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Meine Tochter wirft mir vor, dass ich mein Trauma an sie weitergegeben habe ...

Cuba (w, 67) aus Frankfurt: Ich bin ein Opfer schwerer psychischer, physischer und sexueller Gewalt seitens meiner, mittlerweile verstorbenen, Mutter. Ich war viele Jahre und trotz 3 jähriger Therapie bei einer Psychologin, eine sehr schwer traumatisierte Frau, Ehefrau und Mutter eines Kindes, das mittlerweile selbst erwachsen und Mutter ist. Meine Tochter wurde von mir nicht nur schwer vernachlässigt, sondern auch - genau wie ich selbst - angebrüllt, beleidigt, gedemütigt, geschlagen. Ich hab leider fast das gesamte anerzogene Verhalten an meine Tochter weiter gegeben, bei der ich derzeit - zum ersten mal seit 20 Jahren - längere Zeit auf Besuch bin. Sie macht mir sehr schwere Vorwürfe für mein Verhalten ihr gegenüber, sie schreit und klagt mich an, entschuldigt sich bei mir, beleidigt mich, ist zum Teil wie von Sinnen, das ist die Strafe für mein damaliges Verhalten ihr gegenüber von der Geburt bis zum 21 Lebensjahr. Sie hatte leider keine Mutter, keinen Halt und keine Unterstützung durch mich. Ich verstehe sie und gehe an ihrem Geschrei physisch kaputt, Magenkrämpfe, Durchfall, weiße Haare usw. Mein Verhalten war vom Wiederholungszwang geprägt. Meine Tochter sagt, dass man den Wiederholungszwang abstellen kann, indem man bewusste lebt. Sie verweigert mir das Recht, mich als Opfer zu bezeichnen und gibt mir die Alleinschuld für alles, was ihr durch mich passiert ist. Wie gehe ich damit am besten um?

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Ratsuchende,

danke für das Vertrauen, mit dem Sie sich an uns wenden.

Oh ja, das ist eine Situation, die ist typisch für das Weitergeben von Trauma. Gleich vorweg: sowohl Sie, als auch Ihre Tochter sind im Recht.

Um das auflösen zu können, ist es wichtig, das folgende zu verstehen: Kinder brauchen starke, schutz- und haltgebende Eltern.

Und wenn wir als Kinder Bindungstrauma erlebt und erlitten haben, so heilt das solange nicht, bis wir nicht den unbewussten verletzten kindlichen inneren Anteilen das zur Verfügung stellen, was früher gefehlt hat. Genau deshalb funktionieren die von den Kassen bezahlten Richtlinienverfahren bei den meisten niedergelassenen Psychotherapeuten nicht.

Ich habe letzte Woche zu diesem Thema ein Video auf meinem Youtube Kanal veröffentlicht: https://www.youtube.com/c/TraumaTherapie. „Nr. 51. Woran erkennt man einen guten Therapeuten?“ In diesem Video spreche ich darüber, weshalb die Richtlinienverfahren bei Bindungstrauma meist nicht helfen, welche Therapien helfen und wie man einen guten/passenden Therapeut*In findet. Wenn Sie sexuellen Missbrauch erlebet haben, dann können Sie sogar die Kostenübernahme für eine solche Therapie beim Fond sexueller Missbrauch https://www.fonds-missbrauch.de/ beantragen.

Wenn Sie sich (zugegebenerweise zurecht) noch immer als Opfer erleben, dann sind Ihre Wunden offensichtlich noch nicht verheilt. Dadurch können Sie jetzt Ihrer Tochter noch keine starke, haltgebende Mutter sein. Genau das aber fordert Ihre Tochter (zurecht) von Ihnen ein. Und genau das sehe ich auch als die Chance, dass Sie beide sich weiterentwickeln und im Guten zueinander finden können. Auch zu diesem Thema finden Sie ein Video auf meinem Kanal „Nr. 36 Willst du dich bei deinen Kindern entschuldigen?“

Ich sehe es in meiner Praxis öfter, dass Eltern, deren eigene Wunden noch nicht geheilt sind, fast kaputt daran gehen, wenn Ihnen bewußt wird, was sie ihren eigenen Kindern angetan haben. Um würdevoll das eigene traumatisierte Schicksal annehmen zu können, müssen diese alten Wunden geheilt werden! Es führt kein Weg daran vorbei. Dann erst werden Sie in der Lage sein, aus der Opferrolle auszusteigen und Selbstverantwortung zu übernehmen. Eines meiner nächsten YouTube Videos wird genau dieses Thema behandeln.

Momentan versuchen Sie noch, sich und Ihr Verhalten durch die eigenen Traumatisierungen zu rechtfertigen. Indem Sie sich als Opfer, das Sie waren, aber jetzt nicht mehr sind, darstellen. Dadurch hat Ihre Tochter keine Chance, einen gesunden Kontakt zu Ihnen herzustellen. Das führt zu dieser rasenden Wut bei Ihrer Tochter. Und zurecht! Ich würde sagen, seien Sie froh, dass Ihre Tochter noch wütend wird. Dann sucht Sie noch immer den Kontakt zu Ihnen. Dann ist noch etwas zu retten.

Selbstverständlich halte ich es für das Beste, weil Heilsamste, Sie würden eine NARM Therapie machen. Weitere Infos dazu finden Sie, wie gesagt, auf meinem YouTube Kanal oder auf meiner Webseite.

Wie Sie aber, unabhängig davon, auf jeden Fall im Kontakt mit Ihrer Tochter, damit umgehen sollten, ist folgenderweise:

Geben Sie Ihrer Tochter Recht! Sagen Sie ihr, dass Ihr Verhalten ungerecht, grausam, unmöglich war und dass Ihre Tochter zurecht wütend ist. Sagen Sie ihr dann: „Tochter, es tut mir Leid! Könnte ich es ungeschehen machen, würde ich es tun. Wie kann ich es wieder gut machen?“ Wenn die Tochter sagt, es sei nicht wieder gut zu machen, dann trauern Sie gemeinsam. Nehmen Sie Ihre Tochter in den Arm, trauern Sie mit ihr.

Selbstverständlich wäre eine NARM Therapie auch für Ihre Tochter heilsam. Aber SIE dürfen IHR das KEINESFALLS vorschlagen!!! Ihre Tochter würde das so empfinden, als würden Sie sich aus der Verantwortung stehlen wollen und würde sehr, sehr wütend werden.

Gehen Sie auch in der Beziehung zu Ihrer Tochter raus aus der Opfer Haltung und nehmen Sie die Verantwortung auf sich. Holen Sie sich professionelle Unterstützung, wenn Sie das alleine nicht schaffen. Aus meiner Sicht haben Sie jetzt die Chance sich und die Beziehung zu Ihrer Tochter zu heilen. Nutzen Sie diese!

Ich freue mich, wenn ich Ihnen weiterhelfen konnte und schicke sonnige Grüße nach Frankfurt!

Ihre Marion Weber
Bewertung durch den Fragensteller:
Herzlichen dank für Ihr Verständnis und Ihren Rat, den ich annehme. DANKE !!!!

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