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Wie kann ich meiner erwachsenen Tochter helfen ohne Sie zu steuern?

Kerstin (w, 50) aus Stuttgart: Meine Tochter war drogenabhängig und hat zusammen mit Experten der Drogenberatung, viel Stärke und gutem Willen den Weg aus der Sucht gefunden. Seit 2 Jahren nimmt sie keine harten Drogen mehr. Verschiedene Studien hat sie trotz guter Begabung bereits vor der Sucht abgebrochen. Eine konventionelle Arbeit lehnt sie ab. Sie lebt in den Tag hinein. Ich bin dauerbesorgt um sie, aber da sie 29 Jahre alt ist, habe ich nicht die Möglichkeit ihr Leben zu 'steuern'. Ich habe immer Angst, dass sie einen schlimmen Fehler begeht. Was kann ich tun?
Danke und liebe Grüße
Kerstin

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Hallo Kerstin,

nur zu verständlich, wenn Sie sich Sorgen um Ihre Tochter machen. Sie haben offenbar einen schlimmen Leidensweg Ihrer Tochter erlebt. Allerdings sagt man, dass nach zwei Jahren die Rückfallquote deutlich zurückgeht. Dabei gelten eine gute soziale Einbindung, Optimismus, Risikowahrnehmung, Stressbewältigung, Kommunikationsfertigkeit und Verhaltenskompetenz im Umgang mit Suchtmitteln als gute Schutzfaktoren. Es kann also durchaus sein, dass Ihre Tochter mit ihrem Verhalten sich bewusst oder unbewusst gegen zu viel Stress schützen will, um das Risiko eines Rückfalls zu reduzieren.

Wenn Ihre Tochter bereits viel Stärke und guten Willen auf ihrem Weg aus der Sucht gezeigt hat, dürfte die weitere Prognose für sie insgesamt eher gut sein. Zugleich findet man häufig neben dem Drogenkonsum noch andere psychische und Verhaltensstörungen. Ob es da aus Sicht Ihrer Tochter noch behandlungsbedürftige Anteile gibt, müssten Sie ihr überlassen. Und damit möchte ich zu Ihnen kommen.

Sie machen sich Sorgen und würden am liebsten ein bisschen steuernd eingreifen. Als Ursache nennen Sie Ängste, die in Ihnen liegen. Möglicherweise vermuten Sie eine Mitschuld an der ganzen Situation und wollen etwas wieder gut machen, wollen weiterhin Verantwortung tragen. Dabei wissen Sie, dass die Erziehung Ihrer Tochter längst abgeschlossen ist. Sie ist erwachsen.

Vielleicht ist das ein Teil des alten Musters. Bei Alkohol- und Drogenkonsum entsteht manchmal ein Verhaltensmuster von Bezugspersonen, das man Ko-Abhängigkeit nennt. Es scheint so, als wenn Ko-Abhängige alles dafür tun, die Abhängigkeit zu stabilisieren und erhalten, weil die Konsequenzen des Entzugs für die Beziehung oder sie selbst noch schlimmer wären. Ko-Abhängige handeln also in guter Absicht und machen es doch nur schlimmer.

Könnte es sein, dass auch Sie sich momentan mehr als angemessen mit Ihrer Tochter verbinden, sie stützen und ihr alles recht machen wollen. Sie sind besorgt, dass die Risiken steigen, wenn Sie ihr mehr Freiraum lassen. Zugleich braucht ihre Tochter aber wohlmöglich gerade diesen Raum und dieses Vertrauen ihrer Mutter, dass sie ihr Leben nun aus eigener Kraft in eine gute Richtung weiterentwickeln kann und wird.

Dieser Ablöseprozess ist für Sie wohl schmerzhaft. Verständlich. Wenn Sie merken, dass es Ihnen zu anstrengend wird, könnten Sie sich selbst Hilfe holen, und vielleicht nur für ein paar Stunden therapeutische Unterstützung suchen. Dann könnte darum gehen, dass Sie für sich eine neue Lebensperspektive finden, in der Sie etwas ganz anderes in den Blick nehmen, eine unabhängige Aufgabe oder Beschäftigung, vielleicht die Weiterentwicklung bestehender aber ungenutzter Kompetenzen oder das Anknüpfen an frühere Wünsche oder Ziele. Das könnte auch Vorbildcharakter für Ihre Tochter haben.

Alles Gute
Kai Pinnow
Bewertung durch den Fragensteller:
Ich bin sehr erleichtert und froh über diese Antwort und Aufklärung. Ich weiß nun, in welche Richtung ich gehen muss. Vielen Dank.

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