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Tiefgreifende Veränderungsprozesse bei Kindern begleiten

Muemmelchen (w, 38) aus Frankfurt: Mein Sohn (5 Jahre) hat ein schweres Jahr hinter sich:2 Großelternteile gestorben, Umzug der anderen Oma, meine Trennung vom Kindsvater (dieser hat eine narzisstische Störung) und Umzug mit mir in eine neue Wohnung. Er war früher bei einer Tagesmutter bis zu seinem 4. Lebensjahr in einer kleinen Gruppe. Seit er 4 ist, ist er im Kindergarten und hat trotz allem dort nicht richtig reingefunden.
Er ist vermutlich hochsensitiv und hochsensibel, lässt sich sehr schnell ablenken und reagiert bei Überreizung überdreht. Durch die Rumblödelei bezeichnen ihn einige Kinder im Kindergarten als 'dumm'. Ich merke, dass er im Moment ein paar schwierige Angewohnheiten hat: er klaut gerne Dinge aus dem Kindergarten und erfindet danach Lügengeschichten abentuerlicher Art, wo die Sachen her sind.
Dass er eher an abstrakten Themen Interesse hat und alles anders lernt als andere, macht es für ihn noch schwieriger (statt zählen zu üben von 1-10 wie andere, will er erst verstehen, was Zahlen und Mengen sind, und quasi das Prinzip des Rechnens verstehen). Er hat einen einzigen Freund, der sich aber manchmal, wenn die anderen ihn hänseln, sich da mit anschließt.
Die restliche Familie, seine Erzieherinnen im Kindergarten haben ihn auf die 'schwierige' Schiene abgeschoben und tadeln ihn. Darauf reagiert er aber nur mit totaler Verweigerung.
Bin ich zu naiv, wenn ich davon ausgehe, dass Zeit und Liebe und Bestärkung und positives Feedback und die wichtigen Grenzen aufzuzeigen, es schon wieder richten wird?

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Hallo Muemmelchen,

vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihr Vertrauen.

Sie und Ihr Sohn scheinen in einer äußerst belastenden Situation zu stecken. Ihr Sohn hat sehr viel Veränderung erlebt. Das löst natürlich sehr viel Verunsicherung in ihm aus, da sehr wichtige Strukturen in seiner Lebenswelt verloren gegangen sind (Verlust von wichtigen Bezugspersonen, Umzug, Wechsel in den Kindergarten). Durch Ihre Beschreibung wirkt er sehr halt- und orientierungslos. Und vor allem sehr bedürftig, was für mich sehr nachvollziehbar ist. Bedürftig nach Halt, Stabilität, Zugehörigkeit und Sicherheit. Er muss sich erst einmal in seiner neuen Lebenssituation zurecht finden, was immer etwas Zeit – und auch Unterstützung – braucht. Hierbei ist es sehr wertvoll und hilfreich, dass Sie ihm diese Zeit geben und ihn mit ihrer Liebe und Fürsorge begleiten, wie Sie es beschreiben. Aktuell haben Sie für ihn mit Sicherheit eine nochmal größere Bedeutung, als Sie als seine Mutter sowieso schon haben. Vermutlich sind Sie gerade der einzige Halt gebende und vertraute Mensch in seinem Leben. Daher ist ihre liebevolle Präsenz sehr wertvoll und wichtig.
Wie Sie sein Verhalten beschreiben, deutet für mich darauf hin, dass er psychisch sehr belastet ist. Vor allem die schnelle Überreizung spricht für eine psychische Überforderung. Er kann neben dem bereits bestehenden psychischen und emotionalen Stress, den er gerade erlebt, mit zusätzlichem Stress schwer umgehen – kann diesen schwer kompensieren, d.h. innerlich ausgleichen. Etwas einfach ausgedrückt ist sein ganzes Leben gerade im Chaos. Das heißt, es braucht wieder Ordnung und Ruhe. Die äußere Welt muss sich beruhigen und ordnen, sodass sich auch seine innere Welt wieder beruhigen und ordnen kann. Und nochmal: dafür leisten Sie einen sehr wertvollen Beitrag, in dem Sie für ihn da sind und ihm Geborgenheit und Verlässlichkeit bieten.

Bei der Trennung der Partnerschaft sollte immer auch mitbedacht werden, dass Mutter und Vater weiterhin Eltern des gemeinsamen Kindes bleiben. Diese Ebenen (Partner/in und Eltern) können und müssen getrennt werden. Hierbei sollte immer das Wohl des Kindes im Mittelpunkt stehen. Kinder lieben beide Eltern. Außer natürlich, es gab gegenüber dem Kind wirklich grenzüberschreitende Verhaltensweisen eines Elternteiles, die das Wohl des Kindes gefährden. Und selbst dann gibt es Möglichkeiten eines begleiteten Umgangs, bei denen Kinder mit ihrem Vater (oder auch mit ihrer Mutter) unter pädagogischer Begleitung eine begrenzte Zeit verbringen können. Wenn das bei Ihnen nicht notwendig ist, ist es sicherlich hilfreich, dass es fest vereinbarte Zeiten gibt, in denen Ihr Sohn Kontakt zu seinem Vater hat – denn der Verlust eines Elternteiles ist sehr einschneidend. Für die Klärung einer Besuchsregelung kann auch eine externe Beratung sehr hilfreich sein, wie etwa eine Psychologische Beratung, Familienberatung, Mediation, Erziehungsberatungsstellen der Stadt oder bei privaten Trägern oder auch das Jugendamt.

Für Ihren Sohn kann auch eine weitere Unterstützung sehr hilfreich sein. Häufig gibt es bspw. Gruppenangebote für Kinder aus Trennungs- und Scheidungsfamilien, in denen Kindern geholfen wird, die Trennung ihrer Eltern zu verarbeiten.
Daneben kann Ihrem Sohn sicherlich auch eine psychotherapeutische Unterstützung bei einem/r Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/in sehr gut tun. Hier haben Kinder einen Raum, der gerade bei 5-jährigen sehr spielerisch gestaltet wird, und in dem seine Belastungen und Erfahrungen verarbeitet werden können. Gleichzeitig kann der/die Therapeut/in auch einen weiteren Halt in seiner aktuellen Lebensphase geben. Bei einer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie gehören immer auch Elterngespräche dazu, die Sie als Mutter, die Sie ja ebenfalls von der Situation sehr belastet sind, unterstützen können. Auch wäre es schön, wenn der Vater Ihres Sohnes ebenfalls Elterngespräche wahrnehmen würde. Die Elterngespräche werden, wenn nicht ausnahmsweise anders vereinbart, ohne das Kind, wie auch mit Mutter und Vater getrennt, durchgeführt.
Auch wird bei Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/innen meist eine Diagnostik durchgeführt. So können Sie sein Verhalten und Beziehungserleben im Kindergarten oder auch seine Art, zu denken, wie im Umgang mit Zahlen von Ihnen beschrieben, vermutlich besser verstehen.
Insgesamt kann Ihr Sohn durch eine Psychotherapie unterstützt und psychisch-emotional stabilisiert werden. Ihr Sohn kann sein Selbstvertrauen erhöhen und eine Entlastung erleben.

Auch für Sie als Mutter, wie bereits weiter oben erwähnt, ist diese Zeit sicherlich sehr belastend. Umso anstrengender und herausfordernder kann es dann sein, dass Sie gut für Ihren Sohn da sein können. Daher kann ich auch Ihnen nur empfehlen, eines der genannten Angebote zu nutzen, also selbst eine psychologische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Für Sie selbst und indirekt auch für Ihren Sohn.
Es ist ein hoher, und vielleicht zu hoher Anspruch, Ihren Sohn alleine in seinem Veränderungs- und Verarbeitungsprozess zu unterstützen. Und das hat nichts damit zu tun, dass sie unfähig wären, sondern liegt in der Natur der Sache. Als Eltern sind wir immer sehr involviert, wenn es unseren Kindern nicht gut geht. Eine professionelle dritte Person hat hier einen – teilweise notwendigen – Abstand und dadurch einen neutraleren Blick von außen, was für alle Beteiligten im Familiensystem entlastend sein kann.


Ich wünsche Ihnen und Ihrem Sohn alles Gute und dass sich alles Aufgewühlte beruhigen und neu ordnen kann.

Herzliche Grüße,
Christian Kabsch
Bewertung:
Die Situation fühlte sich richtig erkannt an. Die Antwort hat mir geholfen, die nächsten Schritte zu gehen. Danke!





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