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Mein Wunsch nach Nähe ist meinem Partner oft zuviel

edmunda (w, 27) aus Schweiz:

Ich bin seit fast 3 Monaten mit einem Mann (40) zusammen. Wir kennen uns 8 Monate. Er hat ein Kind 5 Jahre alt und das wohnt bei ihm die Hälfte der Woche. Am Anfang als wir uns kennengelernt haben, waren wir ab und zu körperlich. Mit dem Sex hats bis jetzt leider noch nicht wirklich funktioniert. Sein Orgasmus ist viel zu schnell oder ich bin verkrampft wegen unserer Situation. Es ist ein physisch, emotionaler Teufelskreis.

Er hat mir gesagt, dass er noch nie eine wirkliche Beziehung hatte. Ich finde ihn enorm attraktiv und würde ihm am liebsten immer Nahe sein. Seit wir konkreter geworden sind, ist ihm meine Nähe oft zu viel. Obwohl wir uns nur max. zweimal pro Woche sehen. Bei mir ist es das Gegenteil.

Er meint auch, dass er sich von mir unter Druck gesetzt fühlt, weil dauernd denkt, dass ich Erwartungen habe, die er nicht erfüllen kann. Dadurch kann er noch weniger Nähe zulassen. Auch hat er mir gesagt, dass er glaube er sei noch nie von jemandem hin und weg gewesen in seinem Leben. Und dann hat er noch gemeint, dass er keine Lust auf Sex hat im Moment. Er meinte auch, dass das möglicherweise am Stress liegt.

Ich versuche ihm Zeit zu geben, aber es gibt Momente in denen ich einfach Nähe möchte und das geht dann nicht. Er war einmal bei einem Psychologen wegen Platzangst. Das ist ein paar Jahre her. Damals konnte er nicht einmal mehr Zug und Bus fahren. Könnte da einen Zusammenhang bestehen? Kann ich ihm irgendwie helfen? Muss ich mich anders verhalten?

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe edmunda,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage. Sie sind seit 3 Monaten mit einem Mann zusammen, der noch nie eine verbindliche Beziehung hatte. Sie finden ihn sehr attraktiv und möchten ihn verständlicherweise öfter sehen. Doch es reicht ihm, wenn Sie sich 2x mal die Woche treffen und selbst dann ist ihm die Nähe zu Ihnen oft noch zuviel. Er spürt Ihre Erwartungen und fühlt sich dadurch unter Druck gesetzt. Was dazu führt, dass er noch weniger Nähe zulassen kann.

Sie haben Recht, innerhalb kurzer Zeit ist eine Pattsituation zwischen ihnen entstanden.
Das Zauberwort in dieser Dynamik heißt Bedürfnisse. Sie haben das natürliche Bedürfnis, ihm nah zu sein und Zeit mit ihm zu verbringen. Doch er kann Ihre Bedürfnisse nur als eine Erwartungshaltung wahrnehmen, die ihn unter Druck setzen und in die Flucht treiben.

Sie versuchen ihm Zeit zu geben, doch es kann sein, dass das nicht funktioniert. Selbst wenn Sie sich alle Bedürfnisse „abtrainieren“ würden, wird er noch Ihre subtile Erwartungshaltung argwöhnen und sich dadurch blockiert fühlen.

In einer Partnerschaft ist es häufig so, dass es unterschiedliche Bedürfnisse nach Nähe gibt. Das muss nicht zwangsläufig zum Drama führen, wenn man lernt, miteinander Bedürfnisse auszuhandeln. Auf einer erwachsenen Ebene kann das dann beispielhaft so aussehen:

Sie haben an einem Abend das Bedürfnis nach Nähe und Kuscheln auf dem Sofa. Er fühlt sich nicht offen für eine solche Nähe, macht Ihnen aber das Angebot, zusammen essen zu gehen und dabei über seinen Stress zu sprechen, den er gerade in seinem Leben hat. Was dabei geschieht ist, dass Sie sich mit Ihrem Bedürfnis wahrgenommen fühlen, obwohl er es nicht 1:1 erfüllen kann. Er wiederum nimmt seine Beziehungsverantwortung wahr und entzieht sich nicht einfach, sondern macht ein anderes Angebot, das er tatsächlich erfüllen kann. Sie kommen sich sozusagen auf halber Strecke entgegen: Sie mit ihrem klaren Bedürfnis nach Nähe und er aus der sicheren emotionalen Distanz.

Dies könnte ebenso auf der sexuellen Ebene wirken. Sie schreiben, mit dem Sex hat es bisher noch nicht wirklich funktioniert. Er erreicht zu schnell einen Höhepunkt und Sie sind verkrampft wegen ihrer Beziehungssituation. Hierbei ist er zu schnell in der körperlichen Nähe und Sie bleiben in der emotionalen Distanz. Deshalb finde ich es nicht erstaunlich, dass sie beide nicht so oft Sex haben oder Ihr Partner sogar anfängt, gar keine Lust mehr zu empfinden.

Aus meiner Sicht könnten jetzt zwei Dinge für sie beide sehr hilfreich sein:

Nehmen Sie den Druck raus. Verleugnen Sie nicht Ihr Bedürfnis nach Nähe zu ihm, aber machen Sie ihn nicht für die Erfüllung verantwortlich. Wenn Sie Ihre Selbstfürsorge mehr in den Vordergrund stellen und leben, wird er vom Erfüllungsdruck entlastet.

Was Ihren Partner betrifft, so finde ich es wichtig, dass er seinen Beziehungswunsch klarer ausdrückt. Wenn er Ihnen sagt, er sei noch nie hin und weg gewesen in seinem Leben, heißt das übersetzt, er hat sich noch nie getraut, jemanden wirklich zu lieben und an sich heran zu lassen. Die Frage ist, ob er jetzt dazu bereit wäre, mit Ihnen das auszuprobieren. Darüber sollte er sich klar werden. Falls nicht, bleiben Sie ewig in der Rolle der Bedürftigen und er zieht sich in seine Distanzrolle zurück.

An der letzten Frage wird für Sie dann deutlich, ob er wirklich ein langfristiges Interesse an einer Beziehung mit Ihnen hat. Es geht nicht darum, ob etwas sofort funktioniert, sondern ob man bereit ist, sich miteinander auseinander zu setzen und sich wirklich kennen – und lieben zu lernen. Das braucht Zeit,den Wunsch nach Hingabe und eine Offenheit von beiden Seiten.

Wie auch immer ihr weiterer Beziehungsweg aussehen mag, ich wünsche Ihnen alles Gute dafür,

mit herzlichem Gruß

Anke Wagner
-Heilpraktikerin f. Psychotherapie -

Bewertung durch den Fragensteller:

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