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Ich esse nicht mehr normal - entweder zu wenig oder zu viel

Daydreamer (w, 14) aus Deutschland:

Hallo.

Mir wurde geraten mich hier zu erkundigen, ob ich eine Essstörung habe, da ich mich nicht traue mit Freunden oder Familie darüber zu reden, da mir mein Verhalten und Gewicht ziemlich peinlich sind.

Am Besten schildere ich einmal meine Situation: Ich bin 14, 169cm groß und wiege 60kg. Ich weiß, dass das im Normalgewicht liegt, trotzdem fühle ich mich nicht gerade dünn. Im Gegenteil, ich hasse mein Aussehen, ich hasse es schon alleine in den Spiegel zu schauen, weil ich mich einfach nur so dick und hässlich finde.

Deswegen versuche ich auch schon seit Ewigkeiten abzunehmen. Allerdings gelingt es mir nicht so ganz. Von 54kg bin ich nun auf diese 60kg gekommen.Das liegt wohl daran, dass ich an den meisten Tagen so ziemlich gar nichts esse und dann irgendwann wieder übermäßige Fressatacken. Diese versuche ich dann durch Fastenzeiten und sehr intensiven Sport auszugleichen, leider bin ich noch immer ziemlich dick... Eigentlich esse ich überhaupt nicht mehr normal -nur noch abnormal viel oder abnormal wenig, sodass meine Gefühle entsprechend immer zwischen benebelndem Hunger und großer Übelkeit schwankt.

Allerdings hasse ich Essen nicht, es ist eher so eine verhasste Liebe. Nach dem Essen habe ich immer ein total schlechtes Gewissen und fühle mich irgendwie schuldig. Und ich habe auch eine Liste mit verbotenen und erlaubten Lebensmitteln. Ist das normal? Allerdings fühle ich mich selbst nicht essgestört und wäre selbst auch nie auf diese Idee gekommen.

Vielen, vielen Dank schon einmal für die Hilfe!!! Daydreamer

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Daydreamer,

ich danke dir recht herzlich für deine Mail und für dein Vertrauen, das du uns mit deiner Anfrage entgegen bringst. Wir können und dürfen auf diesem Online-Portal keine Diagnosen aussprechen. Doch alles, was du von dir beschreibst, deutet darauf hin, dass du unter einer Essstörung leiden könntest.

Dazu gehört, dass du seit ewigen Zeiten versuchst abzunehmen, obwohl du ein Normalgewicht hast. Du pendelst zwischen Gar-nichts-essen und übermäßigen Fressattacken hin und her. Den Fressattacken versuchst du durch Fastenzeiten und intensiven Sport entgegen zu wirken. Du bist dir bewusst, dass du nicht normal isst. Doch trotzdem bist du der Meinung, dass du nicht essgestört bist.

Für dich ist es mittlerweile normal, deinen Körper und dein Essverhalten ständig zu kontrollieren. Du hasst dein Aussehen und deinen Körper und findest dich zu dick und hässlich. Du versuchst über die Ess- und Gewichtskontrolle einen Einfluss auf diese Gefühle zu nehmen. Du bist unbewusst fest davon überzeugt, wenn du nur abnehmen würdest, könntest du dich selbst eines Tages besser annehmen, vielleicht sogar lieben und schön finden.

Ich kann dir versichern, das wird nicht der Fall sein, selbst wenn du nur noch 40 Kilo wiegen solltest. Denn dein Grad an Selbstliebe hat aus psychologischer Sicht nichts, aber auch gar nichts, mit deinem wirklichen Gewicht oder Aussehen zu tun. Auch wenn du überzeugt davon bist, es geht allein darum. Dein Selbsthass ist die Ursache und es würde auch in einer Therapie darum gehen, herauszufinden, warum du dich selbst so sehr ablehnst und unter welchen Bedingungen sich das bereits in deiner Kindheit entwickelt hat.

Liebe Daydreamer, ich möchte dir empfehlen, dir psychotherapeutische Hilfe zu suchen. Dazu ist es notwendig, dass du erstmal mit deinen Eltern sprichst oder falls das für dich nicht geht, dich an einen Schulpsychologen oder deinen Hausarzt wendest, damit du Unterstützung für die Therapeutensuche bekommst.

Du befindest dich inmitten der Pubertät. Dein Körper, und damit auch sein Stoffwechsel, verändert sich gerade sehr. Wenn du ständig zwischen Hunger und Überfüllung hin- und herpendelst, belastet du deinen Körper enorm. Denn er braucht die regelmäßige und konstante Zufuhr von Nährstoffen und Vitaminen, um zu überleben und funktionieren zu können. Wenn du ihm die verweigerst, entstehen Mangelzustände, die auch lebensbedrohlich für dich werden können.

Es ist also lebenswichtig, dass du täglich regelmäßig und vor allem mit Appetit isst. Und nicht mit Angst, Befürchtung und schlechtem Gewissen. Dazu müssen sich deine Gedanken und das Kreisen um verbotene und erlaubte Lebensmittel verändern. Das wird nur sehr schwer allein gelingen, denn deine Gedanken sind sehr mächtig und werden sich nicht so einfach beiseite schieben lassen.

Letztendlich hängt es von dir ab, ob du bereit bist, dir helfen und dich therapeutisch behandeln zu lassen. Niemand kann dich dazu zwingen. Es sei denn, du bist irgendwann so abgemagert, dass du zwangsernährt werden muss. Aber dadurch, dass du zwischendurch zumindest immer wieder Fressattacken hast, nimmst du immer wieder größere Mengen an Nahrung auf. Wenn auch zu viel auf einmal, so dass dein Körper dann wieder mit der Resorption überfordert ist.

In unserer Gesellschaft gibt es mittlerweile viele junge Frauen, die esssgestört sind und dieses Verhalten auch als völlig normal empfinden. Deshalb kann es sein, dass auch dies dir das Gefühl vermittelt, es sei normal.

Normal ist jedoch: 1) wenn du nicht ständig in den Spiegel schauen musst, um dein Gewicht zu überprüfen 2) wenn du keine innere Liste mit dir herumträgst, sondern isst, wenn du Hunger hast und dann auch das, worauf du gerade in dem Moment Appetit hast. Und 3) wenn du satt bist, hörst du von allein auf zu essen, ohne darüber nachdenken zu müssen. Du spürst es einfach, wenn es genug ist und hörst dann auf.

Es sind eigentlich natürliche Vorgänge, für die du keinen einzigen Gedanken benötigen würdest und die dich auch nicht belasten würden. Lass dir helfen, damit du wieder ein unbeschwertes Verhältnis zu dir selbst und zu deinem Essverhalten finden kannst.

Ich wünsche dir dafür alles Gute -
mit herzlichem Gruß,

Anke Wagner
-Heilpraktikerin f. Psychotherapie -



Bewertung durch den Fragensteller:
Vielen Dank!





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