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Die Faszination des eigenen Geschlechts

andrea (w, 40) aus Brandenburg: Guten Tag. Mein Sohn ist 7 Jahre alt, in der 2. Klasse und sehr gut in der Schule. Seit einiger Zeit (ein paar Monate) fällt mir auf, dass er sehr oft an seinem Glied spielt. Auch in der Schule hat er wohl schon öfters vor allen Kindern seinen Penis präsentiert. Und als ob das nicht genug wäre, spielt er auch oft an seinem Cousin herum.

Heute erst habe ich beide erwischt, wie sie Bilder von ihrem Penis machten oder beide im Bett lagen und jeder an sich selbst herumspielte. Immer wieder geht der Griff zum Penis oder After. Ich frage mich nur, ob das noch normal ist, und mache mir ziemlich Sorgen... Über eine Antwort würde ich mich freuen. Liebe Grüße.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe andrea,

vielen Dank, daß Sie hier - zwar besorgt, aber doch offen - über das Verhalten Ihres kleinen Sohnes schreiben. Was Sie beschreiben, ist die - natürliche - Entdeckung der eigenen Geschlechtlichkeit, wie sie jedes Kind - mehr oder weniger ausgeprägt - erlebt.

Um den ganzen Mechanismus zu verdeutlichen, werde ich Sigmund Freuds zentrale Thesen zur psychischen Entwicklung versuchen darzustellen: Jedes Kind ist von Geburt an ein psychosexuelles Wesen. Die Sexualität ist (meist bis zur Pubertät) unbewußt, d. h. das Kind erlebt sich selbst nicht wissentlich als sexuell, jedoch können die Aktivitäten eines Kindes als sexuell stimulierend erkannt werden: Zuerst, ab der Geburt, erlebt das Kind Lust und Befriedigung durch das Saugen und 'Aufnehmen', d. h. über den Mund und die Mundschleimhäute. Freud nennt dies die 'orale Phase'. Anschließend 'wandert' das Lustempfinden zum Anus: Das Kind erlebt 'Machtzuwachs', indem es lernt, die Ausscheidungen zu kontrollieren, 'zu halten und zu geben'. In einer dritten Phase beschreibt Freud den Lustgewinn durch die Entdeckung des eigenen Geschlechts: Das Kind stellt fest, daß es nicht 'nur Kind', sondern 'Junge oder Mädchen' ist, und zwar an seinem Genital, dem 'kleinen Unterschied'. Freud beschreibt dies als 'phallisch-ödipale Phase' (die weitreichenden Verstrickungen dieser Phase würden jetzt diesen Rahmen sprengen), in der das 'neu entdeckte Glied' größte Faszination ausübt!

Diese Phasen sind an das Lebensalter gekoppelt, und Ihr Sohn befindet sich mit seinen 7 Jahren eben genau in dieser dritten Phase, die naturgemäß bald abklingen und in eine sogenannte 'Latenzphase' ('ruhende Phase') übergeht, bis zur Pubertät.

Bitte sorgen Sie sich also nicht, sondern sehen die Aktivitäten Ihres Sohnes als normal an. Da Ihr Sohn sich offensichtlich sehr intensiv mit seinem Geschlecht beschäftigt, sollten Sie das Thema Sexualität offen ansprechen. Sollten Sie damit Schwierigkeiten haben, beraten Sie sich mit dem Vater des Kindes darüber (Mann-Sohn kann hier die bessere Gesprächspaarung sein) oder ziehen Sie einen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zu Rate. Wie so oft 'macht der Ton die Musik': Sensibilität im Gespräch ist nötig, Direktheit aber auch, Sorgfalt ebenso wie Schamfreiheit.

Und auch, wenn ich Sie jetzt etwas 'zu hart' konfrontiere: Bitte denken Sie auch darüber nach, warum Sie selbst das Geschehen als so verstörend betrachten. Wovor fürchten SIE sich? Was genau ist Ihnen am Treiben Ihres Sohnes so unangenehm? Gerade die Beziehung des Sohnes zu seiner Mutter ist zentrales Thema der phallisch-ödipalen Phase und basiert nicht nur auf dem Verhalten des Sohnes, sondern auch auf der (unbewußten) Reflexion von seiten der Mutter.

Nehmen Sie diese Phase bitte mit Humor, Offenheit und Interesse als natürlichen Ablauf hin und nutzen Sie die Chance, auch selbst tiefer in das Thema 'Sexualität' einzusteigen. Auch für Erwachsene kann es sich lohnen, hier immer wieder einmal einen neuen - psychologischen - Blickwinkel einzunehmen.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

Holger Nikolai
- Heilpraktiker f. Psychotherapie -
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