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Ich hasse mein Leben, obwohl ich doch eigentlich ein sehr gutes Leben führe

Diebels (m, 23) aus Essen:

Guten Tag,

Ich habe irgendwie keine Motivation mehr für nichts. Weder im Job, noch in der Familie, keine Lust meine Freundin zu sehen und keine Lust mehr zu schlafen.

Ich habe eigentlich ein sehr gutes Leben:
- Tolle Freundin (kann mir keine bessere wünschen)
- verdiene Netto gr. 1300€
- Habe meinen Traumjob (Mediengestalter und Webentwicklere) - seit 3 Jahren ausgelernt
- Habe eine sehr gute - praktisch leitende - Stelle
- Bis auf die Chefs eigentlich ein irre gutes Arbeitsklima
- Familie ist nahezu in Takt
- Meine Materiell nahezu alles was ich brauche und haben moechte

Nicht so gut im Leben:
- Ich wohne mit 23 noch immer bei meinen Eltern auf 14qm
- Mein Vater ist MS krank und sitzt im Rollstuhl seit 2002
- Ich gebe mein Geld beinahe schneller aus als ich es verdienen kann
- Ich bin sehr gut in meinem Job will aber unter Zwang besser werden hab aber nicht die noetige Motivation

Ich kann mich einfach zu nichts aufraffen. Ich will nichts machen - nur noch liegen und Filme schauen – aber nicht schlafen. Wenn ich dann schlafe brauche ich am Morgen 1,5 Std. um aufzustehen weil sich jede Zelle meines Koerpers wehrt. Manchmal hab ich lieber 2 Std. Durst bevor ich mal irgendwie aufstehe mir was zu trinken zu holen.

Das ganze verfolgt mich nun schon seit ca. 10 Jahren und ich weiß nicht was ich dagegen machen soll. Ohne es zu wollen rutscht mir am Tag bestimmt 5x 'ich hasse mein Leben' raus. Manchmal sogar in Bahn, so das andere es auch hoeren koennen.

Gibt es irgendwas was ich tun kann?

Vielen Dank und viele Grüße

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Lieber Diebels,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Seit bereits über 10 Jahren fällt es Ihnen schwer, sich zu motivieren und morgens aufzustehen. Ihr Zustand scheint sich zu verschlimmern und deshalb ist es gut, dass Sie hier um Rat bitten.

Eigentlich führen Sie ein sehr gutes Leben, das sowohl in materieller als auch in sozialer Hinsicht zufrieden stellend für Sie sein könnte. Was ist es also, das Sie motivationslos und antriebsarm sein lässt?

Ihr Vater ist an MS erkrankt und sitzt seit 2002 im Rollstuhl. Das ist eine sehr schwere Belastung für die gesamte Familie, sowohl für ihn als Betroffenen, als auch für die Familienangehörigen. Wenn ein Familienmitglied unter einer chronischen Erkrankung leidet, so ist die gesamte Atmosphäre und das Zusammensein ständig davon geprägt. Hinzu kommt, dass sich bei MS-Kranken mit der Zeit auch Persönlichkeitsveränderungen entwickeln. Ich weiß nicht, ob das bei Ihrem Vater schon der Fall ist.

Sie wohnen in dieser Umgebung auf 14 qm, also einem sehr kleinen Raum. Sie haben kaum Platz zum Atmen, geschweige denn, sich wirklich mit Ihrer Persönlichkeit zu entfalten. Ich weiß nicht, warum Sie noch bei Ihren Eltern wohnen, aber mein Eindruck ist, es ist höchste Zeit, dass Sie ausziehen und anfangen, wirklich auf eigenen Füßen zu stehen. Sie sind materiell gut abgesichert und arbeiten in einer Branche, in der Sie immer wieder einen Job finden werden.

Ich kann also aus Ihren Zeilen keinen Grund erkennen, weshalb Sie noch zu Hause wohnen bleiben müssten. Dass Sie ihr Geld schneller ausgeben, als Sie es verdienen, kann auch damit zusammenhängen, dass Sie nicht wirklich für sich sorgen müssen. Ihre Eltern sorgen weiterhin für Sie und Sie können Ihr Geld einfach ausgeben.

Als junger Mann vermissen Sie im Moment die Erfahrung, endlich auf sich selbst gestellt zu sein und die Verantwortung für die eigenen Lebensverhältnisse zu tragen. Setzen Sie sich dieser abenteuerlichen Erfahrung aus und ich bin sicher, dass sich Ihre Antriebsarmut schon bald legen wird.

Ich kann mir vorstellen, dass der Gesundheitszustand Ihres Vaters Sie unbewusst sehr bedrückt und beschäftigt. Vielleicht haben Sie den Wunsch, ihm zu helfen, können aber nichts tun. Vielleicht will er sich auch nicht helfen lassen und besteht darauf, alles allein zu tun. Vielleicht erleben Sie zu Hause ein Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht und dann hilft es, diese Gefühle mit Geldausgaben zu kompensieren. Ohne die genauen Details zu kennen, äußere ich an dieser Stelle zunächst Vermutungen und Sie können selbst schauen, ob etwas zutreffen könnte.

Auf jeden Fall kann ich Ihre Lustlosigkeit und Motivationsschwäche gut nachvollziehen. Sie müssen sich deshalb nicht schämen. Nur weil Sie eigentlich ein gutes Leben führen, heißt es nicht, dass Sie sich auch glücklich fühlen. Glück ist sogar oftmals nicht an einen materiellen Erfolg geknüpft.

Wenn Sie also mehrmals am Tag - auch laut vernehmbar - sagen, dass Sie Ihr Leben hassen, zeigt es deutlich, dass Sie sich zutiefst unglücklich fühlen und dass es Zeit wird, dass Sie sich Ihrem inneren Unglück zuwenden.

Deshalb möchte ich Sie fragen: Dürfen Sie wirklich glücklich sein, während Ihr Vater weiterhin schwer krank ist? Nehmen Sie diese Frage als inneren seelischen Leitfaden für die nächsten Monate. Wenn Sie sich emotional für diese Frage öffnen, werden Sie viel über sich selbst und Ihre Empfindungen erfahren. Parallel zu diesem Prozess könnten auch ein paar Therapiestunden hilfreich für Sie sein.

Ich wünsche Ihnen alles Gute,
mit herzlichem Gruß

Anke Wagner
-Heilpraktikerin f. Psychotherapie -





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