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Mein Freund war im Gefängnis und erträgt jetzt keine Nähe mehr

Wolke (w, 28) aus Stuttgart: Hallo, ich habe ein Problem mit meinem Freund. Wir führten eine tolle Beziehung ohne Streit und Probleme. Wir lieben uns wirklich, wollen auch zusammenziehen. Er war schon immer der Typ der seine Probleme mit sich ausmacht, sehr sensibel ist und sich alles sehr zu Herzen nimmt. Jedenfalls kam er wegen einer Sache vor ein paar Jahren ins Gefängnis. Urteil war 1 Jahr bzw. Halbstrafe bis Juli. Das Gnadengesuch ging dann durch und er kam nach 6 Wochen wieder raus. Ich stand die ganze Zeit zu ihm, habe ihn unterstützt und alles. Jetzt ist es aber so, dass er überhaupt nicht klar kommt. Schläft fast keine Nacht mehr und wenn, hat er Alpträume... Die Zelle zu... Das Ausziehen nach den Besuchen... Er sagt immer, er erträgt zur Zeit keine Nähe, es tut ihm leid, dass er so zu mir ist. Er sagt alles ist ihm zu viel. Er arbeitet zu dem wieder seit 4 Wochen und hat 10-12 Std. Tage. Seit 2,5 Monaten ist er draußen. Ich weiß selbst nicht mehr, was ich tun kann, damit es ihm besser geht, wie ich mich verhalten soll. Ich habe so angst, dass er da nicht drüber hinwegkommt und dass ich ihn verliere. Er braucht Zeit, sagt er. Er wird auch zu nem Psychologen gehen. Wird er ihm helfen können? Warum hat er so ein Problem, Nähe zuzulassen? Was soll ich tun? Wie soll ich mich verhalten? Wenn ich mich zurückziehe und weniger rede oder Sms schreibe, merkt er es gleich und frägt, was mit mir los ist. Ich weiß nicht mehr weiter. Vielen Dank schon mal.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Wolke,

eine schlimme Situation, zu erleben, wie eine intakte Beziehung unsicher und belastend wird.

Ohne Zweifel war es ein einschneidendes Erlebnis, im Gefängnis zu sein. Ich weiß nicht, wieviele Menschen da in einer Zelle sind, oft ist es ja keine Einzelzelle und ich weiß auch nicht, ob und was da passiert ist. Das Gefühl, eingesperrt zu sein, keine Privatsphäre zu haben, ist sehr manifest und kann lange danach noch Auswirkungen haben. Z.B. keine Luft zu bekommen, erdrückt zu werden.
Ausserdem ist es demütigend, was sonst noch alles abläuft, die ständigen Kontrollen, Misstrauen, Rangkämpfe...

Ich habe so den Eindruck, dass Ihr Freund seine Stabilität an Ihnen ausmacht und Sie momentan seine einzige Stütze sind. Wichtig wäre wirklich, dass er sich unverzüglich um eine Therapie bemüht, entweder über die Kasse und wenn ihm das zu lange dauert, über eine Privatpraxis. Das ist zwar selbst zu bezahlen, aber es gibt sehr viel schneller einen Termin.

Sie sind überfordert, denn Sie können nicht leisten, was Ihr Freund braucht. Eine Neuorientierung, ein Umgehen mit seiner Straftat und deren Folgen und ein Verarbeiten des Aufenthalts im Gefängnis.

Für Sie halte ich es auch für angebracht, einige Stunden Beratung zu nehmen, um mit der Situation besser zurecht zu kommen und für sich neue Kraft zu schöpfen. Es ehrt Sie, dass Sie immer zu ihm gehalten haben und es immer noch tun, trotzdem brauchen Sie ebenfalls Unterstützung, um durch diese schwierige Zeit unbeschadet hindurch zu kommen. Ich kann mir auch vorstellen, dass der Gedanke, dass Ihr Partner straffällig geworden ist, in Ihnen rumort und Sie sich vielleicht fragen, was, wenn wieder?

Ich schicke Ihnen als Link eine Broschüre mit einer Beratungsstelle in Ihrer Gegend, auf Seite 22 steht etwas für Angehörige von Straffälligen. Das könnte Ihnen vielleicht zusätzlich weiterhelfen, denn Sie sind mit diesen Problemen nicht alleine.

Sprechen Sie bitte offen und ehrlich mit ihrem Freund, teilen Sie ihm mit, wie es Ihnen geht und dass Sie hoffen, dass sich die Lage durch Therapie bessert und Sie wieder zusammen finden und miteinander diesen neuen Weg gehen können. Letztendlich ist jeder für sich selbst verantwortlich, insofern sind die Möglichkeiten, dass Sie etwas für ihn tun können, eher begrenzt. Niemand kann einen anderen retten, das kann jeder nur für sich selbst anpacken.

Ich wünsche Ihnen von Herzen Kraft und Mut und dass Sie wieder unbelastet in die Zukunft schauen können!

Viele Grüße

Claudia Schmitt

Heilpraktikerin für Psychotherapie

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