ihren Arbeitseifer nicht regulieren und keine sozialen Kontakte ersetzen.

Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, dass Sie anfangen, eine bewusstere Form des Lernens zu praktizieren. Der enorme Druck, immer weiter über die Erschöpfung hinaus zu lernen, scheint mir schon zwanghafte Züge zu tragen, dem Sie nur mit Erbrechen oder Gedanken an Selbstverletzung begegnen können.

Sie sind bisher erfolgreich in allem, was Sie tun, es gäbe eigentlich keinen Grund, dass Sie sich so massiv unter Druck setzen. Ich kann mir vorstellen, dass die zunehmende Einsamkeit eine große Rolle spielt. Um die Einsamkeit und Verzweiflung nicht andauernd spüren zu müssen, tauchen Sie weiter ab in die geistige Arbeit und so entsteht ein sich selbst verstärkender Kreislauf. Die geistige Tätigkeit bietet Ihnen zugleich einen sicheren Hafen, weil Sie dann beruhigter ihren beruflichen Weg gehen können.

Das Fehlen sozialer Kontakte kann aber auch zu depressiven Verstimmungen führen. Ich kann es gut nachempfinden, dass Sie sich traurig und verzweifelt fühlen. Es fehlt Ihnen an menschlicher Wärme, Verständnis und Zuwendung. Es ist ganz wichtig, dass Sie Ihre bestehenden Kontakte wieder beleben und sich für neue öffnen.

Wenn Sie merken, dass Ihnen das schwerfällt, würde ich Ihnen ein paar Therapie- oder Beratungsstunden empfehlen, damit Sie mehr darüber erfahren, warum Sie sich selbst dermaßen unter Druck setzen und sozial zurückziehen und wie Sie sich wieder daraus lösen können. Wenn Sie weiter Antidepressiva nehmen, empfiehlt es sich ohnehin, begleitend auch eine Therapie zu machen.

Liebe Nowikloss, ich hoffe, ich konnte Ihnen ein paar hilfreiche Anregungen geben und wünsche Ihnen alles Gute -

mit herzlichem Gruß

Anke Wagner
Heilpraktikerin f. Psychotherapie
Bewertung durch den Fragensteller:





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