Warum will er nichts mehr von mir wissen?

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Lina,

vielen Dank für Ihre prägnante Beschreibung Ihrer Situation. Sie sind ratlos und wahrscheinlich auch enttäuscht, Sie schreiben ja davon, daß Sie sich durchaus eine Beziehung 'vorgestellt' hätten, und ich glaube, daß hinter der 'Vorstellung' ein 'Wunsch' steht.

Warum ein anderer sich aus einem anfänglich aufmerksamen Kontakt zurückzieht (wonach Sie fragen), läßt sich kaum beantworten! Alle Antworten, die ich Ihnen geben könnte, kennen Sie bereits selbst. Angst, Desinteresse, Lethargie, Alternativen, Probleme usw. - es ist müßig, darüber zu spekulieren.

Viel wichtiger finde ich, wie Sie mit Ihren Gefühlen, Wünschen und Enttäuschungen umgehen bzw. umgehen können. Es sind ja gleich zwei Herausforderungen, mit denen Sie umgehen müssen: Zum einen Ihre Verletztheit, zurückgewiesen worden zu sein. Es ist für kaum einen Menschen angenehm, Zuneigung und Hoffnung zu formulieren, und dann 'fallengelassen' zu werden. Zum anderen fürchten Sie, daß Sie diese Angelegenheit nicht einmal auf sich beruhen lassen können, weil Sie gemeinsame Bekannte haben.

Sie schreiben davon, daß Sie seinen Rückzug respektieren. Damit haben Sie ihm aber noch nicht gesagt, daß Sie unter der Zurückweisung leiden. Dieses 'Zurückhalten von Gefühlen', auch in einer frühen Phase der Vertrautheit, führt schnell zu einem sich stetig vergrößernden Gefühl der Unsicherheit auf beiden Seiten. Wie mag Ihr Bekannter Ihren 'Respekt' empfinden?

Vielleicht hilft die 'Flucht nach vorn': Vereinbaren Sie ein Treffen, in dem Sie von Ihrer Verunsicherung, Ihren Fragen, Ihrer Enttäuschung und Verletztheit erzählen. Natürlich immer in einer 'Ich-Form' ('...ich fühle mich verletzt', nicht 'Du hast mich verletzt'!). Ihren Respekt seinem Rückzug gegenüber können Sie durchaus mit der Empfindung begleiten, daß Sie dies sehr schade finden.

Erst die Koppelung der Aussage (Sachinformation) mit dem tatsächlich wahrnehmbaren Gefühl (Emotion) läßt eine Aussage, eine Mitteilung wirklich vollständig und verständlich werden. Dort herrscht in Beziehungen sehr häufig Nachholbedarf.

Wahrscheinlich werden auch Sie selbst sich eingehende Gedanken über Ihre Beziehungswünsche machen müssen. Fühlen Sie sich zurückgesetzt, weil Sie sich eine Beziehung mit DIESEM Mann wünschen oder weil Sie sich EINE Beziehung wünschen? Allein die eigene unbewußte Einstellung in einem solchen Punkt überträgt sich auf das Gegenüber und kann schnell Verwirrung oder Rückzugstendenzen auslösen.

Ein klärendes Gespräch halte ich in jedem Fall für sinnvoll, denn es wäre schade, wenn Sie nun Ihren Freundeskreis meiden, weil Sie Unannehmlichkeiten fürchten. Eine freundliche Begrüßung und ein wenig Smalltalk in einer größeren Runde wäre der angemessene und ausreichende Umgang miteinander. Wenn Ihnen dies unmöglich erscheint, empfehle ich Ihnen Gespräche mit einem Therapeuten, um möglicherweise dahinterliegende Ängste Ihrerseits aufzudecken. Je besser Sie sich selbst kennenlernen, desto leichter fällt Ihnen der Umgang mit anderen, auch in komplizierten Konstellationen.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

Holger Nikolai
- Heilpraktiker f. Psychotherapie -

Bewertung durch den Fragensteller:
Herzlichen Dank für die ausführliche und hilfreiche Antwort.