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Therapie abbrechen?

Jo (w, 18) aus Hamburg: Guten Tag
Ich, w/19, bin momentan in Therapie wegen Depressionen, jedoch bin ich kurz davor, sie wieder abzubrechen. Ich habe nämlich schon seit der Pubertät das Problem, das ich zu vereinzelten Lehrerinnen sehr intensive Gefühle aufbaue und dasselbe ist mir dann auch mit Therapeutinnen passiert. Ich habe regelrecht Angst davor, mich erneut in so eine Mutterübertragung reinzusteigern und obwohl mein jetziger Therapeut männlich ist und ich ihn recht unsympathisch finde, habe ich Angst, wieder so eine emotionale Abhängigkeit zu entwickeln. Mit meiner eigenen Mutter habe ich nämlich nicht wirklich gute Erfahrungen gemacht und jetzt habe ich Angst, das mich diese Gefühle mein ganzes Leben verfolgen werden und ich niemals eine richtige Beziehung führen kann, wenn ich mich gleichzeitig immer zu älteren Frauen hingezogen fühle. Eigentlich weiss ich, dass ich das aufarbeiten muss und da hinschauen sollte, aber als meine vorige Therapeutin gegangen ist, hat mir das buchstäblich den Boden unter den Füssen weggezogen und ich wusste für ein paar Wochen wirklich nicht, wie ich so weiterleben sollte. Diese Gefühle sind meist so intensiv, dass ich auch mal gedacht habe, ich hätte Boderline, was ich dann aber wieder verworfen habe, da zu wenig Symptome auf mich zutreffen. Gibt es nicht eine Möglichkeit, so was selbst in den Griff zu bekommen? Also ohne Therapie? Ich habe nämlich zusätzlich das Problem, dass ich mich extrem unwohl fühle in den Sitzungen und eigentlich auch nur eine Therapie mache, damit ich weiter Antidepressiva bekomme.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Jo,
vielen Dank, dass Sie sich mit Ihrer Thematik an uns wenden. Wenn Sie schon mehrere Therapien gemacht haben und auch Antidepressiva nehmen, wegen Ihrer Depressionen halte ich es für keine gute Idee nun die Therapie einfach abzubrechen. Ich habe den Eindruck, die intensiven Gefühle und die emotionale Abhängigkeit, die Sie beschreiben führen zu einem hohen Leidensdruck und aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass ich noch nicht erlebt habe, dass eine Selbsttherapie, da wirklich hilfreich ist, zumindest nicht ausschließlich. Ich denke Sie täten gut daran, die Beziehung zu Ihrer Mutter, die Sie als problematisch beschreiben, aufzuarbeiten und dabei kann eine Psychotherapie hilfreich sein. Es geht nach meiner Wahrnehmung darum, ihre negativen Bindungserfahrungen aufzuarbeiten, um eine gute und liebevolle Beziehung zu sich selbst und dann auch zu anderen aufbauen zu können. In einer Psychotherapie ist dies möglich.
Dennoch ist es wichtig, dass Sie schauen, ob Ihr jetziger Therapeut da der „Richtige“ für Sie ist. Es kann sein, dass Sie sich, aufgrund der Verlusterfahrung und des damit verbundenen Schmerzes in der vorherigen Therapie, nicht gut auf Ihren jetzigen Therapeuten einlassen können. Ist dies der Fall, wäre es gut, dies in der Therapie anzusprechen und zu bearbeiten. Es kann aber auch wirklich sein, dass das „Matching“ zwischen Ihnen und Ihrem jetzigen Therapeuten nicht stimmt, dann wäre es schwierig Bindungsverletzungen zu bearbeiten oder aber seine Methodik beinhaltet dies gar nicht. Wenn Sie das Gefühl haben, dies ist der Fall, dann wäre es auch gut, dies mit dem Therapeuten zu besprechen, um zu überlegen, ob Sie beide eine gute Arbeitsbeziehung entwickeln können. Denn egal aus welchem Grund, wenn Sie sich per se nicht wohl fühlen in der Beziehung zu Ihrem Therapeuten, dann ist es wichtig dies zu bearbeiten. Eine gute Beziehung zwischen Therapeut und Patient ist einer der wichtigsten Wirkfaktoren in der Psychotherapie. Erst, wenn diese Gespräche nicht dazu führen, dass Sie sich wohler, verstanden und gesehen von Ihrem Therapeuten fühlen würde ich Ihnen empfehlen, die Therapie zu beenden und sich nach einem anderen Therapeuten umzuschauen.
Zusätzlich kann ich Ihren zwei Bücher von Dami Charf empfehlen
1. Wie man einen guten Psychotherapeuten findet
2. Auch alte Wunden können heilen
Beide Bücher und der Ansatz von Dami Charf können Ihnen sowohl bei einer ggf. erneuten Therapeutensuche als auch bei Ihrer Thematik weiterhelfen. Dami ist eine bekannte Traumatherapeutin und hat viele gute Videos auf Youtube hochgeladen. Sich damit zu beschäftigen könnte hilfreich sein, um sich selbst und seine eigenen Erfahrungen besser zu verstehen und einordnen zu können und sich seiner Bedürfnisse bewusst zu werden.
Eine weitere gute Möglichkeit, um mit sich selbst zu arbeiten ist nach meiner Erfahrung eine Klopfmethode namens PEP. Mit PEP ist es möglich, viele Stressoren zu lösen und das eigene Selbstwertgefühl zu steigern. Es gibt ein kleines Büchlein von Dr. Michael Bohne, wo die Technik zur Selbstanwendung beschrieben wird, dies heißt: „Bitte klopfen“. Meist ist es jedoch auch sinnvoll, diese Technik in therapeutischer Begleitung zu erlernen.
Beides kann ich Ihnen nur zusätzlich zur Therapie empfehlen. Bindungsverletzungen brauchen eine neue Bindungserfahrung, um verändert werden zu können und dafür ist der geschützte, therapeutische Raum eine gute Möglichkeit. Übertragungen und das zeitweilige Gefühl einer emotionalen Abhängigkeit vom Therapeuten/Therapeutin sind dabei ganz normale Phänomene in der Therapie.
Ich hoffe meine Anregungen und Wahrnehmungen helfen Ihnen auf Ihrem Weg etwas weiter und ich wünsche Ihnen alles Gute.
Herzliche Grüße
Nicole Kirsig

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